Nach Bülows Entlassung übernahm St. ab Jänner 1886 dessen Posten als Hofmusikdirektor in Meiningen, wechselte allerdings bereits 1886 als 3. Kapellmeister an die Münchner Hofoper. Dort erwarb er sich bis Juli 1889 die nötige Routine als Dirigent. Die Symphonische Dichtung Aus Italien op. 16, Frucht einer Italien-Reise vor seinem Antritt in München, zeigt St. erstmals konsequent von der neuen „poetischen“ Seite, wiewohl bereits in den Liedern op. 10 von 1885 „eigentlich schon der ganze St. enthalten“ ist (H. Bischoff, Das deutsche Lied, 93).
Wiederum durch Bülow gefördert, ging St. von August (Antritt im September) 1889–94 als Großherzoglich-Sächsischer Kapellmeister nach Weimar/D, eine Stellung, die er mit Eifer anging, die sich aber als immer beschwerlicher erwies. Während des Winters 1892/93 musste er sich auf einer mehrmonatigen Reise nach Italien, Griechenland und Ägypten von einer Rippenfellentzündung erholen und begann bereits einen Weggang nach München ins Auge zu fassen. St. hatte nach Weimar seinen Kompositionsschüler Hermann Bischoff (1868–1936) als Assistenten mitgenommen. Die aus Ingolstadt/D stammende Sopranistin P. de Ahna, die er in München unterrichtet hatte, sollte am 10.9.1894 seine Frau werden, am 12.4.1897 wurde der Sohn Franz († 1980) geboren. Die Weimarer Jahre waren gekennzeichnet von einer Auseinandersetzung mit Wagnerschen Opern. Mit Guntram op. 25, einem unter dem Einfluss A. Ritters entstandenen, „Wagnerianisch“ geprägten Werk, konnte St. zum Ende seines Weimarer Engagements mit Pauline in der weiblichen Hauptpartie der Freihild seine erste Oper zur UA bringen (10.5.1894).
Seine neue Stellung an der Münchner Hofoper begann St. am 1.10.1894 als 2. Hofkapellmeister neben H. Levi, nach dessen Ausscheiden rückte er zum ersten Hofkapellmeister auf (6.10.1896). Zusätzlich hatte St. 1894/95 die Leitung der Musikalischen Akademie inne; er gab im April 1895 ein Gastkonzert mit dem Hoforchester in Wien und übernahm nach dem Tod H. v. Bülows im Winter 1894/95 auch noch die Leitung der Konzerte des Philharmonischen Orchesters in Berlin. In München dirigierte er v. a. Werke von Wagner und Mozart, letztere herausragend innerhalb eines Mozart-Zyklus 1895–98 im Cuvilliés-Theater. Endgültig an die Spitze des deutschen Musiklebens setzte sich St. mit Antritt seines nächsten Postens zum 1.11.1898 als 1. Preußischer Kapellmeister an der Berliner Hofoper und blieb dort für die nächsten 20 Jahre, ab 1908, mit zusätzlicher Leitung der Sinfonie-Konzerte der Berliner Hofkapelle, als Generalmusikdirektor. Zu diesem Zeitpunkt lag nicht nur ein umfangreiches Liedschaffen (bis op. 39) vor, St. hatte auch nahezu alle seine Symphonischen Dichtungen komponiert. In der „monographischen Skizze“ Gustav Brechers heißt es 1899/1900: „In verhältnismäßig ganz kurzer Zeit, innerhalb kaum acht Jahren, ist der Name R. St. zur Berühmtheit gelangt. Seit den letzten Bülowschen Ruhmestagen in der Berliner Philharmonie und seit der ersten Aufführung von ‘Tod und Verklärung’ im Leipziger Lisztverein (1891) haben sich die Aufführungen St.scher Werke in immer reicherem Maße gemehrt, und jetzt – neiden sich die Dirigenten die EA.en seiner Schöpfungen“ (G. Brecher, R. St.).
Die Rechtsreformen in Deutschland brachten es mit sich, dass St. während der ersten Berliner Jahre auch intensiv für Fragen des Urheberrechtes eintrat: 1898 war er Gründungsmitglied der Genossenschaft Deutscher Komponisten (seit 1903 Genossenschaft Deutscher Tonsetzer) und 1901–09 stand er als 1. Vorsitzender dem Allgemeinen Deutschen Musikverein vor. Mit zunehmendem Erfolg als Komponist begann St. seine dirigentischen Verpflichtungen zu mindern und auf die Leitung hauptsächlich eigener Werke einzuschränken. Seine Urlaubszeiten in Berlin weiteten sich aus und ab 1912 war er nur mehr als fester Gastdirigent dort; statt dessen ging St. verstärkt auf Gastspielreisen durch ganz Europa und auch Amerika (UA der Sinfonia Domestica in New York am 21.3.1904), oft mit Pauline als Solistin in eigenen Liedern. Zur Eröffnung des Wiener Konzerthauses am 19.10.1913 entstand das Festliche Präludium op. 61.
Nach dem Zusammenbruch des Deutschen Kaiserreichs zwangen die ungewissen Verhältnisse St. 1918/19 interimistisch zur Leitung der Berliner Oper, bevor er im Dezember 1919 letztmalig eine neue Stellung antrat: Zusammen mit F. Schalk übernahm St. die Direktion der Wiener Staatsoper (1910 war er bei Elektra erstmals am Pult der Wiener Hofoper gestanden). Allerdings machte Kompetenzgerangel die Zusammenarbeit alsbald schwierig, sodass St. 1924 demissionierte; eine angebotene Beraterfunktion für das österreichische Unterrichtsministerium lehnte er ab. St. wohnte aber wechselweise in seinem Garmischer „Landhaus“, welches seit 1908 für ihn zum Refugium geworden war, und in Wien, wo er sich auf einem Grundstück in der Jacquingasse (Wien III) vom Architekten Michael Rosenauer eine Villa hatte bauen lassen. Während seiner Wiener Amtszeit hatte St. drei Reisen nach Nord- und Südamerika unternommen, davon die zwei Südamerika-Tourneen 1920 und 1923 mit den Wiener Philharmonikern (mit denen er 1906 in Salzburg zum ersten Mal zusammengearbeitet hatte).
Seit der Berliner Zeit stand für St. ganz das Opernschaffen im Zentrum. Fünf seiner insgesamt 15 großen Bühnenwerke entstanden während der Berliner Jahre, angefangen mit Feuersnot 1900/01. Mit diesem Werk, durch E. v. Schuch für das Königliche Opernhaus in Dresden/D zur UA angenommen, begann eine Tradition von Dresdner St.-UA.en, die nach Schuchs Tod 1914 von Fritz Busch (1890–1951, ab 1924), dann von K. Böhm (ab 1935) weitergeführt wurde (1933 leitete C. Krauss die UA von Arabella); neun Opern, als letztes 1938 Daphne, erklangen dort zum ersten Mal. Der internationale Durchbruch als Opernkomponist gelang St. 1905 mit Salome (UA Dresden). Mit Elektra (UA Dresden 1908) vertonte St. seit 1906 erstmals einen Text H. v. Hofmannsthals, welcher 1900 Kontakt zu ihm aufgenommen hatte und unverzichtbar werden sollte. In einer auf Grund erheblicher Charakterunterschiede nicht immer reibungsfreien Zusammenarbeit schrieb Hofmannsthal die Libretti zu Der Rosenkavalier (UA Dresden 1911), Ariadne auf Naxos (UA Stuttgart 1912), Die Frau ohne Schatten (UA Wien 1919), Die ägyptische Helena (UA Dresden 1928) und Arabella (UA Dresden 1933); nur für Intermezzo (UA Dresden 1924) griff St. selbst zur Feder. Nach dem plötzlichen Tod Hofmannsthals 1929 begann für St. eine ständige Suche nach dem passenden Dichter. In St. Zweig, dessen Text zu Die schweigsame Frau ihm als „der beste Text einer komischen Oper, der seit dem Figaro geschrieben ist“ (R. St. an J. Franze, 1.4.1947, Der Strom der Töne trug mich fort) erschien, war dieses Problem zunächst gelöst, doch wurde durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten eine weitere Zusammenarbeit mit St. für Zweig unmöglich. Schon die UA der Schweigsamen Frau (Dresden 24.6.1935 durch K. Böhm) sorgte für so viel Wirbel, dass St. im Juli 1935 von der Präsidentschaft der Reichsmusikkammer, die er seit November 1933 innehatte, zurücktreten musste. Für die Texte der anschließenden drei Opern Friedenstag (UA München 1938), Daphne (UA Dresden 1938) und Die Liebe der Danae (UA Salzburg 1952) verfasste nun, von Zweig vermittelt, der Wiener Theaterhistoriker J. Gregor die Worte; in keinem Fall gestaltete sich die dichterische Leistung aber als künstlerisch befriedigend, obwohl die ersten beiden Texte noch unter der Mitwirkung Zweigs entstanden waren. Für sein letztes Bühnenwerk Capriccio (UA München 1942), zu dem Gregor ihm vorher sieben undurchführbare Entwürfe geliefert hatte, wurde St. daher erneut selbst zum Textdichter, wobei ihm der Wiener Dirigent C. Krauss, damals Generalmusikdirektor in München, als Mitautor zur Seite stand.
Seit den 1920er Jahren hatte sich St.’ Verhältnis zu Österreich durch seinen Wohnsitz in Wien, die künstlerischen Persönlichkeiten, mit denen er zusammenarbeitete und die Mitbegrüdung der Salzburger Festspiele , wo er 1922 zum ersten Mal dirigierte und 1926 mit Ariadne erstmals eine St.-Oper erklang (s. Abb.), immer enger gestaltet. Anlässlich seines 60. Geburtstags 1924 verliehen ihm die Städte Wien und Salzburg die Ehrenbürgerschaft. Während des Krieges bot Wien – dessen „Statthalter“ Baldur von Schirach St. zugetan war – St.’ geliebter jüdischer Schwiegertochter Alice relative Sicherheit. Und während man in Deutschland 1944 St.’ 80. Geburtstag mehr oder weniger überging, bereiteten ihm die Stadt Wien und die Wiener Philharmoniker eine würdige Feier. Exemplarisch für das enge Verhältnis können kleinere Kompositionen von 1942/43 stehen: Lieder nach Josef Weinheber (Sankt Michael und Blick vom oberen Belvedere); das 2. Hornkonzert Es-Dur, uraufgeführt bei den Salzburger Festspielen am 11.8.1943 durch G. v. Freiberg und K. Böhm; Die Donau, Symphonische Dichtung für großes Orchester, Chor und Orgel (Fragment); Festmusik der Stadt Wien für Blechblasinstrumente und Pauken; Wiener Fanfare für Blechblasinstrumente und Pauken. Schließlich wurde St. am 31.1.1947 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen: mehr als eine Geste, denn kurz zuvor war in Deutschland das Spruchkammerverfahren gegen ihn eröffnet worden (im Juni 1948, zu St.’ 84. Geburtstag, eingestellt).
Die Nachkriegszeit verbrachte St. mit Pauline auf Grund der schlechten Versorgungslage seit Oktober 1945 in der Schweiz, wo sich aber sein Gesundheitszustand zu verschlechtern begann. Seine letzten Kompositionen tragen teils Bekenntnischarakter, wie die Metamorphosen o. op. 142 (1945) oder die Vier letzten Lieder o. op. 150 (1948), teils sind sie „Handgelenksübungen“, wie die Zweite Sonatine Es-Dur für 16 Blasinstrumente „Fröhliche Werkstatt“ o. op. 143, das Oboenkonzert D-Dur o. op. 144 oder das Duett-Concertino F-Dur o. op. 147. Eine letzte Auslandsreise führte St. im Oktober 1947 auf Einladung von Sir Thomas Beecham nach London. Im Mai 1949 kehrte St. aus der Schweiz nach Garmisch heim und nahm im Juni an den Münchner Feierlichkeiten zu seinem 85. Geburtstag teil.
Denkmal im R.-St.-Hof (Wien III); R.-St.-Straße (Wien XXIII; Salzburg); R.-St.-Gasse (Graz XIV); R. St.-Weg (Bad Gastein/Sb; Zell am See/Sb).
Ehrenbürger v. Wien, Salzburg u. München 1924; Ehrenmitglied der GdM 1916, der Salzburger Festspielgemeinde 1922, der Wr. Philharmoniker 1923, der AKM 1949; Orden „Pour le Mérite“ 1924; Ehrendoktorate Heidelberg/D 1903, Oxford/GB 1914, München 1949; Großes Ehrenzeichen der Republik Österreich 1931; Büste in der Wr. Staatsoper.
15 Opern; Symphonische Dichtungen (Aus Italien [UA 1887], Macbeth [UA 1890], Don Juan [UA 1889, s. Tbsp.], Tod und Verklärung [UA 1890], Till Eulenspiegels lustige Streiche [UA 1895], Also sprach Zarathustra [UA 1896], Don Quixote [UA 1898], Ein Heldenleben [UA 1899], Sinfonia Domestica [UA 1904], Eine Alpensinfonie [UA 1915]; Ballette (Josephs Legende [UA 1914]; Schlagobers [UA 1924]); Lieder (s. Tbsp.), Männerchöre; Kammermusik, Klavierwerke. – WV: E. Müller v. Asow, R. St. Thematisches Verzeichnis, 3 Bde. 1959–66; F. Trenner, R. St. WV 1993. – R.-St.-Ed. Sämtliche Bühnenwerke, Bd. 1–18 (1996); R.-St.-Ed. Orchesterwerke, Bd. 19–30 (1999); R. St.: Lieder. GA, g. v. F. Trenner, Bd. 1–4 (1964/65).
W. Schuh (Hg.), R. St. Betrachtungen u. Erinnerungen , erw. Ausg. 1957 (ND 1989); F. Grasberger (Hg.), Der Strom der Töne trug mich fort. Die Welt um R. St. in Briefen 1967; Briefwechsel mit St. Zweig (Hg. W. Schuh 1957), H. v. Hofmannsthal (Hg. W. Schuh 51978), F. Schalk (Hg. G. Brosche 1983), C. Krauss (Hg. G. Brosche 1997), K. Böhm (Hg. M. Steiger 1999), B. Walter u. H. Knappertsbusch (Hg. M. Reger 2004). – [Kat.] R.-St.-Ausstellung zum 100. Geburtstag, bearb. v. F. Grasberger/F. Hadamowsky 1964; W. Schuh, R. St. Jugend u. frühe Meisterjahre. Lebenschronik 1964–1898 , 1976; K. Wilhelm, R. St. persönlich 1984; F. Trenner (Hg.), R. St. Chronik zu Leben u. Werk, 2003; [Kat.] R. St.: Autographen, Porträts, Bühnenbilder. München 1999 , 1999; G. Brosche/K. Dachs (Hg.), R. St. Autographen in München und Wien. Verzeichnis 1979; G. Brecher, R. St. 1900; H. Bischoff, Das Dt. Lied. Die Musik, hg. v. R. St. 16/17 (1905); M. Reger/Ch. Berktold, Die Slg. Hermann Bischoff (1868–1936). Dokumente zum Münchener Kulturleben der Jahrhundertwende [2002]; K. Wilhelm, Fürs Wort brauche ich Hilfe. Die Geburt der Oper „Capriccio“ von R. St. u. Clemens Krauss 1988; NGroveD 24 (2001); Czeike 5 (1997); G. E. Schmidt, Ehrenzeichen und Orden im Österreich der Zwischenkriegszeit 1918–1938, 1994; MGÖ 3 (1995); A. Gutmann, Aus dem Wiener Musikleben 1914. – Reihen: Internationale R.-St.-Gesellschaft. Mitt. Nr. 1–63 (1952–69); R.-St.-Bll., hg. v. der Internationalen R.-St.-Ges., Nr. 1–12 (1971–78), N. F., H. 1ff (1979ff); R. St. Jb., g. v. W. Schuh, 1954, 1959/60; Veröff. der R.-St.-Ges., hg. v. F. Trenner 1–18 (1977–2004).