Aufgrund der damit verbundenen Möglichkeiten einer Ventilfunktion und von Kritik kann die Rolle von P.n für das österreichische Volkstheater seit dem frühen 18. Jh. (J. Stranitzky, J. F. v. Kurz, Ph. Hafner, J. Kringsteiner, A. Bäuerle, J. Nestroy, W. Müller, K. Meisl u. v. a. [z. B. des Letzteren Othellerl, der Mohr von Wien, 1823]), für die Wiener Operette (z. B. A. Müllers Die schwarze Frau nach François-Adrien Boieldieus Weiße Dame, 1826), das Wienerlied (z. B. ’s Herz von an echten Weana nach einem Walzer von J. Schrammel) und das Kabarett nicht überschätzt werden, selbst ihre Rolle für gewisse Eigenheiten jüngerer österreichischer Komponisten, die sich in Humor keineswegs erschöpfen (z. B. H. K. Grubers Frankenstein!! 1976/77, O. M. Zykans Staatsoperette, 1976/77, F. Cerhas Keintaten 1981–85).
Zur musikwissenschaftlichen Gattungsbestimmung war das Wort P. für die sog. P.-Messe (besonders 16. Jh., Messe) geworden, in der ein vollständiger mehrstimmiger Satz einer eigenen oder fremden Motette, eines Lieds o. ä. als Ausgangspunkt für alle Mess-Sätze (Zyklus) diente, aus der Umformung eines bereits vorliegenden Werks also ein neues wurde, das lediglich umfangreicher ist und grundsätzlich vergleichbare Seriosität besitzt (bei den vielen L’homme armé-Messen seit der 2. Hälfte des 15. Jh.s könnte man sogar von einem zweifachen P.-Vorgang sprechen). In der selbstverständlichsten Weise liegt Kontrafaktur z. B. bei der Wiederverwendung eigener Opern-Arien in neuen Werken oder in Pasticci verschiedener Autoren vor. Als P.n anzusehen sind, wenn z. B. J. Haydn eine eigene Opernarie für einen Abschnitt einer Mess-Komposition wieder verwendete (Benedictus der Mariazeller Messe, 1782, nach einer Arie ausIl mondo della luna, 1777), W. A. Mozart die Fragmente seiner c-Moll-Messe KV 417a=427 für die Kantate Davidde penitente KV 469 verwendete oder wenn aus Johann Heinrich Rolles Singspiel Abel eine Adventode gemacht wurde. Wenn sodann durch Fremde aus einzelnen Sätzen der Schöpfung von J. Haydn Messen zusammengestellt wurden (z. B. durch M. Pernsteiner, W. Wawra), sollte man wegen der obgenannten spezifischen Wortbedeutung nicht von P.-Messen sprechen (die dafür denkbare Alternative „Kontrafaktur“-Messe ist allerdings derzeit nicht gebräuchlich). Außerdem kann nicht jegliche Nachahmung von Vorbildern (z. B. die Ordnung von gleichartigen Sätzen nach Tonarten, wie J. S. Bachs Wohltemperiertes Klavier) oder gar nur Anlehnung an solche (z. B. Fugen mit Anspielungen der Themenköpfe an Namen, wie B-A-C-H, B-E-D-A etc.) als P. bezeichnet werden. Nicht selten sind auch Zitate parodistisch motiviert; eine noch größere Rolle spielt P. als inhaltliches (hier tatsächlich v. a. komisches, d. h. die Bedeutungsebene verlassendes) Ziel im Quodlibet. Sachlich durch P. nicht voll erfasst werden auch, vielmehr in die Nähe der Neuschöpfung mittels Variation führen schließlich Ableitungen, wie z. B. die des Kirchenlieds Christ ist erstanden aus der Sequenz Victimae paschali laudes bereits im 12. Jh. Da schließlich die Nachahmung (imitatio) von geeigneten Vorbildern traditionellerweise zu den Ausbildungs-Prinzipien von Künstlern gehörte, dürfte ein gewisser Teil von P.n als solche noch durchaus unerkannt sein. Außerdem sind die Grenzen zu einer Reihe anderer Kategorisierungen notgedrungen fließend.
Riemann 1967; MGG 7 (1997); M. Heise, Zum Wesen und Begriff der P.messen des 16. Jh.s , Diss. Innsbruck 1956; K. Schnürl in [Fs.] E. Schenk 1962; W. E. Yates et al. (Hg.), From Perinet to Jelinek. Viennese Theatre in its Political and Intellectual Context 2001; O. Rommel, Ein Jh. Alt-Wr. P. 1930; O. Rommel, Die Alt-Wr. Volkskomödie 1952; N. Schwindt-Gross in Mf 41 (1988).