Wiener Akademischer Wagner-Verein
Am 2.2.1873 behördlich genehmigter
Verein, der im Allgemeinen die Förderung der Reformbestrebungen
Rich. Wagners und im Speziellen die Aufführung von dessen
Ring des Nibelungen in Bayreuth/D im Auge hatte. Obwohl sich bereits 1871 ein
Wagner Verein in Wien konstituiert hatte (1876 aufgelöst), der im Prinzip dieselben Ziele verfolgte, kam es 1872 zu einem Gründungsaufruf für den
A. W.-V. (Gründungsversammlung am 10.11.1872) durch
K. Goldmark,
J. v. Herbeck,
O. Dessoff,
J. Hellmesberger d. Ä.,
G. Schönaich,
J. Standhartner und
J. Lewinsky. Die Vereinsmitglieder rekrutierten sich v. a. aus dem Bürgertum und der Studentenschaft, wobei einige Mitglieder auch in führenden Funktionen in der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien bzw. später in der
Wiener Konzerthausgesellschaft tätig waren. 1901 zählte man 227 ordentliche, 138 unterstützende und 20 Ehrenmitglieder. Zur Erreichung des Vereinszwecks wurden Konzerte (Bösendorfersaal, kleiner Musikvereinssaal), interne Musikabende und Vorträge veranstaltet, 1881 erfolgte die Gründung eines Vereinschors. Nach der erfolgreichen UA des gesamten
Rings (1876) erfolgte (1879) eine Neuorientierung des Vereins samt einer Statutenänderung, 1883 eine weitere Neugestaltung als Zweigverein des in Nürnberg/D gegründeten
Allgemeinen Richard Wagner Vereins. Vermehrt wurden nun auch die Werke
F. Liszts,
A. Bruckners (ab 1879) und
H. Wolfs (ab 1887/88) gepflegt, jedoch gelangten vereinzelt auch Kompositionen von
O. di Lasso und Giovanni Pierluigi da Palestrina sowie aus dem Barock und der
Wiener Klassik zur Aufführung. Ab 1898 finden sich weiters Namen wie
R. Strauss, Christian Sinding,
L. Thuille,
H. Pfitzner und
J. Marx auf den Konzertprogrammen. Der Verein konnte in den 1880er Jahren jährlich zwischen 1.100 und 1.600 fl zur Unterstützung nach Bayreuth senden, später waren es dann meist rund 1.000 fl. Ab 1884 organisierte man Fahrten zu den
Bayreuther Festspielen in Sonderzügen. Der
Wr. A. W.-V. wurde 1939 durch die
nationalsozialistischen Machthaber aufgelöst, sein Vermögen und Archiv ging an die
GdM. Als Nachfolgevereinigungen wurden 1951 der
Richard Wagner Verband und die
Österreichische Gesellschaft der Freunde von Bayreuth ins Leben gerufen, erstere besteht heute (2006) noch.
Als künstlerische Leiter des Wr. A. W.-V.s fungierten u. a. F. Mottl (1873–80), J. Paumgartner (1880/81), E. Schütt (1881–87), J. Schalk (ab 1887) und F. Foll (um 1902). Prominente Mitglieder des Vereins waren u. a. A. Bruckner (ab 1873, 1885 Ehrenmitglied), G. Mahler (1877–79), H. Rott (1875–79), G. Adler (1873–85) und L. Bösendorfer (Ehrenmitglied).
Weitere mit Wagner in Verbindung stehende Wiener Vereine des ausgehenden 19. Jh.s waren der Deutsch academische Verein Walhalla, der aus einer Abspaltung des Wr. A. W.-V.s hervorging, antisemitisch ausgerichtet war und bis 1902 bestand, sowie der Neue Richard Wagner-Verein, der 1890 ebenfalls als Zweigverein des Allgemeinen Richard Wagner Vereins gegründet wurde.
In Graz bestand 1873–76 und 1883–1938 der Grazer Richard Wagner-Verein, dessen Nachfolgevereinigung seit 1950 die Österreichische Richard-Wagner-Gesellschaft (seit 1961 Österreichische Richard-Wagner-Gesellschaft, Sitz Graz) ist. Seit 1995 besteht daneben das durch eine Abspaltung entstandene Wagner Forum Graz. Auch in Linz
(Richard Wagner Verband Linz-Oberösterreich),
Innsbruck bzw. Bozen; Richard Wagner Verband Innsbruck-Bozen) und Bregenz
(Richard Wagner Verband Bregenz-Vorarlberg e. V.) bestehen heute ähnliche Vereine.
H. Kowar in O. Wessely (Hg.), [Kgr.-Ber.] Bruckner Symposion 1984, Helmut Kowar, Vereine für die Neudeutschen in Wien, in: Othmar Wessely (Hg.), Bruckner, Wagner und die Neudeutschen in Österreich. Bruckner-Symposion im Rahmen des Internationalen Brucknerfestes Linz 1984, 20. – 23. September 1984. Linz 1986, 81–90.1986; [Fs.] 125 Jahre Richard Wagner-Verband Wien Richard-Wagner-Verband
(Hg.), 125 Jahre Richard Wagner-Verband Wien. Wien 1997.1997; F. Scheder, Anton Bruckner Chronologie. Registerbd.Franz Scheder, Anton Bruckner. Chronologie. Tutzing 1996. 1996; K. H. Vigl, Eduard SchüttKarl H. Vigl, Eduard Schütt. Meran und die Künstler. Musiker 1880–1940. Skizzen zur Spurensuche nach einem Verschollenen am Rande der Musikkulturlandschaften. Ein Nachtrag, hrsg. v. Josef Lanz. [Meran] [2004]. [2004], 23–27; A. Harrandt, Wagner u. seine Werke in Wien (1857–1883),Andrea Harrandt, Wagner und seine Werke in Wien (1857–1883). Ein Beitrag zur Wagner-Rezeption im 19. Jahrhundert. Diss. Wien 1985. Diss. Wien 1985; Czeike 5 (1997) [R. Wagner]; MGÖ 3 (1995); eigene Recherchen.
15.5.2006
Christian Fastl,
Art. „Wiener Akademischer Wagner-Verein“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2006, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e6bf
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