Seit ca. 1600 dominierte im österreichischen Raum in engem Anschluss an Italien zur Benennung von Stücken mit Einleitungs- bzw. Intonationsfunktion sowie des daraus hervorgegangenen spiel- wie satztechnisch anspruchsvolleren Typus freier Claviermusik (Klaviermusik) der Terminus Toccata. Der Ausdruck P. (oder Praeambulum) erscheint bis zum späteren 18. Jh. dagegen nur mehr in einigen eng umgrenzten Zusammenhängen: Am ehesten konnte er sich für die kleinformatigen (meist aber ebenfalls als Toccata bezeichneten) Eröffnungssätze von Versettenzyklen halten (A. Poglietti, J. B. Peyer, G. Ch. Wagenseil, G. M. Monn, M. Haydn). Um die Mitte des 18. Jh.s begegnet vereinzelt die – entwicklungsgeschichtlich eng mit dem Versettenzyklus verbundene – Paarung von freier Einleitung und Fuge unter dem in Mitteldeutschland (insbesondere bei J. S. Bach) damals bereits fest etablierten Titel P. und Fuge (Monn, Wagenseil). Weiterhin werden unter französischem Einfluss gelegentlich aus Akkordbrechungen bestehende Einleitungsstücke von Lauten- oder Cembalosuiten als Prélude bezeichnet (F. I. Hinterleithner, J. de Saint Luc, Go. Muffat). Eine Besonderheit stellt schließlich die Verwendung des Begriffs für virtuose Sätze am Beginn einiger Sonaten und Suiten für eine bzw. zwei Violinen und b. c. von H. I. F. Biber dar. Wenngleich also als Werk- oder Satztitel in komponierter Musik weniger verbreitet, blieb der Ausdruck P. im allgemeinen Sprachgebrauch ganz im ursprünglichen Sinn für improvisatorische Hervorbringungen auf dem Clavier erhalten, die der Erprobung des Instruments, von dessen Stimmung und – in fließendem Übergang dazu – dem Anspielen einer Tonart dienten (vgl. Brief W. A. Mozarts, 20.7.1778). In diesen Kontext gehören auch die „modulierenden“ P.en Mozarts (KV 284a) und L. v. Beethovens (op. 39).
Die – auch im Bereich des liturgischen Orgelspiels fest verankerte – Praxis des Präludierens, die ungebrochene Versetten-Tradition und der ständig zunehmende Einfluss der Werke J. S. Bachs bildeten den Hintergrund für eine gegen Ende des 18. Jh.s einsetzende reiche Produktion von P.en im österreichischen Raum, die zu Beginn des 19. Jh.s durch den Aufstieg des bürgerlichen Klavierspiels und die Tendenz zum einsätzigen Klavierstück weitere Impulse erhielt. Das stilistische und satztechnische Spektrum dieser für Orgel und/oder Pianoforte bestimmten P.en (im Laufe des 19. Jh.s bürgerte sich zunehmend auch die eingedeutschte Bezeichnung Vorspiel ein; der Ausdruck Toccata war hingegen um 1750 gänzlich außer Gebrauch geraten) ist durchaus breit, gemeinsam ist vielen dieser Kompositionen eine didaktische Funktion und die Zusammenfassung in tonartlich organisierten Zyklen. Auf dem Gebiet des Orgel-P.s, das von ganz einfachen, kurzen Sätzen für die gottesdienstliche Verwendung in Nachfolge der Versetten zu etwas ambitionierteren und größer dimensionierten Kompositionen reicht, wurde bis weit in das 19. Jh. an einem älteren, insbesondere von J. G. Albrechtsberger repräsentierten Zustand festgehalten (Am. Rieder, S. Sechter, R. Führer). Eine Nähe zur Klavieretüde, eine Orientierung an Bachs Wohltemperiertem Clavier und das Bemühen um einen jeweils individuellen Charakter kennzeichnet die anfangs des 19. Jh.s gerade in Österreich in zahlreichen Sammlungen vorgelegten Klavier-P.en (F. Kalkbrenner, I. Moscheles, J. N. Hummel, A. Hüttenbrenner). Gegenüber dem P. als Einzelstück spielte das Satzpaar aus P. und Fuge in Österreich eine untergeordnete Rolle (Mozart KV 394, Albrechtsberger, Rieder, H. Rott), doch stammt von N. v. Krufft (1814) einer der frühesten an das Wohltemperierte Clavier angelehnten Zyklen von 24 P.en und Fugen durch alle Tonarten. Auf die anhaltende Bedeutung des frei-improvisatorischen „Präludierens“ auf der Orgel oder dem Klavier, das seinen Ort in der Liturgie, in der privaten Musiziersituation, aber auch im öffentlichen Konzert hatte, deuten einschlägige Lehrwerke hin (Rieder, C. Czerny).
In der Nachfolge Rich. Wagners wurde es seit dem späteren 19. Jh. gängig, die teilweise gewichtigen orchestralen Einleitungen von Opern, aber auch Operetten als Vorspiel zu bezeichnen (u. a. J. Bittner, W. Kienzl, A. v. Zemlinsky, F. Schreker, M. Brand; F. Lehár, O. Straus, C. M. Ziehrer). Ab ca. 1900 etablierte sich zudem das selbständige, oft für repräsentative Anlässe gedachte (und dementsprechend als „festlich“ oder „sinfonisch“ betitelte) Orchester-P. (z. B. R. Strauss, E. Wellesz). Als Eröffnung eines mehrsätzigen Werks wurde das P. im 20. Jh. besonders in der Suite, einer zumal im Kontext des Neoklassizismus (Klassizismus) intensiv gepflegten Gattung, herangezogen. Alle P.en von Angehörigen der Wiener Schule sind Teil von Suiten oder von am Modell der Suite orientierten Zyklen (A. Schönberg op. 25, op. 44; Alban Berg, op. 6, Wozzeck). Einen festen Platz behielt das P. in der Orgelmusik, wobei neben dem (zum liturgischen Gebrauch oder als Konzertstück gedachten) Einzelwerk (u. a. J. Lechthaler, C. Bresgen, J. F. Doppelbauer, G. Lampersberg, Th. D. Schlee) v. a. die „große“ zweiteilige Form aus P. und Fuge an Bedeutung gewann (Fr. Schmidt, Lechthaler, W. Pach, J. N. David, A. Heiller, Th. Ch. David). Neben dem nicht ganz so häufigen Rückgriff auf das gleichwohl eng mit bestimmten historischen Vorbildern (insbesondere Bach, F. Chopin und Claude Debussy) verbundene Klavier-P. (u. a. bei H. Gál, H. Kann, G. Kahowez) werden in der avancierten Produktion die Begriffe P., Prélude, Préambule etc. gelegentlich auch für je individuell konzipierte und durchaus verschieden besetzte Werke herangezogen (G. Rühm, A. Peschek, Ch. Cech, K. Essl).
NGrove D 19 (2001) [Prelude]; MGG 7 (1997); HmT [Praeambulum, praeludium/Prélude, Vorspiel] 2002; F. W. Riedel, Quellenkundliche Beiträge zur Gesch. der Musik für Tasteninstrumente in der 2. Hälfte des 17. Jh.s (vornehmlich in Deutschland) 1959, 21990; M. Kugler, Die Musik für Tasteninstrumente im 15. und 16. Jh. 1975; J. Dehmel, Toccata und P. in der Orgelmusik von Merulo bis Bach 1989; A. Edler, Gattungen der Musik für Tasteninstrumente 1 (1997), 2 (2003).