Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Küstenland, Österreichisches (deutsch für italienisch Litorale austriaco, slowenisch Avstrijsko Primorje)
Verwaltungsbezirk, der im 18. Jh. als solcher definiert wurde, ab 1849 Kronland der Habsburger-Monarchie, Hauptstadt Triest. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das K. Teil des Königreichs Italien, nach 1954 wurde das Gebiet zwischen Italien und Jugoslawien (nach 1991 der jugoslawische Teil zwischen Slowenien und Kroatien) aufgeteilt.

Das Gebiet erstreckte sich vor dem Ersten Weltkrieg von Tolmein (Tolmin/SLO) und Flitsch (Bovec/SLO) über Görz (Gorizia/I), Triest und die gesamte Istrische Halbinsel mit den Inseln Cres, Mali Lošinj und Krk bis Fiume (Rijeka/HR) hin. Die geographische Ausdehnung des K.es war aufgrund von Annexionen zu unterschiedlichen Verwaltungseinheiten nicht konstant. Regionen wurden zusammengefasst und von der Situation abhängig einer geographischen, politischen – aber auch ideologischen – Entität zugeordnet, die mit dem Begriff Ö. K. bzw. Litorale Austriaco assoziiert wurde. Das Gebiet ist als territoriale Einheit zu verstehen, die im Wesentlichen von der merkantilistischen Politik des 18. Jh. hervorgebracht und geprägt wurde.

Triest stand im Mittelalter unter der Herrschaft des Patriarchats Aquileia. Istrien wurde im 12. Jh. in eine Markgrafschaft Istrien an der Küste, bwohnt von einer mehrheitlich italienischen Sprachgruppe, und in eine Grafschaft Istrien im Binnenland – später Grafschaft Mitterburg (Pazin/HR) genannt –, bewohnt durch eine mehrheitlich slawischsprachige Bevölkerung, aufgeteilt. Die Grafschaft von Istrien (Binnenland) kam 1248 in den Besitz der Grafen von Görz, 1374 an Österreich. Da sich Triest vor dem ökonomischen Einfluss sowie den territorialen Ansprüchen Venedigs nicht wehren konnte, unterwarf es sich 1382 dem Babenberger-Hzg. Leopold III. Mit dem wachsenden wirtschaftlichen Einfluss Venedigs kamen bis zum Zusammenbruch der weltlichen Macht von Aquileia 1420 alle Küstenstädte Istriens unter venezianische Herrschaft. Fiume wurde 1465 von den Habsburgern erworben. 1500 gingen durch Erbverträge auch Görz sowie die Hauptmannschaften Tolmein und Flitsch an das Haus Österreich. Die Grafschaft Gradisca kam 1717 ebenso in den Besitz der Habsburger und wurde danach mit Görz verbunden. Mit dem Frieden von Campo Formio/I (1797) gingen auch ehemalige venezianische Territorien (Grado/I, Monfalcone/I, Muggia/I, Istrien, die Kvarner Inseln, Dalmatien und die Bucht von Kotor/MNE) an Österreich. Das Ö. K. war von 1814 bis 1849 ein Teil des Königreiches Illyrien, nach 1849 eigenes Kronland. Die drei Länder Görz und Gradisca, Istrien und Triest wurden zwar nach der Gründung der Doppelmonarchie 1867 eigenständige Kronländer mit Landtagen, sie unterstanden aber dem Statthalter in Triest. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gebiet – mit dem Namen Venezia Giulia – von Italien annektiert und während der faschistischen Regierung einer starken nationalistischen Politik unterworfen. Die Mehrheit der Funktionäre und Lehrer deutscher, kroatischer und slowenischer Sprache verließen infolgedessen das Ö. K. Aufgrund der Verfolgungen seitens der Truppen Josip Broz Titos nach dem Zweiten Weltkrieg, als Istrien Teil Jugoslawiens wurde, emigrierten Angehörige der italienischsprachigen Gruppe Istriens nach Italien. Die Schätzungen schwanken zwischen 190.000 und 301.000 Flüchtlingen. Arbeiten, die sich mit der geschichtlichen Entwicklung dieses Raumes als administrativem Ganzen auseinandersetzen, sind Forschungsdesiderat. Dagegen stehen einzelne Regionen bzw. Städte im Mittelpunkt des Forschungsinteresses (2016).

Sowohl Triest als auch Fiume wurde 1719 der Status von Freihäfen verliehen. Das Epizentrum des künstlerischen Lebens verlegte sich hiermit im Laufe des 18. Jh.s aus den aristokratischen Kreisen in eine breitere Öffentlichkeit, die vom Handelsbürgertum getragen war. In Triest z. B. fanden so in der 1. H. des 18. Jh.s zahlreiche Vorstellungen im Saal des Palazzo Comunale statt (J. A. Hasse, Giuseppe Maria Orlandini). 1751 wurde das Teatro San Pietro – nach der nahe gelegenen Kirche benannt – mit 800 Sitzplätzen eröffnet und 1760 durch Wiener Dekret in Cesareo Regio Teatro di S. Pietro umbenannt. Aufgeführt wurden Werke von B. Galuppi, Francesco Bianchi, Pasquale Anfossi, Niccolo Piccini, P. A. Guglielmi, Domenico Cimarosa, Giuseppe Gazzaniga, G. B. Pergolesi, G. Paisiello , W. A. Mozart (1797 Così fan tutte), I. Pleyel, C. Ditters v. Dittersdorf, Giuseppe Sarti. Einige Notizen aus dem Jahr 1793 bezeugen die Existenz eines Teatrino dei filarmonici dort, wo später das Anfiteatro Mauroner (1826) und das Anfiteatro Fenice (1879) gebaut wurden. 1763 wurde das Casino nobile di San Pietro gegründet, das als kulturelles Zentrum sowohl des Patriziats wie auch des aufkommenden Bürgertums diente. In diesen Kreisen verkehrten auch L. Da Ponte und Giacomo Casanova. 1801 wurde das Teatro nuovo (1820 Teatro Grande, 1861 Teatro Comunale, 1901 Teatro Verdi) eröffnet, in dem neben der Oper auch Konzerte angeboten wurden. Dem wachsenden Bedarf nach Unterhaltung wurde 1818 mit einer Arena diurna entsprochen, die tagsüber Opernvorstellungen anbot; bereits 1827 wurde das hölzerne Theater wieder abgerissen. 1878 wurde das Politeama Rossetti (nach dem Historiker Domenico Rossetti benannt) eröffnet. Säle wurden auch auf Privatinitiativen hin gebaut: Ein kleines Theater wurde 1837 von Carolina Murat und Elisa Baciocchi in der Villa Murat eröffnet; Francesco Hermet ließ das Teatro Corti (nach dem Architekten Domenico Corti) aufbauen. Auch die Instrumentenproduktion zeugt vom regen Musikleben: In Triest wirkte in der 1. H. des 19. Jh.s der Geigenbauer Giovanni Dollenz (1802–57).

Mit den revolutionären Bewegungen des Jahres 1848 machten sich auch in slowenischsprachigen Kreisen erste Anzeichen nationaler Ansprüche bemerkbar. In diesem Jahr wurde der Verein Slavljansko družtvo gegründet, der als kulturelles Zentrum der in Triest lebenden Slowenen, Kroaten und Tschechen diente. Nach der Ära des Bachschen Absolutismus wurde die Slavljanska narodna čitalnica eröffnet (1861). Weitere Lesesäle solcher Art gab es nicht nur in der unmittelbaren städtischen Umgebung Triests (Roiano/I [slow. Rojan], Barcola/I [Barkovlje], San Giovanni/I [Sveti Ivan], Rozzol/I [Rocol], Servola/I [Škedenj], Cologna/I [Kalonja]), sondern auch in Görz, Tolmein und Kanalburg (Kanal ob Soči/SLO). In den čitalnice wurden die sogenannten „bésede“ organisiert – kulturell ausgerichtete Veranstaltungen, die das Ziel verfolgten, der slowenischen Sprache die von Matija Čop und France Prešeren theoretisierte literarische Würde zu verleihen. Obwohl am Anfang v. a. die vokale Musik eine Rolle spielte, wurden bald auch Blaskapellen (Blasorchester) und Tamburica-Orchester gegründet. Herausragende, auch kompositorisch tätige Persönlichkeiten in Triest waren die Chorleiter Hrabroslav Volarič (1863–95) und Anton Hajdrih (1842–78). Vor allem das Lied Buči, buči morje Adrijansko [Raues, raues adriatisches Meer] Hajdrihs (T: Simon Jenko) über eine angebliche slawische Vorherschaft auf dem adriatischen Meer etablierte sich im vokalen Repertoire. 1904 wurde das Narodni dom eröffnet, in dem alle wichtigeren slowenischen Institutionen beheimatet waren, so ab 1909 auch eine Zweigstelle der Glasbena matica. Tschechische Musiker hatten eine prominente Stellung: Im Narodni dom traten unter anderen der Geiger F. Ondříček, das Tschechische Klaviertrio und das Ševčík-Quartett auf. Hier gastierte auch der in Wien wirkende slowenische Sänger Julij Betteto.

Neben den zahlreichen italienischsprachigen Vereinen (Società filarmonico-drammatica, 1829; Società triestina di ginnastica,1863; Associazione italiana di beneficenza,1868; Circolo artistico, 1884) wirkte ab 1860 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges der deutschsprachige Schiller-Verein. Er organisierte jährlich 5–12 Konzerte international anerkannter Künstler (z. B. F. Ondříček, Emile Sauret, B. Huberman, D. Popper, Leopold Godowsky, F. v. Reichenberg, R. Paumgartner, Alice Barbi, Rosé-Quartett, Gewandhaus-Quartett, Société de Concerts des Instruments Anciens). Hauptfigur des Vereines war der Geiger Julius Heller, der als Dirigent und Primgeiger des Heller-Quartetts in zahlreichen Konzerten auftrat. Durch sein Wirken wurde das Quartett-Repertoire L. v. Beethovens sowie das kammermusikalische Werk von J. Brahms in Triest bekannt.

In Görz wurde 1740 auf Initiative von Giacomo Bandeau ein erstes Theater erbaut, in dem Aufführungen von Musikdramen stattfanden (N. Porpora, G. M. Orlandini, J. A. Hasse, Giuseppe Carcani, B. Galuppi). Die Interpreten kamen oft aus Venedig, während die Wahl des Repertoires von Wien geprägt gewesen zu sein scheint. Bald wurden auch Intermezzi auf die Bühne gebracht (G. M. Orlandini) und ab 1764 zahlreiche Opere buffe (B. Galuppi, Giacomo Maccari, Gennaro Astarita, A. Salieri); Ende des Jahrhunderts wurde auch das Singspiel gepflegt (W. Müller, B. Schack). 1795 wurde die Società filarmonica di Gorizia gegründet, die nicht nur der Aristokratie – deren Treffpunkt das 1795 eröffnete Casino dei Nobili war – vorbehalten war. Die Instrumentalmusik J. Haydns wurde möglicherweise bereits 1788 rezipiert, während eine ganze Symphonie erst 1804 zur Aufführung kam. Ouvertüren zu Opern W. A. Mozarts wurden erst ab 1825 bekannt (La Clemenza di Tito). Aus dieser Zeit stammen auch Notizen über die ersten Aufführungen der Werke L. v. Beethovens. Die Verbreitung von Instrumentalmusik ist zahlreichen böhmischen Musikern zuzuschreiben, die im 19. Jh. hier tätig waren: F. J. Dussek, K. W. Wratny, Franz Xaver Kudik (Cubick), Johann Keija (Keyha). 1824 wurde eine MSch. gegründet und 1842 die kommunale Civica scuola di musica. Neben der pädagogischen Aktivität waren die Lehrer verpflichtet, auch im Orchester des Theaters zu spielen. Musikdramen wurde während des Jahrmarktes von San Bartolomeo angeboten, während Auftritte von Instrumentalisten im Rahmen von Akademien stattfanden, deren Initiatoren Angehörige der Adelsfamilien (Attems, Coronini und Codelli) waren. Nicht selten traten Musiker aus dem benachbarten Triest auf (Domenico Nardi, Giuseppe Scaramelli, beide Geiger im Orchester des Teatro San Pietro). Ab den 1830er Jahren sind auf den Programmen des städtischen Theaters (ab 1821 Teatro Sociale) Werke von G. Rossini, Vincenzo Bellini, G. Donizetti, G. Verdi und vom in Triest wirkenden L. Ricci zu finden – Verdi wurde erstmals 1857 aufgeführt (Rigoletto, Trovatore) – sowie instrumentale Akademien (Antonio Bazzini, Camillo Sivori, Giovanni Bottesini). Im Unterschied zu Triest, das sich in dieser Zeit zu einem wichtigen Handels- und Industriezentrum entwickelte, wurde Görz in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh.s als Urlaubsort („Österreichisches Nizza“) empfunden. Operetten wurden vermehrt aufgeführt (Charles Lecocq, F. v. Suppè, J. Strauss Sohn) und es ist auch ein Zuwachs von instrumentalen Akademien zu beobachten (Lucia Podgornik-Tolomei, Teresina Tua, F. Busoni im Duo mit Julius Heller). Obwohl vereinzelte Stücke instrumental aufgeführt wurden, wurde das Görzer Publikum erst 1905 mit einer ganzen Oper Rich. Wagners vertraut (Lohengrin). 1883 wurde die Cäcilianische Gesellschaft gegründet. Bemerkenswert sind diesbezüglich die Werke von in Görz wirkenden slowenischsprachigen Komponisten wie D. Fajgelj, Emil Komel (1875–1960) und Janez Kokošar (1860–1923). Mit dem Jahr 1848 traten auch hier die nationalen Forderungen der slowenischsprachigen Bevölkerung in den Vordergrund, die sowohl in der unmittelbaren städtischen Umgebung als auch in der Stadt lebten. 1848 wurde die Slavljansko bralno društvo gegründet und 1862 die Görzer čitalnica, der 1871 die čitalnica in Sant’ Andrea/I (Štandrež) und 1872 jene in San Floriano del Collio/I (Števerjan) folgten. Ursprünglich wurde hier vorwiegend Vokalmusik gepflegt: Am Eröffnungsabend des Görzer Lesesaals wurden vokale Werke von Avgust Leban, V. Lisinski, A. Hajdrih, D. Jenko und I. Zajc aufgeführt. Anton Hribar (1839–87) zählte zu den herausragenden Persönlichkeiten der Görzer čitalnica. Er gründete mit J. Kocijančič einen Chor – Slavec –, der aus 134 Sängern aus Tolmein, Wippach (Vipava/SLO), Karst und Triest bestand. 1901 wurde die Pevsko in glasbeno društvo ins Leben gerufen, deren Leitung der aus Tschechien stammende Josip Michl übernahm. Er baute den Verein zu einer bedeutenden MSch. aus, sodass 1908 die Schule als Zweigstelle der Glasbena matica offiziell anerkannt wurde. In dieser Schule lernten der Komponist Matija Bravničar (1897–1977), der Dirigent A. Neffat (1893–1950), der Geiger Karel Sancin (1893–1974) und der Sänger Josip Rijavec (1890–1959). Von den lebhaften musikalischen Aktivitäten in Görz zeugt des Weiteren die Produktion von Instrumenten. Die Nachkommen des Geigenbauers Antonio Pelizon „il Vecchio“ (1763–1850), produzieren heute noch sehr geschätzte Instrumente.

Wie in Görz, wurde auch in Tolmein 1862 eine slowenische čitalnica ins Leben gerufen. Den Vereinschor leitete der Lehrer und Komponist D. Fajgelj; ihm folgte Hrabroslav Vogrič, der später auch in Triest und Pola (Pula/HR) tätig war.

Auch in Fiume zeigte sich im Laufe des 18. Jh.s das Bedürfnis nach öffentlichen Veranstaltungen. So wurde 1759 ein erstes einfaches Theater aus Holz gebaut, in dem wandernde Schauspieltruppen sporadisch Komödien und Singspiele aufführen konnten. Ein größeres Theater außerhalb der Stadtmauer mit 300 Plätzen wurde 1765 errichtet. Auf Initiative des Geschäftsmanns Lodovico Adamich wurde 1805 das Teatro Civico eröffnet, das allerdings 1881 niedergerissen wurde. Das neu gebaute Teatro Comunale wurde 1885 feierlich mit der Aida von G. Verdi eröffnet. Im nicht überdachten Anfiteatro Fenice fanden weiters Veranstaltungen am Tag statt. Ab 1833 sind Aufführungen der Werke von G. Rossini, Saverio Mercadante, G. Donizetti, V. Bellini, G. Verdi sowie der in Triest wirkenden L. und F. Ricci dokumentiert. In der städtischen Musikschule – Scuola comunale di musica – wurden Fachkräfte für den Gebrauch in der Kirche und im Theater ausgebildet. Im Rahmen dieser Schule wirkte auch eine Blaskapelle, die 1879 institutionalisiert und bis 1914 von der Gemeinde subventioniert wurde. Neben der Società Filarmonico-drammatica wirkte auch eine Società dei concerti, die sich vor allem der Pflege von Kammermusik verschrieben hat. Um die Jahrhundertwende wurden vermehrt Instrumentalkonzerte von international bekannten Künstlern wie B. Huberman, J. Kocián, Cesare Barison, J. Kubelik, Franz v. Vecsey, Pablo Casals organisiert. 1913 wurde das Theater nach G. Verdi benannt (100. Geburtstag); nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Theater I. Zajc gewidmet (Hrvatsko narodno kazalište Ivana pl. Zajca).

Pola stand bis 1797 unter der Fahne Venedigs. Mitte des 19. Jh.s wurde die einstige kleine Siedlung zum wichtigsten Stützpunkt der österreichischen Kriegsmarine. Pola kannte in dieser Zeit ein ungeheures wirtschaftliches und demographisches Wachstum, das bemerkenswerte Auswirkungen auch auf das kulturelle Leben hatte. 1854 wurde auf Initiative von Bauunternehmer Pietro Ciscutti das Teatro nuovo gebaut; er engagierte sich auch für den Bau eines weiteren Theaters, das Politeama Ciscutti genannt und 1880 eröffnet wurde (Istarsko narodno kazalište). Ein wichtiges kulturelles Zentrum der Marine-Angehörigen war das 1872 gegründete Marine Casino (Dom hrvatskih braniteljev). Im Rahmen der Società musicale (Gründungsjahr unbekannt) wirkte auch die Banda cittadina, die oft auf dem Hauptplatz auftrat. 1905 wurde der Orchesterverein Società orchestrale Polese gegründet und ein Jahr später (1906) die Scuola cittadina di musica (Musikschule). 1913 folgte die Scuola Accademica di musica. Im Rahmen der Slavljanska čitaonica (gegr. 1871) wirkte ein Chor. 1891 wurde im nahe gelegenen Medulin/HR die Hrvatska čitaonica eröffnet. Auf den Programmen des 1910 gegründeten Hrvatsko pjevačko i glazbeno društvo sind Vokalwerke von Hrabroslav Vogrič, B. Ipavec, I. Zajc, Simon Jenko, Miroslav Vilhar, Josip Hatze zu finden. In diesem Jahr fand außerdem im Narodni dom (1907 fertiggestellt) die erste Aufführung einer Operette in kroatischer Sprache statt (Sirotna djevojka, Autor nicht genannt, Dirigent: H. Vogrič). Bis 1887, dem Jahr der Eröffnung des Teatro Comunale in Poreč/HR, kreiste das kulturelle Leben der Stadt um die private Sala Perusino, einen Saal, in dem Dramen und Komödien, die bereits in Triest aufgeführt worden waren, ebenfalls auf die Bühne gebracht wurden. Nach dem Tod G. Verdis, wurde das Teatro Comunale in Teatro Verdi umbenannt (heute Pučkog otvorenog učilišta, Bildungseinrichtung). Aufgeführt wurde das italienische Opern-Repertoire: G. Donizetti, G. Rossini, V. Bellini, G. Verdi, G. Puccini, aber auch Operetten. Im Teatro Verdi traten auch Instrumentalisten auf (Teresina Giraldi, Cesare Barison).

In Mitterburg, einer Siedlung, die vor dem Ersten Weltkrieg ungefähr 4.000 Einwohner zählte, wirkte ab 1859 die Società Filarmonica. In diesem Verein wirkten 1882 ca. 30 Musiker mit, die unter verschiedenen Namen (Banda sociale, Orchestra sociale) bei Veranstaltungen der italienischen Vereine Pro Patria, Lega Nazionale auftraten. Auf dem Hauptplatz wurden Polkas, Mazurkas, Walzer, Märsche, Potpourris verschiedener Opern und Operetten aufgeführt. Um diesen als nationalistisch empfundenen Aktivitäten Widerstand zu leisten, wurde Ende des Jahrhunderts (1897) die Hrvatska čitaonica ins Leben gerufen. In der Umgebung waren bereits früher Lesesäle eröffnet worden: Lindar/HR 1883, St. Peter im Walde (Sveti Petar u Šumi/HR) 1889. Bevor das Teatro Sociale 1912 gebaut wurde, fanden Veranstaltungen in privaten Sälen statt (Teatro Lucigrai, Sala Camus, Teatro Depiera). Luigi Dallapiccola verbrachte in Mitterburg die ersten 18 Jahre seines Lebens; der slowenischsprachige Komponist Danilo Švara (1902–81) besuchte hier das Gymnasium.

Militärmusik: Ab 1883 war das IR Nr. 97 „Freiherr von Waldstätten“ in Triest beheimatet; die Kriegsmarine hatte ab 1850 ihr Hauptquartier in Pola. Ab Mitte des 19. Jh.s trat die Militärkapelle des IR Nr. 45 „Erzhzg. Joseph Ferdinand“ mittwochs und samstags im Triester Giardino Pubblico (Volksgarten) auf. Nicht selten musizierten hier mehrere Ensembles, die aus Görz und Pola kamen: 1897 führten im Triester Giardino Pubblico die Militärkapelle der IR.er Nr. 47 und 87 L. v. Beethovens Stück Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria auf. Die Kapelle des IR.s Nr. 87 spielte oft auch auf der Piazza Grande – diese Konzerte wurden von der Leitung des Caffé degli Specchi vorgeschlagen (die überlieferten Programme sind zweisprachig: deutsch-italienisch). Zw. 1902/12 leitete der tschechische Kapellmeister Peter Teply die Kapelle des IR.s Nr. 97, die sowohl auf der Piazza Grande, im deutschsprachigen Schiller-Verein als auch im slawischen Narodni dom auftrat. Hier wurden sog. slawische sinfonische Konzerte (slovanski simfonični koncerti) organisiert. Auf dem Repertoire der Militärkapellen standen, neben Märschen, Opern- und Operetten-Potpourris (G. Rossini, G. Verdi, Rich. Wagner, K. Goldmark, Arrigo Boito, L. Leoncavallo, P. Mascagni, F. v. Suppè, G. Meyerbeer, Charles Gounod). Auftritte der Militärkapellen fanden auch oft in Luxusrestaurants statt (z. B. Salone al Monte Verde, Triest). In Pola wirkte v. a. die Militärmusik der k. u. k. Marine, unter deren Kapellmeistern sich bekannte Namen finden: J. Sawerthal (1850–64), Christoph Stark (1864–69), Wendelin Kopetzky (1869–71), Michael Zimmermann (1871–73), J. Kovács (1873–89), Karl Czerný (1889–91), L. Schlögel (1891–94), F. Lehár (1894–96), G. Schmidt (1897–99), F. Jaksch (1899–1917), Theodor Adrian Christoph (1917/18).

Volksmusik: Die istrische Halbinsel war von der Pflege einer nicht notierten Musik geprägt, die heute auf eine folkloristische Art und Weise rekonstruiert wird. Charakteristisch sind sowohl in den Liedern als auch in der Instrumentalmusik aufeinanderfolgende Halbtonschritte und ein Wechsel von Halb- und Ganztönen (sog. istrische Tonleiter); diese Töne entsprechen nicht der temperierten Skala. Die oligotonischen Melodien sind oft zweistimmig geführt und können sowohl unisono enden als auch in einer großen Sekunde münden. Das einstimmige Singen und die einstimmigen Instrumentalmelodien sind von penta- und hexatonischen Tonfolgen gekennzeichnet. Die Vokalmusik ist an Lebenszyklen (z. B. Hochzeit) und Bräuche zu bestimmten Feiertagen gebunden. Vorherrschend sind Paartänze. Typische Musikinstrumente sind piva (pive), símbolo und fiavole. Piva ist eine Art Dudelsack mit zwei getrennten Pfeifen (ohne Bordun), der bis ca. 1960/65 bei der Begleitung von Tänzen (valzer, furlana, polca, balón) benutzt wurde. Das Instrument kann keine längeren Themen hervorbringen; im Vordergrund steht die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Tönen. In Kombination mit diesem Instrument kam der símbolo zum Einsatz, eine Art Trommel (Reibtrommel) mit auf einem Stab befestigten Becken im Inneren des Instruments; es wurde zum Skandieren des zugrundeliegenden Pulses benutzt. Die Instrumentenkombination piva-símbolo wurde möglicherweise im italienischsprachigen Milieu benutzt. Im Unterschied zu piva und símbolo, die bei der Begleitung von Tänzen zum Einsatz kamen, kam die fiavole vor allem im privaten Bereich zur Geltung, z. B. bei Hirten. Die Fiavole ist eine Doppel-Flöte (Kroatisch: vidalice, volarice); derselbe Instrument-Typus ist auch in Bosnien-Herzegowina, Serbien, Griechenland und Rumänien verbreitet. Die istrische Doppel-Flöte deckt den Ambitus einer Quinte oder einer Quarte ab und beim Öffnen der Löcher hintereinander ergibt sich eine chromatische Tonleiter. Im späten 19. und im frühen 20. Jh. verbreitete sich der Einsatz von weiteren Instrumenten, wie der Geige, eines modifizierten Violoncellos als Bass (lerón), einer Gitarre sowie einer diatonischen Harmonika, der Mundharmonika und des Akkordeons. In den kroatischsprachigen Gegenden wird ein Ensemble, das aus Violine, Bass und Klarinette besteht, gunci oder gunjci genannt.

In vielen Gemeinden Istriens, wie auch im gesamten ehemaligen venezianisch-adriatischen Raum, werden liturgische Lieder aus mündlicher Überlieferung mit lateinischen Texten gesungen. Dieses Repertoire wird als „canto patriarchino“ definiert, obwohl dessen Herkunft nicht ganz klar ist. Möglicherweise besteht dieses Repertoire aus einem alten Kern, dessen Ursprung Aquileia war; das regional transformierte Repertoire verschmolz darüber hinaus mit ästhetischen Eigenschaften des Gregorianischen Gesanges.


Literatur
A. Arbo, Musicisti di frontiera 1998; St. Crise, La divina ispirazione 2007; E. Faber, Litoral Austriaco 1995; I. P. Gortan-Carlin in I. P. Gortan-Carlin (Hg.), Ruralna i urbana glazba istarskog poluotoka [Rurale und urbane Musik der istrischen Halbinsel] 2010; I. P. Gortan-Carlin in Luigi Dallapiccola. 100. obljetnica rođenja [100. Jahrestag der Geburt] 2008; I. P. Gortan-Carlin in I. P. Gortan-Carlin (Hg.), Prvi međunarodni muzikološki skup „U znaku Carlotte Grisi“ [Erstes internationales musikwissenschaftliches Symposium „Im Zeichen Carlotta Grisis“] 1999; D. di Paoli Paulovich, Il canto patriarchino dell'Istria, del Quarnero e della Dalmazia 2005; G. Radole, Ricerche sulla vita musicale a Trieste (1750–1950) 1988; G. Radole, Lo „Schillerverein“ a Trieste 2010; A. Rojc in E. Škulj (Hg.), Mirkov zbornik 2003; M. Rutar et al., Tolminska je pesem: zbrana objavljena in neobjavljena dela učiteljice, muzealke in etnologinje Marije Rutar [Das Lied aus Tolmein: Gesammelte veröffentlichte und unveröffentlichte Texte der Lehrerin, Museologin und Ethnologin Marija Rutar] 2000; R. Starec, Strumenti e suonatori in Istria 1990; E. Susmel, Un secolo di vita teatrale Fiumana 1924; V. Ujčić, Kazališni i kulturno-umjetnički život Pule [Das Theater- und Kulturleben in Pula] 1962; R. Flotzinger in V. Katalinić/Z. Blazekovic (Hg.), Music, Words and Images. Essays in Honour of Koraljka Kos 1999; I. Cavallini (Hg.), Intinerari del Classicimo Musicale. Trieste e la Mitteleuropa 1992; F. Rathner, Die bewaffnete Macht Österreich-Ungarns 1618–1918 in ihren Märschen1983; Brixel/Martin/Pils 1982.

Autor*innen
Matej Santi
Letzte inhaltliche Änderung
15.9.2016
Empfohlene Zitierweise
Matej Santi, Art. „Küstenland, Österreichisches (deutsch für italienisch Litorale austriaco, slowenisch Avstrijsko Primorje)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.9.2016, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00346c26
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x00346c26
ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag