Der mit etwa 72 % weitaus größte oberösterreichische Teil gehörte historisch zum Traun- und Attergau, nach Angliederung des Gosautals (von Salzburg, 1492) und des Mondsee-Gebiets (von Bayern, 1505) unterstand das gesamte S. bis zur Zeit Josephs II. nicht dem Landeshauptmann, sondern direkt der [niederösterreichischen Hof-]Kammer (vertreten vom Salzamtmann in Gmunden). Seit dem frühen 19. Jh. (insbesondere aber seit der Wahl von [Bad] Ischl als Sommerresidenz [1854–1914] K. Franz Josephs I.) ist das S. ein beliebtes Fremdenverkehrsgebiet. Dieses hat auch immer wieder vorübergehend Künstler und längerfristig Mäzene angelockt.
Darüber hinaus gilt das S. als besonders ausgeprägte Volkskulturlandschaft. Das geht zwar einerseits auf touristische Zuschreibungen zurück, andererseits hat sich in dem reichsunmittelbaren Kammergut, in dem die Existenz großer Bevölkerungsteile seit dem Mittelalter mit der Salzgewinnung zusammenhing, unter Bergleuten, Holzknechten und Salinenarbeitern schon sehr früh eine eigene Identität entwickelt, in der Musik eine große Rolle spielte. Bis zu technischen Innovationen im Salinenwesen in der 2. Hälfte des 18. Jh.s hatten die Salzleute im Winter keine Arbeit; das Vorführen von Spielen und Tänzen (Schleuniger, Fürizwänger, Ländler, Schwerttanz) diente ihnen angeblich schon damals zum Broterwerb. Danach boten bei aller Armut die geregelten Arbeitszeiten im Berg- und Hüttenwesen Raum für Geselligkeit und musische Betätigung. Die Almwirtschaft, weitgehend in den Händen von Frauen, bewahrte archaische bäuerliche Kulturformen auch auf musikalischem Gebiet (Viehlockrufe, Almschreie [Almruf], Jodler). Eine starke identitätsstiftende Aufladung erfuhr besonders das steirische S. durch die Zuwendung Erzhzg. Johanns, der eine Ausseer Bürgerstochter ehelichte (Bad Aussee). Durch ihn erlangten auch eine Reihe heimischer Musikanten überregionale Bekanntheit. Sein Beispiel inspirierte spätere Volksliedaufzeichner wie K. Mautner, R. Zoder oder H. Gielge. 1775 siedelten zum Zweck des Salzbergbaues 100 Holzarbeiter und Handwerker aus dem S. nach Rumänien in die Karpaten-Ukraine; dort konnten im 20. Jh. von Volksmusikforschern Lieder und Tänze gefunden werden, die die Siedler im 18. Jh. aus dem S. mitgebracht und in altertümlichem Stil bewahrt haben (Landler, Lieder des Weihnachtsfestkreises u. a.). Zahlreiche Weihnachtslieder wurden aber auch im S. selbst in Zusammenhang mit der reichen Krippenkultur gepflegt und sind in handschriftlichen Liederbüchern, Flugblattdrucken und im lebendigen Volksgesang erhalten. Sie sind, ebenso wie geistliche Singbräuche der Fasten- und Osterzeit, von Ordensleuten im Geist der Gegenreformation im S. verbreitet worden. Das 1819 aufgezeichnete Stöckenschlager-Lied, ein Arbeitslied zum Einrammen der Holzpflöcke beim Wasserbau, interessanterweise in Moll, verweist auf die Wichtigkeit dieser Tätigkeit für die Schiffbarmachung der Traun zum Salztransport. Das gesellige Liedrepertoire des S.es ist äußerst vielfältig; auffallend sind jedoch die vielen Wildschützenlieder. In der Tanzmusik herrschte im S. länger als anderswo die Geigenmusik vor. Impulse dafür waren zweifellos vom Goiserer Geigenbau (belegt seit 1754) ausgegangen (Bad Goisern). Hervorragend bezeugt wurde die Geigenmusik durch den in Hallstatt und Ischl wirkenden Salzamtsschreiber und Musiker Johann Michael Schmalnauer um 1820. Seine Aufzeichnungen zeigen Nachklänge von Bordunmusik und Naturtonmelodik. Die von ihm notierten Tanzgattungen Schleunige, Landler und Steirertänze (Steirischer) sind bis heute lebendig; in der typischen Aufführungspraxis des S.es sind sie mit Gstanzlsingen und Paschen verbunden. Schwegeln und Trommeln begleiten den Schwerttanz und erklingen bei den Schützenfesten.
Zentren bürgerlicher Musikkultur sind seit dem späten 18. Jh. Gmunden und >(Bad) Ischl, wohin Komponisten wie Fr. Schubert, A. Bruckner, J. Brahms oder Joh. Strauss Sohn starke Bindungen hatten. Später waren u. a. H. Wolf, G. Mahler, W. Kienzl, Béla Bartók, A. Schönberg und E. W. Korngold oftmals zu Gast im S.
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Rudolf Flotzinger