Sch.s Affinität zur NS-Ideologie, seine antisemitischen Tendenzen und sein Handeln während des Zweiten Weltkriegs sowie der Nachkriegszeit kamen erst nach seinem Tod wieder ans Licht und werden erst seit einigen Jahren umfassend aufgearbeitet. Über eine mögliche Mitgliedschaft Sch.s in der NSDAP herrscht aufgrund mangelnder Belege weiterhin Unklarheit. Dennoch stand er der Partei und deren Ideologie nahe, sein Wirken ging außerdem deutlich über reinen Opportunismus oder ein Mitläufertum hinaus: 1934 wurde er Mitglied im NS-Lehrerbund (NSLB) sowie später dem NS-Dozentenbund (NSDB), darüber hinaus ging er im „Dritten Reich“ zahlreichen Tätigkeiten im Amt Rosenberg nach, wofür er vom Wehrdienst befreit wurde. Hier arbeitete Sch. beim Sonderstab Musik besonders eng mit Herbert Gerigk zusammen und beteiligte sich auch bei dessen Lexikon der Juden in der Musik. Hierfür lieferte er u. a. Auskünfte über die jüdischen Doktoranden und Doktorandinnen des Wiener Musikhistorischen Instituts. Des Weiteren arbeitete Sch. an der Zeitschrift Musik im Kriege und veröffentlichte 1940–44 Artikel im Völkischen Beobachter. In seinen Schriften aus den 1930er und 1940er Jahren (vor allem zu W. A. Mozart oder Fr. Schubert) finden sich deutliche Hinweise zu den rassenkundlichen Lehren des Nationalsozialismus, die er später durch Neu-Herausgaben seiner Werke zu tilgen versuchte. Sch. plante außerdem ein Projekt zur Erforschung „germanischer Reste im italienischen Kulturkreis“ bei Heinrich Himmlers SS-Ahnenerbe, das jedoch nicht zustande kam. Die Umstände seiner Berufung an die Wiener Univ. Ende 1939, die seinerzeit für Verwunderung sorgte, ist heute nicht mehr im Detail nachzuvollziehen, seine politische Ausrichtung hatte hierbei jedoch vermutlich entscheidende Bedeutung.
Nach dem Krieg blieben Sch.s Aktivitäten lange im Dunkeln, auch da er biographische Beiträge über sich häufig selbst verfassen und somit die Öffentlichkeit täuschen konnte. Insbesondere im Fall der Bibliothek G. Adlers hatte er seine Beteiligung nachweislich falsch dargestellt. Nach dem Tod Adlers 1941 hatte Sch. dessen Bibliothek und wissenschaftlichen Nachlass (darunter u. a. das Manuskript von G. Mahlers Ich bin der Welt abhanden gekommen) durch die Gestapo beschlagnahmen lassen. Später behauptete er, sowohl die Bibliothek als auch G. Adler vor den NS-Behörden gerettet zu haben. Adlers Tochter Melanie (* 12.1.1888 Prag, † 26.5.1942 KZ Klein Trostinetz bei Minsk/Ostland [Maly Traszjanez/BY]), die gegen die Beschlagnahme vorgehen wollte, wurde nicht (wie teils behauptet) durch Sch. zur Flucht nach Italien verholfen, sondern kurz darauf deportiert und ermordet. Nach dem Krieg wurde in der Causa Anzeige gegen Sch. erstattet, er wurde jedoch 1952 freigesprochen. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs revidierte Sch. seine politisch-ideologische Haltung nicht, und soll noch in den 1960er Jahren Dissertationsthemen zu jüdischen Komponisten abgelehnt haben. Ein 1967 eingeleitetes Gerichtsverfahren wurde ergebnislos eingestellt. Auch soll Sch. die Rückkehr von Wissenschaftlern wie E. Wellesz und R. Ficker in ihre früheren Positionen an der Univ. aktiv verhindert haben.
Ehrengrab (Salzburg, Kommunalfriedhof); Gedenktafel am Geburtshaus Sigmund-Haffner-Gasse 12 (Salzburg, s. Abb.) 1978 (entfernt 2016); E.-Sch.-Straße (Salzburg); E. Sch. Preis (Wr. Mozartgemeinde) seit 2003 (2021 umbenannt in „Förderpreis f. junge Künstlerinnen u. Künstler – Stiftung Margaretha Sch.“).
U. a. Dr. h. c. Univ.en Brünn u. Rostock 1969; Mitglied der ÖAW (k. M. 1944, w. M. 1946); Großes Silbernes Ehrenzeichen f. Verdienste um die Republik Österreich 1958; Kommandeurkreuze der Légion d’honneur u. des päpstlichen St.-Gregorius-Ordens 1958 sowie des Ordine „Al merito della Repubblica Italiana“ 1970; Ehrenzeichen d. Univ. Wien 1962; Wilhelm-Hartel-Preis 1966; Ehrenzeichen f. Wissenschaft u. Kunst der Republik Österreich 1970; Mozart-Preis der Johann Wolfgang von Goethe-Stiftung Basel 1973; Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold 1974; Ehrenbürger von Raiding/Bl.
Giuseppe Antonio Paganelli, Diss. München 1925, gedruckt 1928; Studien zur Entwicklung der dt. Triosonate nach Corelli, Habil. Rostock 1929 (ungedruckt); Johann Strauß 1940; 950 Jahre Musik in Öst. 1946; Kleine Wr. Musikgesch. 1947; Mozart 1956, 21975 ; Ausgewählte Aufsätze 1967; zahlreiche Aufsätze. – Hg.: DTÖ (9 Bde.); StMw (7 Bde.); Wr. Musikwissenschaftliche Beiträge 1955ff; Veröff. (ab 1947, 15 Bde.) u. Mitt. d. Komm. f. Mf. (ab 1955, 24 H.e); TMA (ab 1964, 8 Bde.); Beethoven-Studien 1970.
Kammermusik; Lieder.
MGG 14 (2005); NGroveD 22 (2001); DBEM 2003; Czeike 5 (1997); MGG 11 (1963) u. 16 (1979); A. Pinwinkler in Schweigen und erinnern 2016; A. M. Pammer, Musikgeschichte im „Dritten Reich“ – am Beispiel des Musikwissenschaftlers E. Sch. 2013; P. M. Potter, Die deutscheste der Künste 2000; Beiträge von Y. Sakabe u. M. Staudinger in Musik-Wissenschaft an ihren Grenzen 2004; M. Pape in Mf 53 (2000); F. Grasberger in Almanach der ÖAW 125 (1975); O. Wessely in Mf 28 (1975); Personenlex. Öst. 2001; Riemann 1961 u. 1975; Kürschner 1954; O. Wessely (Hg.), [Fs.] E. Sch. (= StMw 25, 1962) [mit Schr.-Verzeichnis]; T. Antonicek et al. (Hg.), [Fs.] E. Sch. De ratione in musica 1975 [mit Schr.-Verzeichnis]; MGÖ 3 (1995); Wr. Universitätsztg. 15.4.1950, 2; Berichte u. Informationen des österr. Forschungsinstituts f. Wirtschaft u. Politik 25.8.1950, 13; https://geschichte.univie.ac.at/ (4/2022); eigene Recherchen (www.anno.onb.ac.at).
Meike Wilfing-Albrecht