In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Bestände des Volksliedunternehmens als Ostmärkisches Volksliedunternehmen der Musikhistorischen Zentrale in Berlin unterstellt und nach den neuen Gaugrenzen teilweise neu aufgeteilt. Im Rahmen der Forschungs- und Lehrgemeinschaft Heinrich Himmlers, Ahnenerbe der SS, wurde von einer eigens dafür eingerichteten Südtiroler Kulturkommission die erste groß angelegte, systematische Sammlung volksmusikalischer Tondokumenten unter der Leitung von A. Quellmalz durchgeführt, wobei – vor sehr problematischem ideologischem Hintergrund, aber mit großem Fachwissen – mehr als 3000 Tondokumente gesammelt wurden. Die Zeitschrift Das deutsche Volkslied war in dieser Zeit weiterhin das Organ mehr oder weniger privater Volksmusikforscher, doch erlahmten viele Ansätze kriegsbedingt.
Nach dem Krieg wurde das Volksliedunternehmen als Österreichisches Volksliedwerk neu gegründet. L. Schmidt erstellte 1947 eine neue Sammelanleitung, die nun auch auf den Volksgesang gerichtet war. Unter der Redaktion von L. Schmidt, L. Nowak und R. Zoder erschien ab 1952 in Nachfolge der Zeitschrift Das deutsche Volkslied das Jahrbuch des Österreichischen Volksliedwerkes; 1955 wurde im Volksliedwerk ein Zentralarchiv errichtet, das ab 1975 mit einer wissenschaftlichen Fachkraft besetzt wurde. Das Jahrbuch wurde zum Forum für viele weiterhin hobbymäßige Volksmusikforscher wie A. Anderluh, Gerda Anderluh, G. Antesberger, J. Bitsche, H. Commenda, H. Derschmidt, Jakob Dobrovich (1911–84), Harald Dreo, J. Gartner, S. Gmasz, Kurt Hahn, Gundl Holaubek-Lawatsch, K. Horak, K. M. Klier, G. Kotek, H. Lager, I. Peter, Herbert Rathner, K. Schnürl, F. Schunko, N. Wallner, Ernst Weber, H. Wulz, R. Zoder u. v. a. Aber auch Fachvolkskundler wie Klaus Beitl, Anton Dörrer (1886–1968), Helmut Paul Fielhauer, K. Gaál, Viktor von Geramb (1884–1958), Franz Grieshofer, Reinhard Johler, Leopold Kretzenbacher, Maria Kundegraber, Franz Lipp, Leander Petzoldt, Hermann Steininger, H. Thiel, M. Walcher, R. Wolfram und v. a. L. Schmidt lieferten zahlreiche Beiträge. Die Germanistik war durch Maria Hornung mit ihrem mundartkundlichen Zweig sowie durch Herbert Zeman (* 1940) vertreten, die historische Musikwissenschaft durch R. Flotzinger, L. Nowak und W. Salmen, später durch Eva Maria Hois und Sonja Ortner, die Musikanalytik durch F. Eibner, die vergleichende Musikwissenschaft durch H. Fritz, die Musiksoziologie durch K. Blaukopf. Zu den häufigsten Beitragenden gehört Wa. Deutsch, dem seit der Etablierung der V. an den MUniv.en Volksmusikforscher wie W. Suppan und G. Haid, später Helmut Brenner (* 1957), Evelyn Fink-Mennel (* 1972), Ursula Hemetek (* 1956), Thomas Hochradner (* 1963), Engelbert Logar (* 1959), Alois Mauerhofer (* 1946) und Rudolf Pietsch (* 1951) folgten. Die Professionalisierung der österreichischen V. mit der Entwicklung ihrer Methoden (Typologie, Melodieregister, Kartographie, Feldforschung, Ton- und Filmaufzeichnung, Transkription und Analyse, Entwicklung eines EDV-fähigen Informationssystems) und Ausweitung der Forschungsfelder (Musik von Minderheiten, Popularmusik) findet ihren Niederschlag im Jahrbuch, wo alljährlich auch eine Bibliographie der einschlägigen österreichischen Neuerscheinungen veröffentlicht wird. Im Österreichischen Volksliedwerk entsteht zudem seit 1993 unter der Redaktion von Wa. Deutsch die wissenschaftlich-kritische Repräsentativausgabe österreichischer Volksmusik Corpus Musicae Popularis Austriacae (bis 2005 17 Bde.). Darin wurde 2004 auch der „Ankündigungsband“ von 1918 mit einem umfangreichen Kommentarteil zur Geschichte des Volksliedwerkes veröffentlicht. Wissenschaftliche Publikationen entstehen auch in den Bundesländern, wie der Vorarlberger Liedkatalog von J. Bitsche 1969, Kärntens Volksliedschatz, begonnen 1960 von A. Anderluh, die Bände des Instituts für Tiroler Musikforschung unter der Leitung von Ma. Schneider ab 1982 und die Beiträge zur Wiener Musik ab 2004, sowie zahlreiche Beiträge in den regionalen wissenschaftlichen Publikationsorganen. Mit einem 1993 vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung gestifteten alle zwei Jahre vergebenen Walter-Deutsch-Preis werden durch das Österreichische Volksliedwerk besondere Leistungen für die V. ausgezeichnet.
Die österreichische V., an deren Beginn private Initiativen und Interessen stehen, ist durch maßgebliche Impulse verschiedener akademischer Disziplinen in diesem Land zu einem eigenen Fach geworden. Zunächst war es die Germanistik, der es um Erfassung und Einordnung volksmusikalischer Quellen in philologischer, historischer und dialektologischer Hinsicht ging. Die von Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler 1899 begründete, von Eduard Castle (1875–1959) fortgesetzte deutsch-österreichische Literaturgeschichte konnte bereits auf entsprechende Leistungen aufbauen, und hier schloss auch die volkskundliche Richtung an wie z. B. der Prager Germanist Adolf Hauffen. Als erste große philologische Arbeit zur österreichischen Volksliedforschung, in der Text und Melodie gleichermaßen berücksichtigt wurden, entstand und erschien in Berlin 1912 die Dissertation des Germanisten C. Rotter über den „Schnaderhüpfel-Rhythmus“ (Gstanzl). Der Wiener Germanist V. Junk befasste sich mit Tanzforschung; in seiner Dissertation bei E. Castle erstellte Dominik Hummel die Bibliographie des weltlichen Volksliedes in Niederösterreich. Weitere Impulse für die V. kamen von der Volkskunde. Bei Arthur Haberlandt hörten R. Wolfram, L. Schmidt und K. Horak; V. v. Geramb, Ordinarius in Graz, unternahm volksmusikalische Feldforschungen mit K. Mautner und V. Zack. Eine Reihe einschlägiger Dissertationen, darunter jene von Kurt Lorber über Flugblätter in Grazer öffentlichen Sammlungen, entstanden in Graz. Anton Dörrer, Univ.-Prof. für Volkskunde in Innsbruck, lieferte wichtige Beiträge zur Singtradition im Zuge seiner Erforschung der tirolischen Spielkultur des Mittelalters und der Barockzeit. Zahlreiche Volksmusikforscher haben methodische wie inhaltliche Anregungen von der Volkskunde erhalten. Dissertationen und Diplomarbeiten zu Volksmusik im weitesten Sinn entstanden und entstehen in Wien, Graz und Innsbruck.
Was die Musikwissenschaft betrifft, so hatte in Wien in der von G. Adler angeregten vergleichenden Musikwissenschaft die V. neben der Musikethnologie ihren selbstverständlichen Platz; Adlers Nachfolger R. Lach, dessen Konzept die methodische Einordnung der V. in die vergleichende Kunst- und Musikwissenschaft vorsah, dokumentierte in großem Umfang mittels Tonaufnahmen die Gesänge russischer Kriegsgefangener. Aus einer Reihe von Dissertanten, die sich mit musikethnologischen Themen befassten, leisteten insbesondere R. Geutebrück und M. Haager wertvolle Beiträge zur österreichischen V., wie auch J. v. Pulikowski, der 1933 den Versuch unternahm, durch Aufzeigen der Begriffsgeschichte „Volkslied“ zur terminologischen Klärung beizutragen. An der deutschen Univ. in Prag erschloss der Musikhistoriker P. Nettl historische Dokumente zur Liedüberlieferung. Nach dem Zweiten Weltkrieg trug W. Graf v. a. durch seine Beschäftigung mit den Jodeltheorien zur österreichischen V. bei und brachte die Methode sonagraphischer Untersuchung in die Forschung ein, was von seinem Nachfolger F. Födermayr fortgesetzt und ausgebaut wurde. Bei ihm haben die VolksmusikforscherInnen R. Pietsch, U. Hemetek und H. Fritz studiert. In der historischen Musikwissenschaft entstand bei E. Schenk die Dissertation von W. Graf über den Sammler geistlichen Liedgutes J. Gabler. R. Flotzinger hat seinen Beitrag zur V. nicht allein durch eine Reihe von Einzeluntersuchungen geleistet, sondern auch durch die starke Berücksichtung der Volksmusik sowohl in der Musikgeschichte Österreichs wie auch im Oesterreichischen Musiklexikon. In Innsbruck entstand 1949 bei W. Senn die Dissertation von W. Kolneder über die vokale Mehrstimmigkeit in der Volksmusik der österreichischen Alpenländer; bei W. Salmen lieferten Forschungen zur musikalischen Ikonographie, zu Musikinstrumenten und zum Tanz ausführliche Beiträge zur historischen V. Bei Salmens Nachfolger T. Seebaß entstanden die Dissertationen von Th. Nußbaumer über A. Quellmalz und von S. Ortner zum Innsbrucker Gesangsbuch von 1588 ( Catholisch Gesangbuechlein ). In enger Beziehung zum Wiener musikwissenschaftlichen Institut arbeitet das 1899 in Wien errichtete Phonogrammarchiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Schon während des Ersten Weltkrieges wurde dort ein großes Projekt zur Aufzeichnung von Soldatenliedern der Armeeangehörigen durchgeführt; ab 1902 wurden Volksliedaufnahmen gemacht. Unterstützend für musikwissenschaftliche, darunter auch volksmusikalische, Fragestellungen wirkt die Kommission bzw. das Institut für Schallforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, die 1972 für schallanalytische Untersuchungen, verbunden mit psychoakustischer Grundlagenforschung, eingerichtet wurde. Ein weiteres Computerprogramm zur Klanganalyse wurde von Emil Lubej entwickelt, das auch in der V. eingesetzt wird. Für das Wiener Phonogrammarchiv wurde von D. Schüller die ORTF-Technik adaptiert, die seither auch bei volksmusikalischen Feldforschungen erfolgreich angewendet wird. An zahlreiche Leistungen und interdisziplinäre Kontakte konnte daher bereits angeknüpft werden, als die V. als akademisches Fach an den MUniv.en (damals noch Akademien bzw. Hochschulen für Musik und darstellende Kunst) etabliert wurde. W. Wünsch wurde 1963 Gründer und erster Leiter des Instituts für Musikfolklore (heute: Musikethnologie) an der MAkad. in Graz. Ab 1973 war W. Suppan Institutsleiter und Lehrkanzelinhaber mit Schwerpunkten bei der historischen V. und der musikalischen Anthropologie. Die Musikethnologischen Sammelbände (bis 2005 20 Bde.) dokumentieren das breite Spektrum einer anthropologisch und historisch fundierten Musikethnologie. 1965 entstand an der MUniv. in Wien mit Wa. Deutsch als Gründer und Leiter das Institut für Volksmusikforschung (Nachfolgerin seit 1994 G. Haid). 2002 wurde der Name des Institutes gemäß seinem Aufgabenbereich auf Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie erweitert, der v. a. dem von U. Hemetek etablierten Schwerpunkt für Minderheitenforschung gerecht wird. Publikationsorgane sind die Schriften zur Volksmusik (bis 2006 21 Bde.), die Klanglese (bis 2006 3 Bde.) und die 1967 begonnene Serie von Tondokumenten. Am 1987 an der MHsch. Mozarteum Salzburg mit Sitz in Innsbruck unter der Leitung des Musikpädagogen J. Sulz gegründeten Institut für musikalische Volkskunde wirkt Th. Nußbaumer. Schwerpunkt der im Zweijahresrhythmus gemeinsam mit dem Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie in Wien durchgeführten Symposien, die in der Schriftenreihe Innsbrucker Hochschulschriften Serie B: Musikalische Volkskunde (derzeit 5 Bde.) dokumentiert werden, ist die Volksmusik der Alpen.
Insgesamt knüpft die V. an den MUniv.en einerseits an das wissenschaftliche Erbe des Österreichischen Volksliedwerkes an, andererseits sucht sie über die einstigen Impulsgeber hinaus internationale und interdisziplinäre Kooperationen in den Studiengruppen des ICTM (International Council of Traditional Music), in Kontakt mit Ethnomusikologie, Musiksoziologie, Musikanthropologie, Musikpädagogik u. a. Die ganze Breite des Faches zeigen gegenwärtig die von Michael Weber und Th. Hochradner herausgegebenen Beiträge zur vergleichenden und systematischen Musikwissenschaft wie auch die Festschrift für Wa. Deutsch sowie der von Gerd Grupe (* 1955) herausgegebene Sammelband über Musikethnologie und V. in Österreich.
(Alphabetisch:) G. Adler in Vierteljahrsschrift f. Musikwissenschaft 1 (1885); A. Anderluh (Hg.), Kärntens Volksliedschatz , 12 Bde. 1960ff; A. Angenetter/E. K. Blümml, Lieder der Einserschützen 1924; J. Bitsche, Der Liederschatz der Vorarlberger 1969; K. Blaukopf in JbÖVw 47 (1998); A. Blöchl in Vierteltakt 2005; E. K. Blümml (Hg.), Quellen u. Forschungen zur dt. Volkskunde 1908ff; E. K. Blümml/G. Gugitz, Der Spittelberg u. seine Lieder 1924 [unter Pseud. K. Giglleithner u. G. Litschauer]; Corpus Musicae Popularis Austriacae. GA der Volksmusik in Österreich, hg. v. W. Deutsch 1993ff; Das dt. Volkslied. Zs. f. seine Kenntnis u. Pflege, hg. v. J. Pommer et al. 1899–1949; W. Deutsch/E. M. Hois (Hg.), Das Volkslied in Österreich. Volkspoesie u. Volksmusik der in Österreich lebenden Völker , hg. v. K. K. Ministerium f. Kultus u. Unterricht, Wien 1918, 2004 (COMPA, Sonderbd.); W. Deutsch, V. in Österreich 1965–1985 . Bericht 1985; W. Deutsch in ÖMZ 24/9 (1969); R. Flotzinger in JbÖVw 29 (1980); S. Gmasz et al. (Hg.), Tondokumente zur Volksmusik in Österreich 1993ff; G. Grupe (Hg.), Musikethnologie u. V. in Österreich: Das „Fremde“ und das „Eigene“? , 2005; G. Haid in JbÖVw 53/54 (2005); G. Haid et al. (Hg.), [Fs.] W. Deutsch 2000; M. Haberlandt in Zs. für österr. Volkskunde 1 (1895); F. Hoerburger/W. Suppan in Acta mus. 37 (1965); D. Hummel in Jb. f. Landeskunde v. Niederösterreich 24 (1931); INFOLK. Informationssystem f. Volksliedarchive in Österreich 1991; Innsbrucker Hochschulschriften, Serie B: Musikalische Volkskunde, hg. v. J. Sulz et al. 1997ff; JbÖVw 1ff (1952ff); Kat.e der Tonbandaufnahmen des Phonogrammarchives der ÖAW in Wien 1960ff; Kleine Quellenausgabe, Veröff. des Österr. Volkslied-Unternehmens 1925ff; K. M. Klier, Schatz österr. Weihnachtslieder , 6 H.e [1936]; Kollitsch 1935; G. Liesenfeld in O. Bockhorn/G. Liesenfeld (Hg.), Volkskunde in der Hanuschgasse 1989; E. H. Lubej in Beiträge vom 20. Ethnomusikologischen Seminar. Bratislava 1990; I. Mochar-Kircher, Das "echte dt." Volkslied. Josef Pommer (1845–1918) – Politik und nationale Kultur 2004; Musikethnologische Sammelbände , hg. v. W. Suppan 1977ff; P. Nettl, Das Wr. Lied im Zeitalter des Barock 1934; L. Nowak in JbÖVw 3 (1954) u. 16 (1967); Th. Nußbaumer, Alfred Quellmalz u. seine Südtiroler Feldforschungen (1940–42). Eine Studie zur musikalischen Volkskunde unter dem Nationalsozialismus 2001; Th. Nußbaumer in G. Haid et al. (Hg.), [Fs.] W. Deutsch 2000; S. Ortner, Das Innsbrucker Catholisch Gesangbuechlein von 1588. Das erste vollständige österr. Kirchengesangbuch als Produkt der Gegenreformation u. seine Bedeutung für die Liedgesch., Diss. Innsbruck 2002; J. v. Pulikowski, Gesch. des Begriffes Volkslied im musikalischen Schrifttum. Ein Stück dt. Geistesgesch. 1933; A. Quellmalz, Südtiroler Volkslieder 3 Bde. 1968ff; C. Rotter, Der Schnaderhüpfel-Rhythmus 1912; L. Schmidt in Hb. des Volksliedes 2 (1975), 9–24; L. Schmidt, Anleitung zur Slg. u. Aufzeichnung des Volksliedes in Österreich 1947; Schriften zur Volksmusik, hg. v. W. Deutsch 1969ff; W. Suppan in JbÖVw 19 (1970); W. Suppan in Hb. des Volksliedes 2 (1975), 517–525; W. Suppan in W. Deutsch et al. (Hg.), Volksmusik in Österreich 1984; Tondokumente aus dem Phonogrammarchiv der ÖAW. GA der Historischen Bestände 1899–1950, hg. v. D. Schüller, Serie 4: Soldatenlieder der k. u. k. Armee 2000, Serie 8: Österr. Volksmusik (1902–1939), 2004; M. Weber/Th. Hochradner (Hg.), Identität u. Differenz. Beiträge zur vergleichenden u. systematischen Musikwissenschaft 1998 (MusAu 17); [Kat.] Wissenschaftliche Filme 1974; R. Zoder in Zs. f. Volkskunde 21 (1911).