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Kroatien (deutsch für kroatisch Hrvatska)
Staat am Nordrand der Balkanhalbinsel. Ehemaliges Königreich (Hauptstadt Agram), lange Zeit zusammen mit Slawonien ein Land der ungarischen Krone, ab 1918 Teil von Jugoslawien und seit 1991 souveräner Staat. Südöstlich von Slowenien sowie südwestlich von Ungarn und westlich der Voivodina gelegen, umschloss das Gebiet ursprünglich (inkl. Slawonien und Dalmatien) einen Teil von Bosnien-Herzegowina.

Vom 7. Jh. an besiedelten Kroaten das Gebiet der römischen Provinz Illyrien. Im 9. Jh. entstand das Fürstentum, ab 925 (König Tomislav) das Königreich K., seit 1102 in Personalunion mit Ungarn. 1527 wurde der nördliche Teil (unter der Regierung eines Banus) zusammen mit Ungarn zu einem Kronland der Habsburger und verblieb bis 1918 Teil der Österreichisch-ungarischen Monarchie. Zw. 1526/1699 war ein großer Teil des heutigen Landes, nämlich Slawonien und das dalmatinische Hinterland, durch die Ottomanen erobert (entlang der Grenze bildete sich auf kroatischer Seite die sog. Militärgrenze), das Küstenland war 1409–1797 (nach der byzantinischen im Mittelalter) unter venezianischer Administration, Dubrovnik seit 1358 bis zur Aufhebung durch Napoleon 1808 selbständige Republik. Nach der Auflösung der venezianischen Republik und nach mehrmaligem österreichisch-französischem Regierungswechsel wurden 1815 Istrien, das Küstenland mit den nordadriatischen Inseln, Dalmatien und Ragusa (Dubrovnik) Teil der österreichischen Krone. Mit Ende des Ersten Weltkriegs 1918 wurde K. zunächst Teil des „Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen“ (ab 1929 „Königreich Jugoslawien“). Nach kurzen Zeitabschnitten der Autonomie (1939) und Unabhängigkeit (ab 1941) war K. 1945 eine der konstitutiven Nationen der föderativen Volksrepublik „Jugoslawien“. 1991 erklärte K. seine Unabhängigkeit.

Die Tatsache, dass es sich Jh.e lang um Gebiete handelte, in denen mehrere Kulturkreise mit völlig verschiedenen Traditionen (der mitteleuropäische, mediterrane, byzantinische, ottomanische) zusammenstießen, spiegelt sich auch in der kroatischen Musiküberlieferung wider. Nur ein geringer Teil von Quellen und Dokumenten ist allerdings erhalten, ein anderer natürlichen Katastrophen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zum Opfer gefallen; gewisse Anhaltspunkte für das kroatische Musikerbe sind auch außerhalb K.s zu finden. Außerdem wird sichtbar, dass die Kroaten das Christentum aus drei Zentren übernommen hatten: Rom, Aquileia und Konstantinopel. Nach dem 9. Jh. und besonders nach dem sog. Schisma 1054 haben sie sich endgültig dem westlichen (römischen) Ritus angeschlossen.

Die frühesten Musikhandschriften gehen in das 11. Jh. zurück: mehr als 100 Handschriften (Missalien, Gradualien, Sacramentare, Benedictionale usw.) und zahlreiche Fragmente mit Neumen und Quadratnotation (Notation) bis zum 15. Jh. sind v. a. in Agram (Zagreb), Dubrovnik, Zadar, Trogir, Šibenik und im Ausland (u. a. Oxford/GB, Berlin, Vatikan, Güssing/Bl) erhalten geblieben. Einige davon sind importiert, die anderen in kroatischen mittelalterlichen Skriptorien (Zagreb, Osor, Zadar, Trogir, Split, Dubrovnik) entstanden und zeugen von der katholischen Musiktradition sowohl im Kontinentalteil als auch im Küstenland K.s. Die Anschaffung dieser Bücher steht oft mit der Gründung bestimmter Institutionen in Zusammenhang (z. B. ist der sog. Liber Sequentiarum et Sacramentarium der Franziskanerbibliothek in Šibenik [Mitte 11. Jh.] vermutlich ein für die Diözese Pula aus Süddeutschland importiertes Missale). Die bevorzugten Notationen waren beneventanische und St. Gallner Neumen sowie diverse Metzer Notationen. Die Liturgie des kontinentalen Teils blieb um die Zagreber Diözese konzentriert, die 1094 unter die Jurisdiktion des ungarischen Königreichs und der Diözese Esztergom, 1230 von Kalocsa gelangte. Der erste Zagreber Bischof Duh hat wohl am Ende des 11. Jh.s aus Ungarn drei wichtige noch erhaltene Codices mitgebracht und damit den Einfluss des ungarischen Ritus initiiert. Marginalien in diesen und weiteren Hss. verweisen auf gewisse Zagreber liturgische Besonderheiten (z. B. im Missale Zagrebiense [ca. 1230], dem ersten mit Liniennotation des Graner Typs; Missale MR 70 [2. Hälfte 13. Jh.] mit deutschen Neumen, wahrscheinlich ursprünglich aus Slowenien, wo sich Salzburger und Aquileische Einflüsse überschnitten, und für die Zagreber Spitalskirche St. Elisabeth adaptiert). Diese scheinen auf eine Reorganisation der Kathedralschule (artes liberales und Theologie) sowie liturgische Reformen durch Bischof Augustin Kažotić (1303–22), die auch zu einer besonderen Stilisierungsart der Kalligraphie und den besagten liturgischen Besonderheiten führten, zurückzugehen und blieben bis 1788 nahezu unverändert. Quellen aus dem 14. Jh. (z. B. MR 133, MR 73, MR 13, MR 168) und aus dem 15. sowie frühen 16. Jh. (z. B. MR 62) haben norditalienische Einflüsse hinzugefügt. Eine der letzten mittelalterlichen liturgischen Handschriften ist das Missale Georgii de Topusko (MR 170, 1499), reich illuminiert und mit frühgotischen Neumen auf 4 Linien.

Bereits seit dem 11. Jh. ist die Tradition geistlicher Dramen belegt, seit dem 13. Jh. das Musizieren in den Kirchen dokumentiert, und seit dem 14. Jh. sind in Kontinental-K. Orgeln und Organisten nachweisbar (1359 und 1488 in Zagreb, 1459 in Varaždin).

Neben dem lateinischen Gottesdienst ist seit dem 10. Jh. auch die (ebenfalls zum westlichen Ritus gehörige) glagolitische Tradition in kirchenslawischer Sprache, jedoch kroatischer Redaktion, bekannt. Seit dem 15. Jh. wurden in die liturgischen und paraliturgischen Gesänge auch solche in kroatischer Sprache eingefügt (glagolitischer Gesang im weiteren Wortsinne). Gemäß Sekundärquellen bestand diese Tradition nicht nur in Dalmatien, sondern auch in Istrien und auf nordadriatischen Inseln. Primärquellen datieren allerdings, da die glagolitische Tradition weiter lebendig blieb und mündlich weitergegeben wurde, meist erst aus dem 20. Jh.

Zur weltlichen Musik im Mittelalter konnten bislang nur wenige Anhaltspunkte gefunden werden, vorwiegend im Zusammenhang mit Stadtmusikern (tibicines, piffari) bzw. dem Fest des Stadtpatrons o. ä.; in Nord-K. sind 1284 die Zitaristen Čestivoj und Andrija bekannt sowie ioculatores (z. B. ein Martin in Slawonien, 1377). Unter den außerhalb K.s Tätigen ist ein „Magister Nicolaus de Zagabria“ zu erwähnen, der ab 1423 an der Universität in Wien studiert hatte und hier 1433 die „musica [des Johannes de] Muris“ lehrte.

In der bildenden Kunst sind sowohl in Dalmatien als auch Kontinental-K., Istrien und von den nordadriatischen Inseln zahlreiche mittelalterliche Darstellungen von Musikern und Musikinstrumenten (Harfen, Psalterien, Orgeln, Glocken usw.) bekannt. Besonders wertvoll ist das Wandgemälde eines Totentanzes in der Marienkirche von Beram.

Zahlreiche notierte liturgische Bücher aus dem 16. Jh. zeugen von der Kontinuität der Kirchenmusik auf dem ganzen Gebiet K.s, auch als es wegen des Durchbruchs der Ottomanen zu sog. „reliquiae reliquiarum olim inclyti regni Croatiae“ reduziert war. Immerhin stammen aus dieser Zeit die ersten Primärquellen weltlicher Musik, komponiert von einheimischen Autoren, deren Biographien allerdings selten näher bekannt sind. Mangels einer Druckerei mussten die Kompositionen noch im Ausland gedruckt werden. In dieser Sparte jedoch waren tätig: Andrea Antico (Andreas de Antiquis, † nach 1537) aus Motovun, der in Venedig bei Ottaviano dei Petrucci gearbeitet und bei ihm 14 vierstimmige frottole herausgebracht hatte, sich wahrscheinlich ab 1509 in Rom selbständig machte und die Lizenz für den Druck von Figuralmusik erhielt; dort erschien auch seine Sammlung von Orgeltabulaturen (Frottole intabulate da suonar organi, 1517). In Buzet ist um 1495 Jacques Moderne geboren, der wenigstens zwischen 1529 und 1557 in Lyon als Verleger von Musikalien und Büchern tätig war. Von Andrija Patricij (Andrea Patricio) aus Cres sind 4 vierstimmige Madrigale in der Sammlung von Antonio Barges (Il primo libro de villotte, Venedig 1550) enthalten. Aus derselben Stadt stammend und vielleicht verwandt mit ihm war der Philosoph Franjo Patricij-Petris (Francesco Patrizi, 1529–97). In seinem Traktat Della poetica (Ferrara 1586) hat er zur Diskussion der Camerata Fiorentina (Florenz) über den Charakter der griechischen Musik seinen Beitrag geleistet. Keine näheren Angaben sind über zwei Musiker des 16. Jh.s in und aus Dalmatien zu finden: von Julije Skjavetić (Giulio Schiavetti) aus Šibenik und dem in Dubrovnik tätigen Lambert Courtoys. In Kontinental-K. sind überhaupt nur wenige Quellen außerhalb der Kirchenmusik bekannt: für die Diözesen und Klöster wurden nunmehr gedruckte Antiphonalien, Gradualien usw. angeschafft, v. a. für Franziskaner und Pauliner (z. B. das sog. Gotische Antiphonar mit rhomboiden Neumen auf 4 roten Linien).

Der Durchbruch des Protestantismus (der vorübergehend von einigen wichtigen kroatischen Adeligen im späten 16. und frühen 17. Jh. angenommen wurde) kennzeichnet für einige Zeit auch die Kultur und die Musik. Der lutherische Theologe Matija Vlačić (Matthias Flacius Illyricus, 1520–75) aus Istrien diskutiert in seinem Werk Ein Buch von waren vnd falschen Mitteldingen (Hamburg 1549) über kirchliche Lieder sowie die Verwendung der Glocken und Orgeln in der protestantischen und katholischen Liturgie. Pavao Skalić (Paulus Scalichius, 1534–75) aus Zagreb, der in Wien und Bologna/I studiert hatte und Prof. der Theologie in Wien war, trat in Tübingen/D zum Protestantismus über. Seine Encyclopaediae, seu Orbis disciplinarum (Basel 1559) enthalten auch 6 Texte über Musik, darunter einen Discursus harmonicus, der von der Harmonie der Sphären handelt (harmonikale Forschung).

Nach dem Konzil von Trient ist die Musikkultur durch starke gegenreformatorische Aktivitäten der Jesuiten, Pauliner und Franziskaner gekennzeichnet, besonders im nordwestlichen Teil des Landes. Ein reiches Musikleben ist durch mehrere Primärquellen dokumentiert, besonders in Dalmatien und im nordadriatischen Gebiet. Auch die Theaterkultur nahm einen Aufschwung: das erste Theaterhaus wurde 1612 in Hvar eröffnet; in anderen Städten gab man Theatervorstellungen in adaptierten Räumen. Didaskalien bezeugen die wichtige Funktion der Musik und des Tanzes in diesen Stücken, doch ist sie leider nie erhalten geblieben. Mehrere Angaben beziehen sich auch auf die weltliche Musik, besonders in Dalmatien (obwohl auch hier die Kirchenmusik noch immer im Zentrum stand).

Frühbarocke Formen wie Mottete, Psalmen, aber auch Mascherate sind z. T. erhalten geblieben, u. zw. sowohl von kroatischen und italienischen Komponisten in Dalmatien, z. B. von Ivan Lukačić (* ca. 1585 Šibenik, † 1648 Split), Tomaso Cecchini (* 1580/82 Verona/I, † 1644 Hvar), Damjan Nembri (* 1584 Hvar, † 1648/49 Venedig), die alle ihre Werke in Italien drucken ließen. Quellen belegen z. T. auch die Schulung der Musiker, Kopisten und Buchmaler von liturgischen Handschriften sowie von Musikinstrumentenbauern (v. a. Orgelbauer wie z. B. Petar Nakić/Pietro Nacchini in Dalmatien und Italien, * 1694 Bulići?/Ravni Kotari, † ca. 1769 Conegliano/I?). Der wichtigste Komponist aus dem nordkroatischen Küstenland war zweifellos V. Jelić, der seine Geburtstadt Rijeka verließ, in Graz studierte und weiter nach Zabern im Elsass zog, wo sich seine Spur verliert. Francesco Sponga-Usper (* 1565/70 Poreč, † nach 1641 Venedig), ein Italiener aus Poreč, ist durch 5 Sammlungen vokaler und instrumentaler Kompositionen bekannt geworden und der Italiener Gabriello Puliti aus Montepulciano/I (* ca. 1575 Toskana, † 1642/43 Capodistria? [Koper]) war eine Zeit lang in Labin tätig, wo er einige seiner Madrigale und Mascherate Mitgliedern der dort ansässigen Familie Negri widmete.

Auch im Kontinentalteil K.s (inkl. Slawonien) setzte nach dem Rückzug der Ottomanen (1699) eine starke gegenreformatorische Bewegung ein: die Jesuiten, die im 16. und frühen 17 Jh. nach K. gekommen waren, eröffneten neben Split und Dubrovnik auch in Zagreb, Rijeka, Varaždin, Požega und Osijek ihre Residenzen, Kollegien und Gymnasien sowie in Zagreb eine Akademie, aus der 1669 die Universität hervorging. Sie boten, wie die Franziskaner, Musikunterricht sowohl dem Klerus als auch jungen Adeligen. Für die musikalische Schulung von Mädchen sorgten im 17. und 18. Jh. Klarissinen (Zagreb, seit 1646), Ursulinerinnen (Varaždin, seit 1703) und Benediktinerinnen (Rijeka, Cres). Sie legten für den Unterricht Sammlungen von Musikinstrumenten und Noten an, die teilweise noch erhalten sind. Die Jesuiten förderten das Musikleben v. a. durch ihr Schultheater (Jesuitendrama; z. B. Instabilis fortunae ludus, Zagreb 1693; Alvarus Luna, Varaždin 1710). Wenn die einheimischen Kräfte nicht ausreichten, zogen sie Musiker aus anderen Städten heran, z. B. tibicines aus Karlovac, symphoniacos aus Ptuj/SLO oder jene sieben Instrumentalisten aus Klagenfurt, die in den 1630er Jahren für das Fest der hl. Katharina nach Zagreb engagiert wurden und dann hier blieben.

Ein wirksames Mittel sowohl der Reformation als auch der Gegenreformation waren Gesangbücher (Kirchengesangbücher) in kroatischer Sprache. Zunächst wurden sie ohne Noten gedruckt: so in Deutschkreuz/Bl protestantische Duševne pesne (1609, 1611) von Gregor Mekinich-Pythiraeus († 1617); in Pressburg Molitvene knjižice (2. Ausg. 1640) des Jesuiten Nikola Krajačević-Sartorius (1583–1653) mit Hinweisen auf die Kontrafaktur (Parodie) der Melodien, und in Graz Szveti evangeliomi von demselben (1651). Das erste gedruckte Gesangbuch mit Melodien sind die Pisni za najpoglavitije, najsvetije i najveselije dni sveg godischia sloxene für Sopran und basso continuo von Atanazij Jurjević (A. Georgiceus), Philosophiestudent der Jesuiten in Graz und später consiliarius Ferdinands II. Die erste handgeschriebene Sammlung ist ein Pauliner Gesangbuch von 1644. Viele seiner 52 Gesänge (vorwiegend kroatisch, sonst lateinisch) wurden später in andere Sammlungen übernommen, v. a. in die in 3 Ausgaben erschienene Cithara octochorda, die größte ihrer Art, mit insgesamt 494 Texten und 315 Melodien (Wien: Vogt 1701 und 1723, Zagreb: A. Reiner 1757). Die Tradition des Zagreber Ritus ist in Sammlungen wie dem Cantuale processionum (Wien 1751) und in mehreren Passionsgesängen erhalten geblieben. Die Musikterminologie Kontinental-K.s ist in mehrsprachigen Wörterbüchern (von Juraj Habdelić [1609–78], Ivan Belostenec [ca. 1594–1675], Andrija Jambrešić [1706–58]) dokumentiert, die traditionellen Ansichten hinsichtlich der Musiktheorie sind bei Juraj Križanić (Georgius Krisanich/Crisanius, 1617–83) niedergelegt (Asserta musicalia, Rom 1656, De modo facilitandi cantum ecclesiasticum, 1657). Lehrbücher verschaffte man sich vorwiegend aus Italien (Fabrizio Tettamanzis Breve metodo, 1686 u. ö.; Zaccaria Tevos Il musico testore, 1706), doch wurden auch eigene hergestellt (Toma Kovačević [1664–1724], Brevis cantus gregoriani notitia, Wien 1701; Mihael Šilobod Bolšić [1724–87], Fundamentum cantus gregoriani seu choralis, Zagreb 1760).

Auch die Franziskaner haben ihre Kantualien sowohl aus Italien bezogen als auch selbst eine intensive Kopistentätigkeit (aus der 1. Hälfte des 18. Jh.s sind etwa 50 erhalten) entwickelt; solchen waren manchmal auch eigene einfache ein- oder zweistimmige Messen beigefügt, z. B. durch Filip Vlahović aus Kapossvar (vor 1700–55) oder den Zagreber Organisten Ivan Leopold Šebelić (1. Hälfte 18. Jh.). Bis zum Ende des 17. Jh.s besitzen bereits nahezu alle Kirchen eigene Orgeln, einige auch kleine Sängerensembles (Kapelle) zur Ausführung des Chorals und zunehmend auch von Figuralmusik. Für die Orgeln sorgten Orgelbauer wie Anton Weiner (ca. 1706–47), Bernard Monte (in Zagreb, 17. Jh.) oder A. Römer (aus Graz). Die Musiker fanden Stellung in Städten oder bei adeligen Familien (Drašković, Erdödy, Pejačević u. a.). In der Kirchenmusik hielt die barocke Tradition bis gegen Ende des 18. Jh.s an.

Elemente des frühklassischen Stils erscheinen zuerst in Dalmatien, vornehmlich in der Vokal- und Instrumentalmusik des in Italien geschulten Arztes und Historikers Julije Bajamonti in Split (1744–1800) und in den Symphonien des Diplomaten Luka Sorkočević (1734–89) und seines Sohnes Antun (1775–1841, beide in Dubrovnik). Da im Wesentlichen eine Bürgerkunst (bürgerliche Musikkultur), hat sich der musikalische Klassizismus jedoch in kontinentalkroatischen Städten, in Istrien und im nordadriatischen Küstenland weniger niedergeschlagen als in Dalmatien und Dubrovnik, wo das Bürgertum eine bessere kulturelle und finanzielle Basis besaß. Musikalien aus dieser Zeit blieben noch immer vornehmlich in Kirchenarchiven erhalten, in denen nicht nur sakrale Musik zu finden ist, sondern auch weltliche instrumentale wie vokale (vorwiegend Opernarien; insgesamt etwa 20.000 Werke von italienischen, deutschen, kroatischen, französischen, böhmischen und anderen Autoren). Immerhin sind auch einzelne private Musiksammlungen erhalten geblieben (z. B. der Familie Adelmann in Krk). Die Schließung der Klöster nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773) und im Zuge der Josephinischen Reformen bedeutete den Verlust von starken Musikzentren, die durch die Aktivitäten der Franziskaner nur teilweise weitergeführt werden konnten.

Adelige, die eine Hausmusik hielten, organisierten auch Bälle und Hauskonzerte (Konzert), v. a. in Zagreb, Varaždin (1767–78 Hauptstadt K.s) und Osijek (Essek). Öffentliche Bälle wurden auch in Kaffeehäusern, Restaurants und Biergärten, vornehmlich mit böhmischen oder Zigeunerkapellen, veranstaltet.

Neben dem Privatunterricht und dem Unterricht in Klosterschulen wurden ab den 1780er Jahren erste Normalschulen mit Musikunterricht eröffnet (z. B. Zagreb 1788, mit Johann Pleyel als Klavierlehrer; Rijeka 1789, Karlovac 1804, Križevci 1813). Ein profiliertes Musikleben gab es vorwiegend in Varaždin und Zagreb, ab der Jh.wende auch in anderen Städten. Die Musiker waren mobil, einige ausländische siedelten sich in K. an oder organisierten Gastkonzerte. Theatertruppen gastierten in Rijeka, Varaždin, Zagreb (wo die erste Opernaufführung mit bekanntem Programm mit G. Paisiellos I filosofi immaginari 1799 stattfand). Das erste Theatergebäude wurde 1797 in Zagreb eröffnet (das sog. Theater des Grafen Amadé), in Osijek sind Opernvorstellungen im Generalatshaus in der Festung schon in der 2. Hälfte des 18. Jh.s veranstaltet worden. In den 1820/30er Jahren eroberten die Opern von G. Rossini, Vincenzo Bellini, Daniel François Esprit Auber, Ferdinand Hérold u. a. auch hier das Publikum. 1815 begannen regelmäßige Tourneen von Virtuosen in Kontinental-K. mit dem Konzert von J. N. Hummel in Zagreb; sie fanden in der folgenden Epoche mit Auftritten von F. Liszt, Pablo de Sarasate, D. Popper u. a. ihre Fortsetzung.

Der Geist der Aufklärung spiegelt sich in der Sammlung von Musikalien (z. B. N. Algarotti aus Krk) und auch von Volksmusik (z. B. Djuro Arnold [1781–1848], Pismenik iliti skupljenje pisama razlicsiti, 1819; P. J. Haibel [verloren]; Marijan Jaić [1795–1858], Vinac bogoljubnih pisamah, 1827). Der Zagreber Bischof Maksimilian Vrhovac (1752–1827) ließ beim Besuch des Königs Franz I. in Zagreb (1818) die Melodie von J. Haydns Volkshymne für einen Begrüßungstanz verwenden; einige Volksmelodien wurden auch in dem biblischen Drama Josip, sin Jakoba patrijarke des Franziskaners Grgur Čevapović (1786–1830) verwendet (in Vukovar aufgeführt und 1820 in Buda/H gedruckt).

In und um Varaždin war das Musikleben längere Zeit am intensivsten: die Familie Erdödy hat für ihr Ensemble u. a. J. Vaňhal, I. Pleyel und den Violinspieler N. Mestrino engagiert. Ivan (Johann) Werner (1752–86) aus Graz wirkte seit 1776 als Organist und Komponist an der Pfarrkirche und als Musiklehrer im Ursulinerinnenkloster. Sein vermutlicher Schüler und Nachfolger, L. I. Ebner gilt als der wichtigste Komponist der Zeit in Nord-K., v. a. mit seiner Kirchenmusik (Messen, einem Oratorium, Orgelwerke), aber auch als Autor der ersten klassizistischen Klaviersonate (1811). In Đakovo/Slawonien wirkte P. J. Haibel aus Graz als Organist und Komponist. In Zagreb wurden 1788 Choristen aus Wien geholt und am Anfang des 19. Jh.s aus Böhmen. Eine wichtige Rolle hat hier auch Juraj Karlo Wisner-Morgenstern (1783–1855) gespielt, zuerst als Chorist in der Kathedrale, dann als Organisator des Musiklebens und einer der Gründer des Musikvereins von Zagreb (1827 als Societas Filharmonica Zagrabiensis). Ähnliche Vereine wurden auch in anderen Städten (Varaždin 1827, Osijek 1830; in Zadar erst 1858) gegründet und bilden die Voraussetzungen für den Aufschwung des Musiklebens in der romantischen Epoche. Außerhalb K.s wirkten einige Musiker kroatischer Herkunft: nicht bekannt ist die Identität eines gewissen Stephan (Stjepan N.), der auf dem Titelblatt von Violinsonaten als „dalmatinischer Aristokrat“ und von 12 Menuetten als „Spadino“ bezeichnet wird und sich schließlich selbst auf einem weiteren „Musikdirektor des Bischofs Leski von Chełmno“ (Polen) nennt; der in Zadar in einer griechischen Familie geborene Josip Mihovil Stratik (Giuseppe Michele Stratico; 1728–nach 1782) studierte in Padua und hinterließ ein ansehnliches kompositorisches Werk; Ivan (Mane?) Jarnović (Giovanni Giornovichi; 1747–1804) ist als Violinvirtuose in vielen europäischen Städten herumgekommen, aber auch als Komponist eine der interessantesten Figuren in der kroatischen Musikgeschichte des 18. Jh.s; aus dieser (wenigstens im engeren Sinn) endgültig zu streichen ist hingegen A. Ivanschiz.

Im Zeitalter der Romantik ermöglichten die Verhältnisse in Kontinental-K. und im Küstenland die kulturelle Entwicklung in stärkerem Maße als in Dalmatien und Dubrovnik, die in früheren Zeiten die Führung innegehabt hatten. Dieser Wandel wird verstärkt durch die Tatsache, dass das Erwachen nationaler Gefühle in Dalmatien etwa 30–40 Jahre später erfolgte, als die Übernahme der Ideen der sog. illyrischen Bewegung der 1830er Jahre im Norden.

Die Gründung der Musikvereine ermöglichte eine kontinuierliche Entwicklung des Musikunterrichts und damit des professionellen Musiklebens. Bei den ersten Aufführungen der großen klassischen Chorwerke (z. B. Haydns Schöpfung, W. A. Mozarts Requiem), die in Zagreb schon 1816 begonnen hatten, waren die Ensembles vorerst mit Musiklehrern, Militärmusikern und Amateuren besetzt. Der Weg zu ihrer Professionalisierung beginnt mit der Eröffnung der Musikvereinsschulen (1828 in Varaždin, 1829 in Zagreb). Diese erste Etappe dauerte bis 1870, als das erste fixe Opernensemble entstand.

Die patriotischen Gefühle wurden in den äußerst populären Gattungen budnice (Liedern zur Erweckung des Nationalgefühls) und davorije (Chorliedern) ausgedrückt, Gesängen mit einer einfachen Textur und Melodie, von denen zwischen 1833 und 1848 etwa 100 entstanden. Diese Eigenschaften überschreitet das Lied Lijepa naša domovina (Unser schönes Vaterland, 1846), das 1891 durch Abstimmung zur Nationalhymne wurde (Hymnen). Derartige Lieder wurden v. a. von Gesangsvereinen gepflegt, die um die Jh.mitte gegründet worden waren (z. B. 1854 Liedertafel in Požega, 1860 in Pijevni vijenac umbenannt; 1858 Zora in Karlovac; 1862 Kolo in Zagreb).

Romantik offenbart sich schon in den 1820er Jahren, zuerst in den Miniaturen von F. Wiesner-Livadić (Klavierwerke, Lieder). V. a. auf dem Gebiet des Liedes finden die Komponisten der nationalen Strömung ihren Hauptausdruck, besonders der in Prag geschulte V. Lisinski. Lisinski schrieb 1846 auch die erste kroatische Nationaloper Ljubav i zloba, instrumentiert von J. K. Wisner-Morgenstern, einem gut geschulten Vokal- und Instrumentalmusik-Komponisten aus Arad (heute RO).

Die Übersiedlung von I. Zajc 1870 von Wien nach Zagreb hängt mit der Gründung des professionellen Opernensembles zusammen (das Theater war schon 1861 Nationaltheater geworden; das Opernorchester führte nach 1871 gelegentlich auch symphonische Musik auf). Zajc förderte die Aufführungen des zeitgenössischen Repertoires, besonders die Werke von G. Verdi, aber auch einheimischer Komponisten (1866 wurde bereits La madre Slava des in Mailand geschulten Nikola Strmić aus Zadar/Zara, 1839–96, aufgeführt) und hat als Leiter des Operntheaters, als Komponist von Instrumentalmusik, Opern und Operetten unter italienischem bzw. Wiener Einfluss sowie als Lehrer an der Musikvereinschule die Epoche bis zur Jh.wende nachhaltig geprägt. Nicht weniger hat dies sein Zeitgenosse F. Kuhač als Musikhistoriker, Kritiker und Polemiker (äußerte sich auch gegen E. Hanslick), Gründer der kroatischen Musikwissenschaft und Sammler von Volksmusik getan. Volkslieder haben auch der Schriftsteller Stanko Vraz (1810–51) und der Richter Karlo Catinelli (1807–64; Južno slavljanske pučke pěsme, Wien 1849) gesammelt, Kirchenlieder der Franziskaner Fortunat Pintarić (1798–1867) in 1827 und 1850 gedruckten Sammlungen niedergelegt. Mit der Bezugnahme der Komponisten auf Volksmusik – entweder als Zitate oder im Bau einfacher Melodien aus deren Geist – im Rahmen der klassisch-romantischen Tradition wird das Bestreben nach Bestätigung der nationalen Identität, nach Deklarierung der politischen Selbständigkeit und Widerstand gegen den Druck der Germanisierung und Ungarisierung deutlich (Nationalstil).

Einige Komponisten und Interpreten haben sich auch im Ausland weitergebildet und/oder eine Zeit lang dort gearbeitet: der Gitarrenvirtuose I. Padovec aus Varaždin in Wien; der hier und in Pressburg geschulte Dirigent, Komponist und Pianist Dragutin/Carl von Turány (1805–73) aus Osijek war ab 1836 in Wien und Aachen/D tätig; der junge Violinist F. Krežma in Berlin; der Organisator und Komponist J. Zellner in Wien; schließlich die Sänger/innen I. Murska, M. Trnina, M. Mallinger u. a.

Um 1890, noch neben Zajc und Kuhač, beginnt das Wirken einer neuen Generation von kosmopolitischer orientierten Komponisten, die gelegentlich an der Kritik von national orientierten Musikern (z. B. von Kuhač) litten. Wichtig für die Organisation des Musiklebens, v. a. in Zagreb, sollten werden: das neue Theatergebäude (1895 eröffnet; hier fanden die ersten Opernaufführungen von F. Smetana, L. v. Beethoven, Rich. Wagner und G. Puccini statt; 1897 wurde die zweite Oper Lisinskis, Porin, aufgeführt, 1898 das erste kroatische Ballett Jela von B. Adamović Čepinski); der neue Musikvereinsaal (eröffnet 1895, während der Wirkungszeit des Historikers, Schriftstellers und Komponisten V. Klaić, der die Aktivitäten des Musikvereins modernisierte, den Unterricht in deren Schule reformierte und die Zeit bis 1920 mit vielen Unternehmungen prägte, u. a. mit der Organisation von Gastkonzerten); die Musikvereinschule wurde 1916 zum Konservatorium und 1922 zur MAkad. erhoben. In Zagreb und in anderen Städten wirken auch Amateurensembles und Militärkapellen.

Den Anfang neuer kompositorischer Ideen markieren die Werke von Vjekoslav Rosenberg-Ružić (1870–1954; erste Klaviersonate 1891), Franjo Dugan d. Ä. (1874–1948; Orgelwerke 1895) und B. Bersa (Dramatska uvertira 1898). Der Höhepunkt der Moderne ist mit dem Programm eines historischen Konzerts im Jahre 1916 erreicht, mit Werken von Krešimir Baranović (1894–1975), B. Širola, F. Dugan d. Ä., Svetislav Stančić (1895–1970), D. Pejačević und Antun Dobronić (1878–1955). Mehrere Repräsentanten dieser Generation waren im Ausland geschult, einige haben auch eine Zeit lang dort gewirkt, so: D. Pejačević in Dresden/D; Slavomir Grančarić (1878–1941) in Wien, Prag und Paris; V. Rosenberg-Ružić, B. Bersa, Juro Tkalčić (1877–1957) in Wien und Paris; F. Dugan d. Ä. und S. Stančić in Berlin; D. Plamenac in Prag (Komposition), Paris und Wien (Musikwissenschaft); S. Albini in Graz und Wien. Einige Komponisten aus Dalmatien und dem nordkroatischen Küstenland bezogen auch italienische Konservatorien, z. B. studierte Antonio Smareglia (1854–1929) aus Pula in Wien und Mailand. Diese Komponisten öffneten sich in ihren Werken internationalen Impulsen und komponierten auch zuvor vernachlässigte Gattungen: zu dieser Zeit entstanden das erste Solokonzert (Klavierkonzert von Pejačević), Symphonien (Pejačević, Franjo Lučić), symphonische Dichtungen (Bersa, besonders seine Sunčana polja 1919) und Kammermusik. Sie komponierten außerdem Vokalwerke wie Lieder (z. B. Pejačević auf Texte von Rainer Maria Rilke, F. Nietzsche, K. Kraus; Plamenac nach Charles Baudelaire), Orchesterlieder (Bersa, Pejačević), Kantaten (Josip Hatze), Opern unter Einfluss von Wagnerianischer Melodik (Bersa: Oganj) oder des Verismus (Hatze: Povratak, beide 1911 aufgeführt) und Melodramen (Bersa). Sie repräsentieren verschiedene Stilrichtungen: von der klassisch-romantischen Tradition (Rosenberg-Ružić) über die Erweiterung der Tonalität und der Klangfarbenwelt (Pejačević, Bersa) bis zu Elementen des Impressionismus (Stančić), Expressionismus (Pejačević) und – ausnahmsweise – freien Atonalität (Plamenac 1914). Gleichzeitig lebte die Operette weiter: nach Werken von J. Offenbach und F. v. Suppè werden solche im Stil der belle Époque von Albini aufgeführt.

In Zagreb und anderen Städten lebten und wirkten einheimische wie ausländische Musiker: z. B. in Pula F. Lehár (1894–99) und Giulio Smareglia (1866–1935), in Rijeka der in Wien ausgebildete Italiener Fortunato Luzzato (1857–1937). Böhmische Orgelbauer arbeiteten u. a. in Varaždin und Požega.

Die kroatische Musik nach 1918 lässt sich in musikstilistischer und allgemein künstlerischer Hinsicht in zwei Perioden vor und nach 1961 einteilen. Am Beginn steht die Gründung professioneller Ensembles: Zagreber Philharmonie (1920) und ähnliche Orchester in Dubrovnik, Osijek und Split;Zagreber Quartett (1919), MAkad. (1922) sowie Amateurensembles wie Društveni orkestar Hrvatskog glazbenog zavoda [Gesellschaftsorchester des Musikvereins] und Chor des Građansko društvo intelektualaca [Bürgerliche Gesellschaft der Intellektuellen], beide 1919. Zur selben Zeit kehren einige Komponisten aus dem Ausland zurück, v. a. nach Zagreb: Bersa, Jakov Gotovac (1895–1982), Širola und Boris Papandopulo (1906–1991) aus Wien, Krsto Odak (1888–1965) aus München, Josip Štolcer Slavenski (1896–1955) aus Prag und Budapest, Oskar Jozefović (1890–1941) aus Paris, Stančić aus Berlin und Ivo Parać (1890–1954) aus Florenz, Rom und Pesaro nach Split. Der Aufschwung der kompositorischen Aktivitäten ist besonders im Musikverein in neuen Konzertreihen zu sehen, ebenso in der Oper. In 14 Saisonen gab es mehr als 300 EA.en vokaler und instrumentaler Werke sowie 17 Opern und 10 Ballette kroatischer Autoren. Daneben lief das Standardrepertoire mit jüngeren Werken französischer, russischer, tschechischer und deutscher Komponisten (so z. B. Aufführungen der Bühnenwerke von Dimitrij Schostakowitsch, E. Krenek und Igor Strawinsky). Nach der erfolgreichen Aufführung des 1. Streichquartetts von J. Slavenski in Donaueschingen/D (1923) wurde 1925 in Zagreb die jugoslawische Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik gegründet (1930 nach Belgrad transferiert). Im Rahmen der IGNM wurden Werke von B. Širola (Madrigal für Chor in Genf 1929) aufgeführt. Arbeiterchöre sind im ganzen Land aktiv und an der Zagreber MAkad. wirken hervorragende Pädagogen: u. a. der Pianist und Komponist S. Stančić, der böhmische Violinist Vaclav Huml sowie der Verleger, Organisator, Pianist und Cellist Rudolf Matz (1901–88).

Der stilistische Pluralismus, der sich schon in dem erwähnten Konzert von 1916 angekündigt hatte, nimmt nach dem Ersten Weltkrieg noch zu. Dabei sind zwei Hauptströmungen hervorzuheben, die beide durch einen gewissen Widerstand gegen die neuen Strömungen in der europäischen Musik charakterisiert sind, während eine kleinere dritte Gruppe von Komponisten Elemente aus beiden Strömungen zu kombinieren versucht: Die erste, spätromantische, traditionelle Richtung repräsentiert v. a. Stjepan Šulek (1914–86), u. zw. mit seinem gesamten Werk, teilweise auch Bruno Bjelinski (1909–92) und Ivo Maček (1914–2002). Zur zweiten, neonational orientierten Richtung sind zu rechnen: der böhmische Komponist Fran Lhotka (1883–1962; besonders mit seinem Ballett Đavo u selu, 1934), Krešimir Baranović (1894–1975; mit dem Ballett Licitarsko srce, 1924), A. Dobronić, Jakov Gotovac (1895–1982, besonders mit seiner populären Oper Ero s onoga svijeta 1935), Ivan Matetić-Ronjgov (1880–1960; v. a. orientiert an Volksmusik aus Istrien und Küstenland). Das Schaffen vieler Komponisten ist von Merkmalen der beiden ersten Gruppen geprägt, z. B. ist Odak in einigen Werken vorwiegend spätromantisch geprägt (Passacaglia für Streicher, 1938), in anderen neoklassizistisch mit starken nationalen Elementen (die „Volksoper“ Dorica pleše, 1933), in einigen insistiert er auf dem Zerfall der Tonart (wie in frühen Liedern, 1922, und in seinen Streichquartetten), und manchmal erforscht er die spezifischen melorhythmischen Strukturen der älteren Schichten in traditionellen Kirchenliedern (Staroslavenske mise, 1928 und 1938). In diesem Rahmen verwendet man Urschichten mit den Elementen einer Antiromantik (Papandopulo) oder stilisierte Volksmelodien (Milo Cipra [1906–85], Božidar Kunc [1903–64]); in einigen Werken wird auf Reichtum der Klangfarbe besonderer Wert gelegt (Jozefović: Na Nilu, 1919; Matz: Faun, 1922) und in anderen äußern sich Elemente des Neoimpressionismus (Cipra, Kunc).

Während der ideologisch am stärksten polarisierten Zeit des Totalitarismus (1940/50er Jahre) wurde programmatisch engagierte Musik mit ausgeprägten Volksmusik-Elementen favorisiert (sog. „Ideologie der nationalen Richtung“), besonders in der „Musik fürs Volk“ (Papandopulo, Natko Devčić [1914–97]).

Schon während der 1950er Jahre lassen sich in einigen Kompositionen internationale Stilrichtungen (Milko Kelemen [* 1924 Slatina]), Experimente mit der elektronischen Technologie und Aleatorik (Branimir Sakač [1918–79]), aber auch traditionalistische Neoromantik (Šulek: 8 Symphonien, 10 Instrumentalkonzerte, Opern [nach Shakespeare]: Koriolan, Oluja [Sturm], Kantaten usw.) beobachten. Die 1950er Jahre bedeuten eine Zeit allmählicher und partieller Liberalisierung: 1961 wurde die Musikbiennale Zagreb ins Leben gerufen (von M. Kelemen initiiert, findet noch heute [2003] statt). Damit wurden für die kroatische Musik neue Möglichkeiten eröffnet. In Hinblick auf die Biennale sind einige Komponisten den neuen Tendenzen gefolgt (radikal und experimentell: Sakač; mäßig: Cipra), einige haben den Ausdruck der zeitgenössischen Musik mit den Urschichten der Volksmusik kombiniert (z. B. Devčić, besonders durch die Verbindung der zeitgenössischen Kompositionstechniken mit dem Volksstil der „engen“ Intervalle), einige sind dem traditionellen eklektischen und internationalen Ausdruck treu geblieben und haben sich von avantgardistischen Strömungen ebenso distanziert wie von zeitgenössischen (Šulek). Bald nach der Biennale wurde ACEZANTEZ, ein Spezialensemble für die Aufführung zeitgenössischer Musik, gegründet (1971).

Seit Ende der 1960er Jahre verschwimmen diese Strömungen teilweise und verzweigen sich in einem Pluralismus von Stilvarianten, der ausschließlich von den persönlichen Neigungen der Komponisten abhängig ist. Eine Reihe von kroatischen Komponisten hat, teils unter dem Einfluss von zwei Professoren der Komposition (Cipra und Šulek) und teils aufgrund ihrer aus der Biennale gewonnenen Erfahrung, eine kritische Einstellung sowohl gegenüber der Avantgarde als auch dem nationalen Idiom der Generation der Zwischenkriegszeit wie zur Hermetik des Internationalen Stils entwickelt. Nach der Orientierung an Mitteleuropa ziehen diese Komponisten der 1960/70er Jahre Studienorte in westeuropäischen Ländern vor (z. B. Frankreich: Ivo Malec [1925], Deutschland: Kelemen, Silvije Foretić [1940]; Italien: Frano Parać [1948] usw.), seltener auch Osteuropa (Dubravko Detoni [1937] in Polen). Sehr persönliche Stile äußern sich in den Werken profilierter Komponisten wie Stanko Horvat (* 1930; auf Bartók’schen Fundamenten, besonders in der Kammermusik: Kolo bola, 1977, oder mit Elementen des Minimalismus: Ostinati, 1983), Ruben Radica (* 1931; Interaktion der spezifischen Konstruktionen des Materials: 19 i 10, interferencije za zbor i orkestar, 1965), D. Detoni (von John Cage beeinflusst: Gimnastika za grupu, 1974), Igor Kuljerić (* 1938; Re-Interpretation des kroatischen Erbes und der Volksmusik: Ommaggio a Lukačić, 1972; Folk-art, 1977, Hrvatski glagoljaški rekvijem, 1995), S. Foretić (kritischer Blick auf Auswüchse der Gesellschaft mit stark parodistischen Zügen: Koncert za rog i svijeću, Meluzina, beide 1967, mit Collagen für die Musikbühne, meist nach eigenen Texten: Semi-mono-opera, 1978/79), Marko Ruždjak (* 1946; Intellektualismus in Klasični vrt, 1977), Davorin Kempf (* 1947; mit Elementen der neuromantischen Tradition von Šulek und neueren Tendenzen: Arti mutatae, 1975, Spectrum, 1985, Zvukolik, 1988), F. Parać (Verbindung einer spezifischen Rückkehr zur Tradition mit deutlichem Vokalismus: Collegium vocale, 1979, Muzika za orkestar, 1985, Koncert za violinu i gudače, 1986, 1. Simfonija, 1991, Oper Judita, 2000). In der jüngsten Generation finden sich Komponisten mit völlig individualisiertem Stil, ohne das Bedürfnis, zur Avantgarde oder zu zeitgenössischen Tendenzen Stellung zu nehmen, z. B. Ivo Josipović (* 1957), Berislav Šipuš (* 1958), Mladen Tarbuk (* 1962).


Literatur
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Autor*innen
Vjera Katalinić
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
21.5.2024
Empfohlene Zitierweise
Vjera Katalinić/Rudolf Flotzinger, Art. „Kroatien (deutsch für kroatisch Hrvatska)“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 21.5.2024, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d62e
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10.1553/0x0001d62e
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