Mit der Amateurisierung des britischen Pop entwickelte sich in Österreich eine ebensolche Musikerszene, die zuerst in der Nachspielphase britischen Pop lernte, um zur Unterhaltung und zum Tanz aufzuspielen. Die Orientierung an der Londoner bluesorientierten Szene führte auch hierzulande zu entsprechenden, der Übung entspringenden Plagiaten des Rock. Diese Musik findet ihr Leben in kleinen privaten Live-Konzerten. Die Annahme politischer Subversion durch das Gelebtwerden auf mille plateaux, ihre gemeinsame kommerzielle Basis lassen heute in postmoderner Sicht eine Trennung zwischen unterhaltendem, affirmativem Pop und authentischem, dissidentem Rock als überkommen erscheinen; zudem ist die Jugendkultur von einem aufklärerischen Selbstverständnis zu einem hedonistischen mutiert.
Mit dem Aufbau eines Jugendprogramms im Österreichischen Rundfunk in Anlehnung an den Luxemburger Jugendsender suchte der ORF österreichische Talente, deren Produktion und Vermarktung er übernahm. Zuvor hatte der Kabarettist G. Bronner mit A Glockn, die 24 Stunden läut´ (gesungen von M. Mendt), für den Eurovision Song Contest geschrieben, den Wiener Dialekt in die populäre Musik gebracht. Alltagssprache, kabarettistische Gegenhaltung verbinden sich symbiotisch mit der Gegenhaltung des Alltagsgegenstandes Pop, eine Verbindung, die sich auch personell und institutionell nachvollziehen lässt.
Mit dem Aufbau einer eigenen Produktionsszene, der Gründung privater Tonstudios und der Organisation der bestehenden Musikerszene v. a. in der Nachfolge des Londoner authentischen Rock und auf der Basis des (auch im Dritten Reich) widerständigen Wiener Kabaretts entstand im städtischen Umfeld der Austropop. J. Prokopetz war der Vermittler zum Kabarett, P. Müller fungiert als erster Tonstudiobesitzer und somit Besitzer der Produktionsmittel zugleich als Produzent. Die Erste Allgemeine Verunsicherung entsprang schließlich selbst bereits der Idee des Performance-Rock, der in Österreich als Rock-Kabarett erscheint. Das politische Lied (politische Musik), auch der inszenierten Form, am linken Flügel des demokratischen Gefüges führte zu einer selbst organisierten Jugendszene, mit der Besetzung der Arena (26.6. 1976) entstand 1977 ein selbst verwaltetes Lebensfeld des Wiener Rock. Mit dem Umstieg von Gitarren- und Protestlied-orientiertem aufklärerischem Pop in die hedonistische Szene, gelebt in entsprechenden Lokalen, kulminierte der deutschsprachige Pop in der Neuen deutschen Welle; die neuen Kräfte sammelten sich und fanden auch in Wien ihre Ausformung.
Schließlich brachte ein allgemeiner politischer Wandel, der Tradition vor Innovation, Regionalität vor Internationalität reihte, eine Umbewertung des (im Dritten Reich propagandistisch gebrauchten und darin braun-gefärbten) älpischen Volksguts (Alpenmusik); nach dem Vorreiter Wilfried, diesem politischen turn weit voraus, kam mit H. v. Goisern der allgemeine Durchbruch bodenständigen Volksgutes im Verbund mit Pop, in seinem Mainstream wie in seinen avantgardistischen Formen (Broadlahn, Attwenger; Neue Volksmusik).
Allgemein ist ein Erstarken des (volkstümlichen) Schlagers mit bestplatzierten entsprechenden Sendungen im ORF ( Musikantenstadl ) und eine zunehmende Durchlässigkeit zwischen der volkstümlichen und der Pop-Szene zu beobachten. Was mit den Zillertaler Schürzenjägern und ihrem Doppelprogramm aus volkstümlicher und Rock-Musik begann, zieht sich heute durch die Schlager- und Pop-Welt. Im Verein mit kabarettistischen Zügen hat Alf Poier mit einer älpischen Rock-Melange Österreich beim Eurovision Song Contest im Jahre 2003 recht erfolgreich vertreten; an das mittlerweile von den ehemaligen Oststaaten Europas in einer Art Fremdenverkehrswerbeveranstaltung dominierte Festival mit folkloristischem Flair, wohl auch auf der Basis einer allgemeinen Ethnifizierung mit dem Verständnis von Weltmusik, hat sich Österreich mittlerweile angepasst. 1966 Jahre gewann diesen damals für die Karriere bedeutsameren Contest U. Jürgens mit Merci Chérie, der danach im benachbarten größeren bundesdeutschen Markt eine konstante Karriere machte – außermusikalisch war er stets Österreicher geblieben.
Im Dienste des Fremdenverkehrs wirkte auch das zum Hütten-Hymnus avancierte Schifoan von W. Ambros; I am from Austria von Fendrich sollte jugendlichen Heimatstolz schüren; G. Danzer ist der im selbstmitleidigen und zugleich zynisch selbstkritischen Wienertum versunkene Intellektuelle; Austria 3 ist der Verbund dieser volksnahen Basis des Austro-Pop, der als Zigarettenmarke ehemals ein basales Volksgenussmittel der Nachkriegszeit bezeichnete.
Die Verfügbarkeit technischer Produktions- und Distributionsmittel brachte nicht nur die Loslösung vom Gitarre-orientierten Live-Pop, sondern zugleich auch von den öffentlichen und teuren privaten Produktionsstätten bzw. Mediengroßbetrieben. Das bedroom studio am PC erlaubt die Produktion, den Verschnitt von Samples. Abseits der Chorusform und abseits des (britischen) Pop-Lieds entsteht eine technoide Musikform, die Melodie tragende Figuren unterdrückt, den Grund etabliert und in einer Endlosform nicht vermittelt, sondern stimuliert. Wien steuert mit der mit Hipness selbst stilisierten 3.Wiener Schule eine am Jazz mit Barflair orientierte Musik bei (Kruder & Dorfmeister, R. Huber) bzw. im avantgardistischen Bereich das körperlose Spiel mit Klangmassen am Lap-Top (Ch. Fennesz und das Lable Mego), von Musikern, die aus dem avantgardistischen klangdominierten Pop und zugleich aus der der Acousmatique verpflichteten Ausbildungsstätte für Elektronische Musik an der MUniv. in Wien kamen.
Im Verein mit technoiden instrumentalen Musizierformen haben sich die Wortkaskaden deutschsprachiger Rapper als österreichischer Hip-Hop etabliert; Protesthaltung mit und ohne literarischen Anspruch kommt meist aus avantgardistischen Nischen, Migranten aus dem südosteuropäischen Raum dominieren, konsequenterweise der Ideologie des HipHop folgend, die österreichische Version.
Für die Entwicklung der österreichischen Pop-Musik-Formen waren der Import internationaler Musik und deren Verfügbarkeit wichtig: durch eine doppelte kulturelle Sozialisation, die der Musik der Heimat zugleich die Projektionsfläche für Widerstand einer ersehnten fremden Kultur abgab, ein Paradigma von Pop insgesamt, kam es zu diesen spezifischen Mischformen.
Österreichische Produktionen konnten musikalisch die internationalen nicht beeinflussen, wenige österreichische Produktionen wurden international erfolgreich. Falco , Opus sind Produkte der Majors, die älpische Techno-Nummer Edelweiss, technoide Produktionen der Bingo Boys (Klaus Biedermann) befinden sich mit einer den internationalen Markt aus dem bedroom studio anpeilenden Produktionsform im Übergang zu der aus der alternativen Selbstdistribution im World Wide Web weltweit erfolgreichen Wiener Electronic Music.
Allgemein ist der Markt österreichischer Produktionen der deutschen Sprache und des österreichischen Dialekts wegen neben der Heimat bloß der süddeutsche Raum.
Als Bindeglied zu den Stars der internationalen Szene gelten DoRo (Rudolf Dolezal, Hannes Rossacher), sie produzierten Stars und setzten diese ins Bild, internationale wie nationale. Das Know-How haben sie aus Jugendsendungen des Österreichischen Fernsehens mitgebracht, die Informationssendungen ebenso wie Distributionsorgan der heimischen Szene waren. Mit der Etablierung eigener Musiksender (meist Teil der wenigen großen Medienkonzerne) sind (2005) solche Sendungen aus den öffentlich rechtlichen Programmen verschwunden. Casting Shows des ORF (Starmania) geben vor, den Star zu suchen, sie bieten hingegen ein massenwirksames billiges Unterhaltungsprogramm, das gleichsam den jungen Mann, das Mädchen von nebenan auf die Bühne bringt – diese Nähe ist ein Spezfikum des Österreichischen Pop, was der Kleinheit des Landes und seiner Szene entspringen könnte; ob der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit bestimmen persönliche Beziehungen vor wirtschaftlichen Überlegungen die Ausbildung von Stars.
MGÖ 3 (1995); E. Larkey, Pungent Sounds. Constructing Identity with Popular Music in Austria 1993; G. Brödl (Hg.), Die guten Kräfte. Neue Rockmusik in Österreich 1982; Ph. Maurer, Danke, man lebt. Kritische Lieder aus Wien 1968–1983 , 1987; M. Huber, Hubert von Goisern und die Musikindustrie 2001; B. Halbscheffel/T. Kneif (Hg.), Sachlex. Rockmusik 1992.