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Kirchtag (Kirtag)
Ursprünglich das Erinnerungsfest der Kircheneinweihung, die zugleich das Fest des Kirchenpatrons (Patrozinium) sein konnte. Im Zuge der Aufklärung und Abschaffung von Feiertagen verfügte K. Joseph II. 1787, dass alle K.e einheitlich am 3. Sonntag im Oktober zu feiern seien. Das war nur schwer durchzusetzen, da die Bevölkerung an den überkommenen Terminen festhalten wollte, nicht zuletzt deshalb, weil die Besuche auswärtiger Verwandter wesentlich zum Fest gehörten, was durch die Gleichzeitigkeit aller K.e nicht mehr möglich gewesen wäre. Heute ist der 3. Oktobersonntag ein wichtiger K.s-Termin; daneben sind aber andere Termine bestehen geblieben. Der weltliche Teil des Festes, das früher drei Tage dauerte, kennt von Region zu Region verschiedenste Elemente der Festgestaltung (Festspeisen, Aufrichten eines Baumes, Verbrennen einer Puppe, Tanz etc.) und war oft mit einem Markt- und Gerichtstag verbunden.

Der K. wird nach dem örtlichen Brauch von einer bestimmten Gruppe ausgerichtet, die auch die Musikanten engagiert; früher waren das oft die Burschenschaften oder die Wirte, heute sind es meist Vereine. Ein zentrales Ereignis ist der Tanz, der gelegentlich mit Elementen „spielerischer Paarbildung“ verbunden ist. So konnte z. B. in Lüsen/Südtirol ein Bursche beim „Platzmeister“ die von ihm bevorzugte Tanzpartnerin „bestellen“, die er während des K.es freihielt, und von der er am Schluss in aller Regel die erwünschte Belohnung erwarten durfte. Dieser Brauch wurde erst 1803 abgeschafft. Dem Tanz und den dazugehörigen Gstanzln folgten oftmals Raufereien. Legendär war der K. im Zillertal/T, von dem schon August Lewald 1835 schildert, dass in Zell in acht nebeneinander liegenden Wirtshäusern getanzt wurde. Tanzformen sind die jeweils üblichen geselligen Tänze, doch kennt man aus einigen Orten feierliche Eröffnungstänze, die von den jungen ledigen Paaren vorgeführt wurden, so den Gailtaler K.s-Tanz, der um die Dorflinde ausgeführt wird („Lindentanz“). Rest des K.s-Tanzes in Lüsen soll ein Reihentanz sein, den die Burschen und Mädchen unter Zitherspiel am ersten Donnerstag in der Fasten aufführten, und der schließlich zu einem Reigentanz der Kinder wurde, den sie noch um 1900 spielten.


Literatur
R. Beitl (Hg.), Wörterbuch der dt. Volkskunde 21955 [Kirmes]; K. Horak, Zillertaler Musikanten 1988; K. Horak in Arbeitsgemeinschaft zur Pflege des Volkstanzes im Landesverband zur Heimatpflege in Südtirol (Hg.), 25 Jahre Volkstanzpflege in Südtirol 1985 (Nachdruck in Dies. [Hg.], Musikalische Volkskultur in Südtirol 1 [1992]); F. Koschier in JbÖVw 6 (1957); R. Wolfram, Die Volkstänze in Österreich und verwandte Tänze in Europa 1951.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
22.3.2022
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Kirchtag (Kirtag)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.3.2022, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d469
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Hermine Aichenegg, Brigitta-Kirtag. Gemeindebau Friedrich-Engels-Platz 17 (Wien XX). Das Sgraffito-Wandbild (1951) basiert auf Motiven aus Franz Grillparzers Novelle Der arme Spielmann (1847).© Björn R. Tammen
© Björn R. Tammen