Arena
Selbstverwaltetes Jugendzentrum auf dem ehemaligen Schlachthof St. Marx in
Wien. Rockideologie als Gegenhaltung impliziert Selbstgestaltung und damit Selbstverwaltung ihrer Träger. Diese macht aus einer letztlich die Jugend kontrollierenden Kultur für die Jugend eine Jugendkultur. Kennzeichen dieser Wende ist der aus der intellektuellen Szene rund um die Liverpooler Kunstschule – mit Richard Hamilton europäische Wiege der Pop-Art – erwachsene Mersey-Beat. Mit der Übernahme des Managements (Brian Epstein), des Veranstaltungsorts
(Cavern Club), des Magazines (Mersey-Beat), später der Produktion
(Apple-Studios) lag das Rock-„Geschäft“ in den Händen jener Generation, für die Rock gemacht wurde. Die Industrie kommerzialisierte diesen ersten Vorstoß des Wir-Denkens in den frühen 1960er Jahren rasch. Gerade in den europäischen Zentren des Kapitalismus (Zürich) und an den politisch neuralgischen Punkten (Berlin) konterte die Jugend Anfang der 1970er Jahre. In hackerartiger Manier besetzte sie Örtlichkeiten und machte diese öffentlich. Dies war die Avantgarde jener Haltung, die mit allgemeiner Verfügbarkeit von Produktion und Distribution in der
digital culture gipfelt.
Die Premiere der Proletenpassion der Schmetterlinge im Rahmen der Wiener Festwochen 1976 im zum Abbruch freigegebenen Schlachthofgelände war der letzte Auslöser für die Besetzung am 26.6.1976. Die heutige A. (der angrenzende Inlandsschlachthof) ist das „Ersatzobjekt“ für das ursprünglich weitaus größere besetzte Objekt und wird seit 1977 in Selbstverwaltung vom Verein Forum Wien A., betrieben. Ein sozialistisches Verständnis von Eigentum und Öffentlichkeit prägte diese alternative Szene von Beginn an, Erfahrungen daraus sind in den Widerstand gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf/NÖ und die Überflutung der Hainburger Auen eingegangen. Die A. ist der Modellfall der alternativen Szene aus „vibrierenden Plateaus“.
Nachdem mit der Gründung eigener Studios die eigenen Produktionsmittel den Beginn des Austro-Pop markieren, ist mit der Übernahme der Veranstaltungsszene mit der Besetzung des alten Auslandsschlachthofes und der Gründung der selbstverwalteten A. der Griff auf die Selbstverwaltung der Distributionsmittel getan – zu einem Zeitpunkt, zu dem der britische Punk bereits die mächtigsten elektronischen Distributions-Medien „eroberte“ und die mediale Struktur des Rock-Geschäfts im Medien-Projekt „The great R 'n' R – Swindle“ (M. MacLaren 1977) dekonstruierte.
Die A. heute ist soziales Netzwerk alternativer Kultur und Veranstaltungsort mit fünf Bühnen und erlaubt „randige“ Kleinkunst, politische Rockperformance (Drahdiwaberl) ebenso wie die Huldigung der alten Pioniere des Rock. Ihr starkes Rock 'n' Roll-Profil und die Selbsttradierung desselben lassen die Techno- und Rave-Scene zunehmend in neue Orte abwandern – durch „Besetzung“ ihrer Ikonen der technoiden Kultur in den Gasometer-Raves.
G. Deleuze/F. Guattari, Tausend PlateausGilles Deleuze/Félix Guattari/Günther Rösch (Hg.), Tausend Plateaus (Kapitalismus und Schizophrenie 2). Berlin 1992. 1992; J. Heiser in spex Dezember 1997; E. Larkey, Pungent SoundsEdward Larkey, Pungent Sounds. Constructing Identity with Popular Music in Austria. New York 1993. 1993; V. Kövari, Die „A.“,Verena Kövari, Die "Arena": Alternativkultur im Wien der 1970er Jahre. Diplomarbeit Wien 1997. Dipl.arb. Wien 1997; 20 Jahre A. (Fernsehsendung auf 3sat vom 8.7.1996; Videokassette) 1996.
18.2.2002
Werner Jauk,
Art. „Arena“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
18.2.2002, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001f73f
Dieser Text wird unter der Lizenz
CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.