Die Geschichte der P. setzt in Deutschland, England und Frankreich im frühen 18. Jh. nahezu gleichzeitig ein. Österreich war nicht wesentlich daran beteiligt; die stärksten Parallelen bestehen zu Deutschland. Die ersten bekannten P.en entstanden hier im Zusammenhang mit tonmalerischer Instrumentalmusik in öffentlichen Konzerten (Christoph Raupach, Stralsund 1710; L. Mozart Musikübende Gesellschaft, Augsburg 1756). Diese Art der Konzerterläuterung hat hinsichtlich ihrer Entwicklung und der Art des Sprechens über Musik eine eigene Geschichte. Die Autoren schildern meist das der Musik zugrunde liegende Sujet. Beispiele belegen, dass tonmalerische Musik (Programmmusik) offensichtlich sogar in höherem Maß für erläuterungsbedürftig gehalten wurde als nicht-programmatische. Daher taucht diese Art der Einführung häufiger und unabhängig von bestimmten konzert- bzw. ideengeschichtlichen Bedingungen auf. Inhaltlich und formal erinnern die P.en an die zeitgenössischen Theaterzettel. Diese enthielten schon ab ca. 1650 eine nach Szenen gegliederte Inhaltsangabe der Stücke (Argument oder Avertissement). Sie hatten die Funktion, dem Publikum eine erste Orientierung für das Verständnis des Ganzen zu geben. J. N. Forkel (Akademische Winter-Concerte, Göttingen 1779–1815) und J. F. Reichardt (Concerts spirituels, Berlin 1783/84) verfolgten hingegen mit ihrer Art von Programmgestaltung und P. einen erzieherischen Anspruch. Die P. ist also ein Kind der Aufklärung. Sie taucht zuerst im öffentlichen Konzert mit Bildungsanspruch (Forkel) auf, das sich zu historischen Konzerten entwickelte (Reichardt). Mithilfe eines wohl durchdachten und einheitlichen Programms sollte durch Musik und mithilfe der kontinuierlichen Erläuterung zur Musik erzogen werden. Ziel war die Ausbildung des „Liebhabers“ zum „Kenner“.
Auch in Österreich entstanden die frühesten P.en in Zusammenhang mit tonmalerischer und Programm-Musik. So brachte die Wiener Zeitung vom 17.2.1787 die detaillierte Beschreibung einer „Instrumental-Battaille“ (Battaglia) von Kapellmeister Johann Friedrich Klöffler, die am 24.2.1787 im Kärntnertortheater in Wien aufgeführt wurde; 1796 erhielt das Publikum des Burgtheaters einen Kommentar zu dem Stück „Werther. Ein Roman, in Musik gesetzt von Pugnani, Musikaufseher des Königs von Sardinien“; auch bei Konzerten der Familie Bohdanowitsch (1802) und von Abbé G. J. Vogler (1806) sowie bei der pianistischen Wiedergabe von Teilen der Pastoralsymphonie L. v. Beethovens und der Berlioz’schen Symphonie fantastique durch F. Liszt in Wien (1838/39) fand sich die Beschreibung des Sujets auf den Konzertzetteln. Letzteres entsprach dem Wunsch von Hector Berlioz, bei jeder Aufführung seiner Komposition eine von ihm verfasste Programmerläuterung beizugeben. Auch Institutionen wie die Wiener Philharmoniker folgten ihm 1862 (dabei blieben die anderen Werke des Abends unerläutert).
Die belehrende Art der Konzerteinführung, die sich in Deutschland im öffentlichen Konzert mit Bildungsanspruch und im öffentlichen historischen Konzert Ende des 18. und Anfang des 19. Jh.s manifestiert hatte, tauchte in Österreich vergleichsweise spät auf. Am 23.3.1865 wurden in der Grazer Tagespost anlässlich einer Aufführung des Grazer akademischen Gesangvereins am 26.3. zwei antike griechische Chöre erläutert, während das übrige Programm wiederum unkommentiert blieb. 1868 veranstalteten L. A. Zellner in Wien sowie kurz darauf F. v. Hausegger und J. Buwa in Graz Historische Konzerte. In beiden Fällen stellte man dem Publikum Liedtexte, biographische Hinweise und musikalisch-historische Erläuterungen zur Verfügung. Das nahm die Grazer Pianistin und Klavierpädagogin Marie Tunner (1844–70) zum Vorbild, als sie ihren chronologisch aufgebauten Klavierabend (1870) in einem „Handprogramm“ erläuterte. 1871 organisierte J. Promberger in Wien ein Historisches Concert, zu dem Gesangstexte, historisch-biographische Notizen (Biographie, Gattungsgeschichte, stilistische Anmerkungen) und einUeberblick der Musikgeschichte verkauft wurden.
Das verspätete Auftreten von P.en in Österreich hängt wohl mit der erst in den 1770/80er Jahren einsetzenden Entwicklung des Konzertlebens und der noch späteren des historischen Konzerts zusammen. Mit ein Grund dafür mag aber auch die Tatsache sein, dass die Pflege der „Musik der Alten“ (Alte Musik) nie ganz abriss, daher Anfang des 19. Jh.s keiner Wiedererweckung bedurfte und vielleicht nicht in gleichem Maße als erläuterungsbedürftig empfunden wurde. (1862 kommt E. Hanslick in einem Feuilleton „Musikalisches aus London“ auf die dort regelmäßig erscheinenden Erläuterungen zu den Konzertprogrammen zu sprechen und meint, dass der Deutsche dieser Art der „Führerschaft“ nicht bedürfe.) Außerdem blieb das kurzweilige Konzert mit bunter Programmabfolge noch längere Zeit die Regel; der Gedanke, dass ein Konzert auch bilden konnte, setzte sich im 19. Jh. nur zögernd durch. In besonderer Weise und betont im Sinne von Publikumserziehung wurde die P. nur durch die hier ab 1872 tätigen Richard-Wagner-Vereine gepflegt (Wiener Akademischer Wagner-Verein). Ansonsten erschienen P.en v. a. zu EA.en als singuläre Artikel, die vermutlich weniger eine allgemeine Erziehung des Publikums zur Musik, als das Verständnis für das noch unbekannte Einzelwerk im Auge hatten (z. B. 1847 zur Wiener EA des Elias von Felix Mendelssohn Bartholdy in der Beilage zu den Sonntagsblättern des Wiener Boten durch E. Hanslick).
Bis zum Ende des 19. Jh.s ging das Erscheinen von P.en auch in Österreich auf Einzelinitiativen zurück. Die meisten Erläuterungen standen in Zusammenhang mit öffentlichen Veranstaltungen, die Merkmale von historischen Concerten trugen, mit Programmmusik oder mit EA.en. Eine Zunahme von Initiativen und schließlich die Etablierung von P.en in den wichtigsten Konzertinstitutionen ist hier erst ab den 1880/90er Jahren feststellbar. Eine besonders wichtige und für mehrere Institutionen tätige Persönlichkeit war in dieser Hinsicht R. Hirschfeld (1883/84 Nutzung seiner musikästhetischen Vorlesungen am Konservatorium der GdM auch zu Konzerteinführungen; 1884–91 verbale Erläuterungen zu seinen „Renaissance-Abenden“). Ab 1884 wurden bei den „Gesellschafts-Concerten“ der Gesellschaft der Musikfreunde erstmals den Programmzetteln kurze Bemerkungen beigefügt. Der Autor bzw. Initiator blieb ungenannt, doch könnte auch dahinter Hirschfeld gestanden sein. Ab 1889 initiierte und kommentierte er die „Volksconcerte“ des Wiener Volksbildungsvereins. In diesem Fall hing die Einführung des Konzertkommentars nicht nur mit der Absicht von Bildung, sondern auch der Einschätzung dieses Publikums als musikalisch weniger vorgebildet zusammen. (Das erklärt auch, warum in Konzertreihen wie den „Philharmonischen Concerten“ die P. erst spät Fuß gefasst hat.) 1893 übernahm Hirschfeld die Herausgabe der Programmbücher der Wiener Philharmoniker. Finanzielle Verluste durch das Ausbleiben des Publikums und die Situation in Deutschland und England, wo die P. im Konzertleben bereits besser etabliert war, scheinen anregend gewirkt zu haben. Zuvor waren die „Philharmonischen Concerte“, die immerhin seit 1842 existierten, nur in Zusammenhang mit programmatischen Werken und EA.en erläutert worden. Ab 1900 kommentierte er auch die Konzerte des Wiener Konzertvereins, der ebenfalls aus der Idee der Volksbildung hervorgegangen war. Hirschfelds Art des Sprechens über Musik zeigt deutlich die enge Verknüpfung des Kommentars mit den Rahmenbedingungen. Nach der Vermittlung von historischen Fakten folgt eine Detailanalyse des Werks. Hier wird der Aufbau der Komposition geschildert, indem Themen und Motive und deren Oberflächenstruktur (Dynamik, Klangfarbe etc.) herausgegriffen und ihr Erscheinen in Form einer Geschichte erzählt werden. Das sind Merkmale, die sich auch bei Hermann Kretzschmar (Führer durch den Concertsaal, ab 1888) und Wilhelm Langhans (Concerte der Berliner Philharmonischen Gesellschaft, 1888–95) finden. Knapper waren die Informationen zu den Arbeiter-Sinfoniekonzerten (1905–34) und anderen Schichten-spezifischen Initiativen (z. B. Populäre Jugend-Konzerte des Wiener Tonkünstlerorchesters [Wiener Symphoniker] ab 1910; deren reguläre Symphoniekonzerte wurden u. a. von Friedrich Karbach und R. Specht kommentiert).
Das Volkskonzert war trotz erniedrigter Eintrittspreise nicht für alle Volksschichten zugänglich. Die Arbeiterbildungsbewegung suchte durch Konzertgründungen diesem Umstand beizukommen. In diesem Zusammenhang stehen die in Wien von D. J. Bach und dem Wiener Konzertverein 1905–34 organisierten Arbeiter-Sinfoniekonzerte . Auch hier war der Aspekt der Erziehung durch Musik gegenwärtig. D. J. Bach vertrat die Idee der Hebung der musikalischen Bildung der Arbeiter auf ein bürgerliches Kulturniveau. Im Gegensatz zu den Kommentaren der regulären Konzerte des Konzertvereins, die umfangreiche Werkanalysen enthielten, beschränkte man sich „in der Regel auf knappe Bemerkungen, die eine Charakteristik des Komponisten, sofern er zum erstenmal in diesen Konzerten zur Aufführung gelangt, und des aufzuführenden Werkes enthalten.“ Wohl am Wiener Beispiel orientiert sind die vom Verein Arbeiterbühne Graz organisierten Meistervolkskonzerte (1921/22), deren Programme ebenfalls kommentiert wurden.
1902 stellte G. Mahler resignierend fest, dass er es „nunmehr endgültig aufgegeben [habe] zu kommentieren“. Durch Hinzufügung von Titeln zu seinen Symphonien habe er den Versuch gewagt, dem „Nichtmusiker einen Anhaltspunkt und Wegweiser für den Gedanken- oder vielmehr Stimmungsgehalt der einzelnen Sätze und für das Verhältnis derselben zueinander und zum Ganzen zu geben.“ Die daraus entstehenden „Mißdeutungen schlimmster Sorte“ ließen ihn von weiteren Erläuterungen Abstand nehmen.
Trotzdem wurde die P. wichtiger Bestandteil vorerst sog. „Sonderkonzerte für Neue Musik“, die sich zunächst abseits des herkömmlichen Musikbetriebs etablierten (z. B. Ansorge-Verein, Verein für musikalische Privataufführungen) schließlich zur allgemeinen Norm. Der 1903 gegründete Ansorge-Verein veranstaltete 1910 ein Schönberg-Kompositionskonzert. In einem „Vorwort“ ging A. Schönberg auf die Gurrelieder und die George-Lieder ein. Der kompositorische Wandel zwischen den beiden Werken erzeugte wohl in Schönberg das Bedürfnis nach Erläuterung. Schönbergs weitere kompositorische Entwicklung Richtung Zwölftonmethode führte zu Verständnislosigkeit und offener Ablehnung von Seiten des großen Publikums. Der Entfremdung suchte Schönberg mit verstärkter Hörerziehung zu begegnen. Der 1918 ausschließlich für das Publikum gegründete Verein für musikalische Privataufführungen stellte die Förderung des Verständnisses durch oftmalige Wiederholung der Werke und einführende Besprechungen in den Mittelpunkt. So erläuterte z. B. E. Wellesz am 21.2.1921 bei einem Debussy-Abend die letzten Werke dieses Meisters; Alban Berg hingegen verfasste einige Kommentare zu Schönbergs Werken, die anlässlich öffentlicher Konzerte entstanden sind (Gurrelieder-Führer, 1913; „Thementafel“ zur Kammersymphonie op. 9, 1914; Werkeinführung zu Pelleas et Melisande, 1920). In der 2. Hälfte des 20. Jh.s traten Beiträge der Komponisten und Komponistinnen selbst in den Vordergrund. Allerdings können (2004) diese oftmals auch anderen Charakter (von der Rechtfertigung bis zur Verschleierung, also abseits vom traditionellen Bildungsmoment) aufweisen.
Da sich die Geschichte der P. im Rahmen öffentlicher, idealiter jedermann zugänglicher Konzerte vollzog, rief die Anonymität des Publikums bei verschiedenen Autoren auch die Frage nach der Einschätzung von dessen musikalischer Vorbildung hervor, die neben dem Bildungsgedanken der jeweiligen Zeit maßgeblich an der Entstehung der P. beteiligt war. Abgesehen vom Zusammenhang mit tonmalerischer Musik hatte sie seit Beginn in jenen Konzerttypen ihren festen Platz, die das Publikum durch Musik und mit Hilfe der Erläuterung zur Musik erziehen wollten. Dahinter standen stets bestimmte ideengeschichtliche Voraussetzungen (z. B. Volksbildungsidee, Arbeiterbildungsbewegung). In Konzerten, die nicht in gleichem Maße erziehen wollten (z. B. Wiener Philharmoniker), gewann sie erst allmählich Raum. Die wichtigsten Anregungen waren aus England gekommen. Sowohl in Deutschland als auch in Österreich fällt außerdem eine gewisse Konzentrierung auf Orchesterkonzerte (Symphonien, Ouvertüren etc.) auf, sodann eine gewisse Verspätung zu kammermusikalischen Aufführungen oder Solistenkonzerten (Klavier-, Liederabend) und schließlich nahezu eine Aussparung von Solokonzerten mit Orchesterbegleitung. Das virtuose Element schien noch am Anfang des 20. Jh.s nicht in gleichem Maße erläuterungsbedürftig zu sein und für sich selbst zu sprechen.
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