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Bänkelsang
Ein Lied- und Vortragstypus. Die Erfindung des Buchdrucks führte zu einer Verdinglichung des Liedes. Der B. gebrauchte es bereits als Ware. (Begriff Bänkleinsänger erstmals 1709). Wesentliche Verkaufsrequisiten und -momente waren: 1. die Bank (Diminutiv Bänkel) als Podest, auf dem sich der Schausteller produzierte; 2. das Schild: ein großes, auf Wachstuch oder Leinwand grell gemaltes, in Einzelszenen aufgeteiltes Bild; 3. der lange Zeigestab zur Erläuterung der bewusst nicht in Leserichtung angeordneten Einzelszenen; 4. der Gesangsvortrag, meist mit Musikbegleitung durch Fiedel, Harfe, Drehleier und Drehorgel. Letztere ließ – infolge begrenzter Anzahl von „Tönen“ (Melodien) auf der Walze – nur ein enges Repertoire zu; 5. der Lieddruck mit dem in der Regel gereimten Text des meist mehrstrophigen Liedes. In der Frühzeit genügte die Angabe der Melodie (= Ton), die großteils bekannten Volks- und Gesellschaftsliedern entnommen war. Der inhaltliche Themenkanon ähnelte jenem der „Zeitungssänger“: Naturereignisse, Familientragödien, frevelhafte Handlungen etc. Für den B. war allerdings weniger Aktualität, sondern Belehrung mit stark moralisch-didaktischer Komponente maßgeblich. Auftrittsorte: v. a. Kirtage, Jahrmärkte, Messen, an Wallfahrtsorten auch geistlicher B. Der B. zog ein sehr heterogenes Publikum an. Primäre Zielgruppe war jedoch das städtische und ländliche Dienstleistungs- und Hauspersonal (daher auch sog. „Küchenlieder“). Während der europaweit verbreitete B. in Deutschland ganze „Dynastien“ hervorbrachte, bildete sich in Wien eine Sonderform (ohne Requisiten) heraus: die „Liederweiber“. Bereits im 18. Jh. war B. eine abwertende Bezeichnung, und die Texte wurden aufgrund ihres trivialen Realismus’, sprachlichen Unvermögens und grober Schwarz-Weiß-Malerei für lächerlich erachtet. Die Parodie des B. führte im 19. Jh. zur „Moritat“ (wohl von „Mordtat“ abgeleitet), die literarische Weiterverwertung in der Romantik und im beginnenden 20. Jh. zum „stilisierten B.“.
Literatur
M. Arndorfer, B. und Moritaten 1977; R. W. Brednich in JbÖVw 21 (1972); G. Gugitz, Lieder der Straße 1954; S. Kovacs, Der historische B. in Wien, Diss. Wien 1987; L. Petzoldt, Bänkellieder und Moritaten aus drei Jh.en 1982; L. Petzoldt, B. Vom historischen B. zum literarischen Chanson 1974; L. Petzoldt, Die freudlose Muse, Texte, Lieder und Bilder zum historischen B. 1978; L. Schmidt in JbÖVw 12 (1963); F. Rebiczek, Der Wiener Volks- und Bänkelsang in den Jahren von 1800–1848 [o. J.].

Autor*innen
Gertraud Pressler
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Gertraud Pressler, Art. „Bänkelsang‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f7b1
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