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St. Augustin (Wien)
Kirche im ersten Wiener Gemeindebezirk, unweit der Hofburg gelegen, ehemalige Hofpfarrkirche der Habsburger (neben St. Michael). Gestiftet von Kg. Friedrich dem Schönen, erbaut ab 1330, 1349 geweiht, seit 1634 Hofpfarrkirche. 1767 wurde die Hauptfassade von einem Flügel der Hofbibliothek verbaut. 1784 Regotisierung der Innenausstattung und Abtragung der 1627 errichteten Loreto-Kapelle in der Kirche, die nach großem Protest der Bevölkerung jedoch 1785 als Seitenkapelle an der Südfront neu errichtet wurde. Der Kirchturm aus dem 17. Jh. beherbergt zwei historische Glocken, angefertigt von Johann Caspar Hofbauer 1826 und von Ignaz Hilzer 1851. 1784 Stadtpfarrkirche, 1838–1951 betreut durch Weltpriester, seither wieder Ordenskirche der Augustiner-Eremiten wie von der Gründung bis 1838. Zentraler Wirkungsort von Abraham a Sancta Clara (1644–1709).

1686 gab es an der Kirche keinen eigenen Kirchenchor und kein eigenes Orchester, noch 1751 spielten bei Bedarf die Hoftrompeter in der Kirche. Hier betätigten sich auch Mitglieder der kaiserlichen Familie selbst in der Kirchenmusik (1762 Aufführung einer Lauretanischen Litanei von J. A. Hasse in der Loreto-Kapelle – sie hatte eigene Musikemporen – ausschließlich durch Mitglieder des Kaiserhauses, mit Maria Theresia an der Spitze). Bis 1783 war der kirchenmusikalische Dienst an St. A. sehr gut bezahlt, auch von Bruderschaften gab es entsprechende Zuwendungen. Die Sängerknaben kamen zu dieser Zeit aus dem nahen Dorotheerstift, das Orchester bestand aus 15 Musikern. In der Folgezeit kam es zu einem Niedergang der Kirchenmusik, sodass zur Verbesserung der Kirchenmusikaufführungen an St. A. 1819 von F. X. Gebauer die Concerts spirituels als „Übungskonzerte“ ins Leben gerufen wurden. Am 3.4.1827 gelangte W. A. Mozarts Requiem im Gedenken an L. v. Beethoven in St. A. zur Aufführung. Am 2.2.1864 sang der Wiener Schubertbund im Rahmen seines ersten öffentlichen Auftritts Fr. Schuberts Deutsche Messe (D 872) in der Kirche. Unter L. Eder erlebte die Kirchenmusik an St. A. eine besondere Blütezeit, die Hochämter wurden zu einem gesellschaftlichen Anziehungspunkt ersten Rangs. Durch die Nähe zur Hofkapelle und zur Oper konnte Eder auf hervorragende Musiker und Sänger/innen zurückgreifen. 1889 wurde die Emporenbrüstung um ein schmiedeeisernes Gitter erhöht, um die Sängerinnen „vor den neugierigen Blicken zu schützen“. Das Repertoire setzte sich zu dieser Zeit v. a. aus Werken der Wiener Klassiker und der Wiener nachklassischen Komponisten zusammen, aber auch Stücke von zeitgenössischen Klein- und Kleinstmeistern, zum Teil von sehr zweifelhaftem Wert, fanden sich auf den Programmen. F. J. Zierer widmete Eder mehrere Werke, die unter seiner Leitung an St. A. zur Aufführung gelangten. Ab 1912 wurden Introitus und Communio in St. A. im Choral gesungen. In der Zwischenkriegszeit gelang es, die Kirchenmusiktradition der Monarchie-Zeit fortzusetzen, die Messbesucher trugen durch Spenden entscheidend dazu bei. Bedingt durch die schwere Beschädigung der Kirche 1945, wurden die Messen in einer Art Notkapelle im Augustinus-Saal des Klosters gehalten, wo man bereits ab 1947 auch Hochämter sang. 1950 konnte man wieder in die Kirche übersiedeln, seit 1953 gelangen wöchentlich Hochämter zur Aufführung. Gleichzeitig begann K. Kutils Tätigkeit als Jugendchorleiter an St. A. Das Musikarchiv der Kirche reicht bis in die Mitte des 18. Jh.s zurück, auch komponierende Ordensangehörige sind nachweisbar. Vorhanden sind u. a. frühe Abschriften (ca. 1800) von Messen J. Haydns, zum Teil in recht interessanten Bearbeitungen. Stark vertreten sind auch M. Haydn und C. Czerny. Einige Musikalien stammen aus dem Besitz von I. F. v. Mosel, u. a. Bearbeitungen von Werken G. F. Händels, die durch Schenkungen ins Archiv kamen. Zahlreiche Abschriften stammen von J. Doppler.

1583 errichtete K. Sturm eine Orgel auf der südlichen Seitenempore, die 1642 von J. Wöckherl um zwei Register erweitert wurde und an der Lothar Franz Walter 1725 Reparaturen vornahm. 1736 gab es eine Schwalbennest-Orgel an der nördlichen Chorwand, über deren Errichtung jedoch Nachrichten fehlen; zur selben Zeit ist auch ein Positiv in der Kirche nachweisbar. Auf der nördlichen Seitenempore (Loreto-Chor) kam es 1691 zu einem Orgelbau (I/P/6) durch J. U. Römer, der bereits ein Jahr später erneuert werden musste. 1728 errichtete hier dann G. Sonnholz eine neue Orgel (I/P/9), die 1785 von J. Výmola nach Trautmannsdorf/NÖ übertragen wurde. An ihrer Stelle erfolgte die Aufstellung der ursprünglich aus dem aufgelassenen Benediktinerkloster Maria von Monte Serrato stammenden Orgel (II/24, ca. 1730) von J. Henke aus der Schwarzspanierkirche (Wien IX) auf der neu errichteten Westempore. An diesem Instrument nahm J. Deutschmann 1820 umfangreiche Adaptionen vor; 1945 schwer beschädigt und 1953 abgetragen. Erst 1956 erfolgte die Aufstellung einer Hausorgel aus Privatbesitz, die durch F. Molzer d. J. eine Erweiterung erfuhr (II/14, elektro-pneumatisch). 1976 kam es zu einem Orgelneubau durch die Firma Rieger (IV/47) im historisch wertvollen Gehäuse der Henke-Orgel. 1985 folgte die Errichtung einer Chororgel (II/25) auf fahrbarem Podest durch die Gebrüder Reil aus den Niederlanden, die sich an den Orgelbauidealen des thüringischen bzw. sächsischen Raumes orientiert. Als Organisten wirkten in St. A. bis zum Ende des 19. Jh.s u. a. Jakob Errat (um 1783), F. Ružička, S. Sechter, A. Bruckner, J. Vockner, E. Seling. In neuerer Zeit versahen/versehen u. a. M. Haselböck, Michael Gailit (Hauptorganist bis 2008), Alfred Halbartschlager, E. Ullmann, Robert Kovács (2008/09 Hauptorganist, seit 2021 2. Titularorganist), Th. Schmögner, Ernst Wally, E. Eckerstorfer, J. Ebenbauer, Wolfgang Capek (seit 2009 Hauptorganist und 1. Titularorganist), Wolfgang Kogert, Elmo Cosentini und Peter Tiefengraber den Organistendienst.

Chorregenten waren bis zum Ende des 19. Jh.s Fe. Schmidt (spätestens ab 1729, bis 1756), Anton Carl (um 1783), F. X. Gebauer (1816–22?), F. Piringer (vor 1829), J. B. Schmiedel (vor 1849), C. Czerny, L. Rotter, J. G. Egger (spätestens 1855–69), L. Eder (1870–1902). Auf Eder folgten sein Sohn Ch. Eder (1903–44) und J. Schabaßer (1944–69). 1969–93 wirkte F. Wolf höchst erfolgreich als Chorregent, unter ihm wurden mehrere Schallplatten aufgenommen und zahlreiche Chorreisen organisiert; bei seinem Abgang folgte ihm der gesamte Chor, der die – von der Kirche unabhängige – Chorvereinigung St. A. gründete, die heute (2020) regelmäßig die Gottesdienste an der Jesuitenkirche (Wien I) gestaltet. An St. A. kam es unter Alois Glaßner (1993–2005) zu einem kompletten Neuaufbau des Chors, den seither die Kapellmeister M. Schmidt (2005–08), Robert Rieder (2008–14), Thomas Böttcher (2014–21) und P. Tiefengraber (seit 2021) leiten. Seit 2012 ist Gottfried Fragner als Substitut und Gastdirigent tätig, 2017-20 war Michael Schneider Leiter der Chorakad. Wie Th. Böttcher ist er auch er weiterhin Gastdirigent an St. A. 2008 übernahm F. Welser-Möst für einige Zeit die Schirmherrschaft über die Kirchenmusik an der Augustinerkirche.


Literatur
M. Jahn, Die Musikhss. des Pfarrarchivs St. A. in Wien 2009; [Fs.] Die neue Orgel zu St. A. in Wien 1976; O. Biba in Jb. f. österr. Kulturgesch. I/ 2 (1971); G. Lade, Orgeln in Wien 1990; K. Schütz, Der Wr. Orgelbau in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s 1969; E. Th. Fritz-Hilscher/H. Kretschmer (Hg.), Wien Musikgesch. [2] (2011); Ch. Fastl in M. Jahn/K. Petermayr (Hg.), Jb. des RISM-Österreich 2010, 2010; Eberstaller 1955; A. Weißenbäck/J. Pfundner, Tönendes Erz 1961; Czeike 1 (1992); SK 68/4 (2022), 288; www.hochamt.at (12/2021); www.chorvereinigung-augustin.at (12/2021); eigene Recherchen (u. a. SK).

Autor*innen
Christian Fastl
Letzte inhaltliche Änderung
7.12.2021
Empfohlene Zitierweise
Christian Fastl, Art. „St. Augustin (Wien)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 7.12.2021, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x002cf439
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x002cf439
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