T. als Bezeichnung einer Liedgattung kam im frühen 19. Jh. auf, als Tiroler Nationalsängergesellschaften (Alpensänger) durch Europa und in die USA reisten und zu einer musikalischen Mode „à la T.“ beitrugen. Viele Drucke mit der Bezeichnung T., Air tyrolien u. ä. zeigen Sololieder mit Klavierbegleitung, wobei der 2. Teil als Jodler ausgeführt ist. Als charakteristisch erscheinen Ländlermelodik im Dreiertakt mit Dreiklangsbrechungen und großen Sprüngen sowie das Rhythmusmuster (s. Abb.), das auch typusbildend für den Steirischen ist. Die Texte, unter denen viele englische und französische sind, sprechen von Liebe, Almleben und ländlichen Verhältnissen; spezielle Jodel- und Echoeffekte unterstreichen das älplerische Flair. Als früheste T., die aber noch nicht so genannt wurde, ist vielleicht das Lied „Die Tyroler sand often so lustig, so froh“ aus der Oper Der Tyroler Wastel von J. Haibel (Musik) und E. Schikaneder (Text) von 1796 zu bezeichnen. Der älteste Tyrolese Song der englischsprachigen Welt ist die Paraphrase auf das Lied „Wann i in der Fruah aufsteh“: „Merrily ev’ry bosom boundeth“ von Thomas Moore, erschienen in London 1815. Neben zahllosen Einblattdrucken, die während des 19. Jh.s in Europa und den USA erschienen, sind einige größere Sammlungen zu erwähnen, wie die 1820 bei A. Diabelli in Wien erschienenen Tyroler Alpengesänge, herausgegeben von dem aus Tirol stammenden Sänger und Schauspieler Paul Schonner (1777–1850), weiters die Herausgabe des Repertoires der Geschwister Rainer durch I. Moscheles (s. Tbsp.) anlässlich ihres Auftrittes 1827 in England oder die 20 T.s, die der französische Komponist und Musikschriftsteller Jean Baptiste Wekerlin (1821–1910) am Pariser Konservatorium veröffentlichte, wobei die Jodler als „Vocalisen“ für die Gesangsausbildung gedacht waren. In die Kunstmusik hat die T. durch Bearbeitungen und Variationen Eingang gefunden, so durch L. v. Beethoven, der fünf Tiroler Lieder für Singstimme mit Begleitung eines Klaviertrios bearbeitet (s. Tbsp.) und zwei davon als Air tiroliens noch mit Variationen bedacht hat, J. N. Hummel (s. Tbsp.) oder H. Herz (s. Tbsp.). T.s finden sich aber auch seit 1815 in der französischen Romanzenmusik und seit J. Offenbach in der Operette; in der Oper ist eine der bekanntesten jene in G. Rossinis Wilhelm Tell.
Spätestens ab 1879 wurde der Begriff bis zumindest 1914 auch für Sängerinnen verwendet, die sich dem älplerischen Lied mit Jodler widmeten, z. B. die Grazerin M. Hofer.
(NA) K. Czerny, Les élégantes: variations brillantes pour la pianoforte sur la T. favorite: Alma Lied 1834; I. Moscheles, The Tyrolese Melodies , 3 Bde. 1827–29; P. Schonner, Tyroler Alpengesänge 1820; J. B. Wekerlin, Chants des Alpes. 20 T.s avec variantes, vocalises et annotations. Piano et chant [o. J.].
TD: M. Schneider, T. 3 1997ff [3 CDs, Innsbruck, Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum], s. Tbsp.e.
H. Fritz in JbÖVw 38 (1989); P. Nettl in G. Adler, Hb. der Musikgesch. 2 (21930); W. Salmen in M. Schneider (Hg.), [Fs.] K. Horak 1980; W. Salmen in K. Drexel/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols 2 (2004); NGroveD 26 (2001); R. Voß, Der Tanz u. seine Geschichte. Mit einem Lex. der Tänze 1869; Die Presse 1.4.1879, 9; Die Zeit 18.10.1914, 8.
Monika Kornberger