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Tanzmeister
Eine der wichtigsten Figuren in der Tradierung des Tanzes vom 14. bis zum 19. Jh. Praktisch unterrichtend und schriftlich durch Tanzlehrbücher verbreiteten die T. in der frühen ständischen Gesellschaft die Bewegungskultur regional und historisch unterschiedlich, bei Hofe, an Universitäten, in bürgerlichen Häusern und in Dorfschenken, in der Provinz und in den Hauptstädten. Das Bild des T.s ist von der Antike bis in die Gegenwart ein wechselhaftes, dennoch fungieren die Tanz-Kunst und ihre Lehrer als beliebte Topoi und Leitbilder der europäischen Kultur.

Während des 14. Jh.s erschien in Zusammenhang mit der neu entstehenden ars saltatoria erstmals die Bezeichnung des magister corearum. Und die Ausbildung der Adels in der Renaissance, besonders in Italien, forderte Einübung von Bewegung und Anstand durch professionelle Vermittler; diese maestri di balli organisierten ebenso die Feste, Bälle und Aufführungen an den Höfen (z. B. Domenico da Piacenza). Ihre Anzahl wuchs besonders im späten 15. Jh.; gleichzeitig nahm die Produktion der Traktate zu, die sich meistens schichtenspezifisch verbreiteten (Tanzschrift, Thoinot Arbeau, Raoul Auger Feuillet). Mitte des 16. Jh.s begannen die Tanzschulen v. a. in England zu florieren und ein Jh. später auch in Deutschland und Österreich. Profil zeigte der Berufsstand nach 1700 v. a. in der Bewahrung der sozialen Anbindungen in den jeweiligen Gesellschaften, und er trug zur Rekonstruktion ihrer ästhetisch kulturellen Ambitionen bei. Aufgrund der unterschiedlichen sozialen und politischen Strukturierung Europas ließ sich jedoch weder in den Hofhaltungen noch im zivilen oder universitären Bereich ein einheitliches Betätigungsfeld definieren. Den Rang eines Akademikers erhielt der T. erstmals mit der Gründung der Académie Royale de la Danse durch Ludwig XIV. bzw. das Parlament 1661. Andere Nationen folgten diesem Vorbild (z. B. Teatro alla Scala, Mailand 1812). Bis ins 19. Jh. dominierten die französischen T. auf Grund ihrer disziplinierten Unterrichts- und Vermittlungsstruktur die Verbreitung von Tanzen in Europa. Anfang des 19. Jh.s begann sich der Beruf des T.s von dem des ausschließlich im Bereich des theatralen Tanzes tätigen Ballettmeisters zu trennen. Die mit dem Beruf des T.s verbundenen sozialen Unsicherheiten führten im privaten und zivilen Bereich ab den 1870er Jahren zur Gründung von Innungen, Kammern und Vereinen, in Europa ebenso wie in Amerika, die aber den Zusammenbruch der durch eine Oberschicht geprägten Ordnung nicht verhindern konnte. Anstelle der Vorbilder von Grazie und Anstand in der Tanzkunst setzte die Mittelschicht die messbaren Leistungen des Sports und der Gymnastik.

Tanzunterricht findet auch im 20. und 21. Jh. noch statt. Seit den 1920er Jahren gingen aus der Klasse der zivilen T. Fachleute hervor, die spezifizierte Vorbereitungsprogramme zu internationalen Tanzturnieren entwickeln, ebenso wie sie Unterricht in Folkloretänzen, Solotänzen, Paartänzen und Disco-Tänzen geben.


Literatur
W. Salmen, Der T. 1997; M. Fink in E. Thom (Hg.), [Kgr.-Ber.] Tanz u. Musik im ausgehenden 18. Jh. Michaelstein 1991, 1993; I. Brainard in S. J. Cohen (Hg.), International Encyclopedia of Dance 2 (1986) [Dancing Master].

Autor*innen
Claudia Jeschke
Letzte inhaltliche Änderung
8.11.2022
Empfohlene Zitierweise
Claudia Jeschke, Art. „Tanzmeister“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 8.11.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e43f
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Robert Wolschek, „Wiens ältester Tanzmeister“ (Wiener Bilder, 8.3.1896, 13)© ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x0001e43f
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