Seit Beginn der österreichischen V.-Forschung geht diese Hand in Hand mit der V.-Pflege (Volksmusikpflege). Sie diente nach dem Ersten Weltkrieg zunächst den Bedürfnissen der Jugendbewegung; ihr Beginn wird 1921 mit einem ersten von Zoder geleiteten Lehrgang und der Herausgabe der Altösterreichischen V.e 1922 angesetzt. Sie manifestiert sich heute (2006) vorwiegend im Österreichischen Trachtenverband und in der Bundesarbeitsgemeinschaft Österreichischer V. sowie deren zahlreichen Untergruppen.
Man kann davon ausgehen, dass in der bäuerlichen Geselligkeit die tänzerische Formenvielfalt, wie sie heute von der V.-Pflege geübt und von den Trachtenvereinen vorgeführt wird, keineswegs vorhanden war. Da das Tanzen kein sportliches Ereignis, sondern das wichtigste Medium für die spielerische Darstellung von Selbstverständnis (Identität), gesellschaftlicher Beziehungen und Partnerschaften in der Öffentlichkeit war, genügte im Grunde ein einziger Tanztypus, der von den Musikanten und von den Tänzern unentwegt abgewandelt wurde. In Österreich wird dieser Tanztyp seit dem 17. Jh. als Ländler fassbar, der mit seinen vielen regional- und zeittypischen Untergruppen den Tanzbedürfnissen bis weit ins 19. Jh. genügt haben dürfte. Das gesellige Tanzen gehörte dabei zweifellos zu den wichtigsten Vergnügungen v. a. der Ledigen, wurde aber seit der Neuzeit von geistlicher und weltlicher Obrigkeit immer wieder einzuschränken versucht. Tanzverbote begegnen uns seit dem 16. Jh. Beim Tod eines Herrschers, so wollte es der Anstand, wurden Musik und Tanz für längere Zeit eingestellt. Sittliche Gründe hatte die geistliche Obrigkeit, wenn sie Tänze abstellte, die ihr als Anlass für Unzucht und Sünde ein Dorn im Auge waren. Aus Gründen der Staatsraison wurde von K.in Maria Theresia [I] 1772 die Zahl der Feiertage vermindert; gleichzeitig wurde verfügt, dass an Sonn- und Feiertagen die Musik auf dem Land nicht vor 3 Uhr und in der Stadt nicht vor 4 Uhr beginnen dürfe; sie durfte bis zur Polizeistunde währen. Als am 19.12.1780 K.in Maria Theresia starb, waren bis zum 27.1. des folgenden Jahres Musik und Tanz verboten. Die oftmalige Wiederholung von Tanzverboten zeigt deutlich, dass diese nicht befolgt wurden, weil das Tanzbedürfnis offenbar groß war. Noch 1877 schildert ein junger Engländer, der für längere Zeit im Tiroler Unterinntal ansässig war, wie er und seine Freunde auf einer Hochzeit 32 Stunden fast ununterbrochen durchgetanzt hatten, bevor sie zu Fuß den Heimweg antraten. Man hielt sich aber mehr oder weniger an verordnete Reglementierungen und Tanzzeiten. An den Freitänzen konnte jeder teilnehmen; sie fanden zu bestimmten Gelegenheiten im Dorfleben statt und wurden im Freien oder in Tanzlauben gehalten. Getanzt wurde bei Hochzeiten, Verlobungs- und Tauffeiern, Kirchtagen, Ernte- und Weinlesefesten, Zunft- und Dinzeltagen, und im Fasching. Die Tanzlauben waren vielfach gleichzeitig die Häuser für Rechtssprechung und büßten ihre Bedeutung ein, als unter Maria Theresia und Joseph II. die Taidinge aufgehoben wurden. Mit dem Eintreiben der Tanzsteuer seit dem 18. Jh. (Musikimpost) wurde zudem zunehmend Wert darauf gelegt, dass die Tänze in Wirtshäusern stattfänden. Viel getanzt wurde an den Kirchtagen; die Kirchtage von Zell oder Fügen im Zillertal/T waren berühmt, dort wurde gleichzeitig ein Jahrmarkt abgehalten und viel gerauft. Weitere wichtige Tanzgelegenheiten waren die Hochzeiten; sie fanden gewöhnlich im Fasching statt und waren normalerweise von den Tanzverboten ausgenommen, ebenso wie der Tanz an Dinzeltagen, also bei den Zunftfesten der Handwerker, aber auch an den Festtagen der Dienstboten oder des Almpersonals. Neben diesen offiziellen Tanzanlässen gab es – provoziert durch die wiederholten Tanzverbote – sog. Winkeltänze, die im Geheimen stattfanden. Mit diesen inoffiziellen Tanzgelegenheiten muss man wohl durch den ganzen Zeitraum rechnen, bis die fortschreitende Liberalisierung und die Auflösung der traditionellen Volkskultur im 20. Jh. geistliche wie weltliche Eingriffe in das Tanzleben obsolet machte.
Neben dem geselligen Tanz, der hauptsächlich vom Werbetanz der Ledigen, also vom Ländler, bestimmt war, hat sich verschiedentlich auch älteres Tanzrepertoire bis an die Schwelle der Gegenwart erhalten, wie z. B. der aus dem Mittelalter überkommene Schwabentanz, der Polsterltanz oder der Schleunige im Salzkammergut, der musikalisch zwar eine Untergattung des Ländlers darstellt, tänzerisch aber an den mittelalterlichen Reigentanz (s. Abb.) anschließt. Dazu kommen feierliche Eröffnungstänze, die etwa am Kirchtag von den jungen ledigen Paaren vorgeführt werden, so der Gailtaler Kirchtags-Tanz, der um die Dorflinde ausgeführt wird („Lindentanz“), und Ehrentänze bei Hochzeiten. Der Repräsentation dienen auch die Rudentänze beim Rudenkirtag wie auch der Perchtentanz oder der Bandltanz, v. a. aber die für Österreich seit dem 16. Jh. belegten Schwerttänze und Reiftänze, die teilweise noch lebendig sind. Die Übernahme bürgerlicher Tänze ins gesellige Tanzrepertoire äußert sich im Auftanz, der eine vereinfachte Polonaise darstellt, v. a. aber in den Polka- und Walzerformen, die um die Mitte des 19. Jh.s ins ländliche Tanzrepertoire eingeflossen und teilweise bis heute lebendig sind, wie Polka, Bayrisch-Polka, Galopp, Hiatamadl, Rheinländer, Polka française, Schottisch und Siebenschritt als geradtaktige Tänze, der Neubayrische und 16-taktige Walzerformen wie Haxenschmeißer, Schuhplattler, Fürizwänger, Mazurka oder Tyrolienne im Dreiertakt. Inzwischen gehört auch der Wiener Walzer in verschiedensten Abarten zur ländlichen Tanzpraxis wie auch die Adaption internationaler Modetänze, z. B. des Tangos.
[Kat.] Wissenschaftliche Filme 1974; R. Zoder in Kastalia. Österr. Zs. f. wissenschaftliche u. Unterrichtskinematographie 2/5 (1913); U. Hemetek in MusAu 21 (2002); E. Schmidt in MusAu 21 (2002); H. Rathner in JbÖVw 39/40 (1991).