Der DSB verankerte bereits in seinen Gründungsstatuten 1862 die regelmäßige Abhaltung von gesamtdeutschen S.en. Diese sog. „Deutschen Sängerbundesfeste“ sollten als Höhepunkte der Männerchorbewegung zwar regelmäßig (zuerst alle vier Jahre, ab 1908 alle fünf Jahre) veranstaltet werden, in der Praxis fanden sie jedoch zunächst aufgrund politischer und wirtschaftlicher Entwicklungen sehr unregelmäßig statt: Dresden/D (1865), München (1874), Hamburg/D (1882), Wien (1890), Stuttgart/D (1896), Graz (1902), Breslau (Wrocław/PL; 1907), Nürnberg (1912), Hannover/D (1924), Wien (1928), Frankfurt am Main (1932) und Breslau (1937). Gerade mit der Vergabe der Sängerbundesfeste an nicht in Deutschland bzw. an in Grenzgebieten liegende Städte sollte ein sichtbares Zeichen im Hinblick auf die „nationale“ Sache gesetzt werden. Den fast einsamen Höhepunkt in dieser Hinsicht stellt das monumentale 10. Deutsche Sängerbundesfest 1928 in Wien dar, im Zuge dessen eindeutige und sehr vehemente Anschlussforderungen – im Beisein hoher österreichischer und ausländischer Politiker aller Lager – manifestiert wurden, obwohl es offiziell Fr. Schubert gewidmet war. Im gleichen Jahr wurde auch das einzige Sängerbundesfest des Deutschen Arbeitersängerbundes vor dem Zweiten Weltkrieg in Hannover veranstaltet. Die Abhaltung des 13. Deutschen Sängerbundesfestes war zwischen 1940/42 in Wien geplant, kam jedoch infolge des Krieges nicht zustande. Sänger aus Österreich besuchten regelmäßig die Deutschen Sängerbundesfeste, wenngleich in unterschiedlicher Intensität (der Niederösterreichische/Ostmärkische Sängerbund entsandte z. B. 1865 nach Dresden ca. 200 Sänger, 1882 nach Hamburg nur 18, 1907 nach Breslau 522, 1912 nach Nürnberg ca. 1.500 und 1932 nach Frankfurt ca. 230 Sänger). Vom Ablauf her gliederten sich die Sängerbundesfeste in ihrer Blütezeit in sog. „Hauptaufführungen“ (2, später 3), „Kommerse“ und einen monumentalen Festumzug. Das lässt erkennen, dass die musikalische Komponente nur eine unter mehreren war. Hinzu kam, dass das künstlerische Niveau der Hauptaufführungen bereits nach dem 1. Deutschen Sängerbundesfest in Dresden 1865 kritisiert wurde. Als Gründe sind in erster Linie mangelhafte Aufmerksamkeit und Teilnahme der Sänger, schlechter Probenbesuch, unausgewogene Akustik in den Sängerhallen, schwache Programmgestaltung und lange Auf- bzw. Abtrittszeiten der Sänger zu nennen. Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, entwarf E. Kremser 1898 ein Reformprogramm, nach dem der DSB 1899 eine Reform der Sängerbundesfeste beschloss. Kremsers Entwurf sah eine Beschränkung der Dauer der Hauptaufführungen, eine ausgewogene Programmauswahl (nach künstlerischen Gesichtspunkten) sowie die Einbindung von Einzelvereinen mit Einzelvorträgen in die Programmabfolge (neben Gesamtchören und Vorträgen einzelner Sängerbünde) vor. Trotzdem zeigte Kremsers Reformprogramm keine andauernde Wirkung, Besserung brachten aber die 1924 in Hannover erstmals veranstalteten sog. „Sonderkonzerte“, für deren Gestaltung sich Einzelvereine verantwortlich zeigten. Zentral blieben die Hauptaufführungen, so fanden z. B. in Wien 1928 drei Hauptaufführungen mit je 40.000 Sängern in einer eigens errichteten Sängerhalle im Prater (Wien II, s. Abb.) statt. Zur Hebung des künstlerischen Niveaus wurde ab 1927 halbwegs regelmäßig (alle zwei Jahre) die sog. „Nürnberger Sängerwoche“ vom DSB veranstaltet, die sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg halten konnte. Deutsche Sängerbundesfeste werden noch heute (2005) ausgerichtet (1951 Mainz/D, 1956 Stuttgart, 1962 Essen/D, 1968 Stuttgart, 1976 Berlin, 1982 Hamburg, 1992 Köln, 2003 Berlin [20. Deutsches Sängerbundesfest]).
Neben den gesamtdeutschen Sängerbundesfesten veranstalten auch einzelne Sängerbünde, Sängergaue („Gaufeste“) und Männergesang- bzw. Gesangvereine S.e. Diese können anlässlich eines Gründungsjubiläums, einer Fahnenweihe (s. Abb.) oder aus einem anderen Grund (u. a. Komponistengedenken) stattfinden. In den österreichischen Bundesländern reicht die Tradition der Bundesfeste der jeweiligen Sängerbünde bis in die 1860er Jahre zurück (Tirol 1860 [Schwaz], Steiermark 1863 [Graz], Kärnten 1864 [Klagenfurt ], Niederösterreich und Wien 1864 [Wiener Neustadt], Oberösterreich und Salzburg 1865 [Linz], Vorarlberg 1868 [Dornbirn], Burgenland 1951 [Pinkafeld]). Neben den Bundesfesten gab/gibt es jedoch noch andere Arten von S.en, so veranstaltete man z. B. am 31.1.1897 in Wien eine monumentale Schubert-Huldigungsfeier, am 7.5.1908 im Schönbrunner Schlosspark eine Kaiserhuldigungsserenade (mit 7.000 Sängern!) oder am 27.5.1923 in Schönbrunn ein von 10.000 Sängern besuchtes Sängertreffen mit dem Motto: „Das deutsche Lied dem deutschen Leid“. Heute (2005) rücken die klassischen S.e, wie sie bereits im 19. Jh. ausgeprägt wurden, immer mehr zugunsten von Veranstaltungen in den Hintergrund, die Titel wie z. B. „Chortreffen“, „Chorfestival“, „Chorwoche“, „Singwoche“, „Chorwochenende“, „Chor-Weekend“ oder „Chorwerkstatt“ tragen, wobei die künstlerische Komponente in den letzten Jahrzehnten stark forciert wurde. Politische Botschaften fehlen weitgehend, auch der gesellige Aspekt verliert zunehmend an Bedeutung, wenngleich auch heute noch S. veranstaltet werden, die der Tradition Tribut zollen, indem sie den Namen „Bundesfest“ tragen (z. B. 25. Bundesfest des Kärntner Sängerbundes 2005).
MGG 2 (1995) [Chor und Chormusik] u. 8 (1960) [Männerchor]; BrucknerH 1996; F. Brusniak/D. Klenke in Mf 52/1 (1999); F. Brusniak/D. Klenke (Hg.), [Kgr.-Ber.] „Heil dt. Wort u. Sang!“ Nationalidentität u. Gesangskultur in der dt. Gesch. 1995; D. Klenke, Der singende „dt. Mann“. Gesangvereine u. dt. Nationalbewußtsein v. Napoleon bis Hitler 1998; R. Kötzschke, Gesch. des dt. Männergesanges 1927; B. F. Gellert et al. (Hg.), [Fs.] Der Dt. Sängerbund 1862–1912 , 1912; F. J. Ewens (Hg.), Das dt. Sängerbuch 1930; Ch. Fastl, „Musikalisches Alltagsleben im südöstlichen Niederösterreich 2012; Land der Chöre. Dokumentation über den Österr. Sängerbund 1991; J. G. Eder, Wr. Musikfeste zw. 1918 u. 1938 , 1991; Ch. Fastl in StMw 56 (2010); E. Bild, [Fs.] Der Niederösterr. Sängerbund 1863–1913 , 1913; A. Kränzl, Gesch. des nied.-österr. [sic!] Sängerbundes 1863–1888, 1888; Riemann 1929 u. 1967 [Sängerbünde]; R. Noltensmeier (Hg.), Metzler Sachlex. Musik 1998 [Sängerbünde]; R. Klugseder in ABIL Mitteilungen 18 (Dezember 2016); M. Nußbaumer, Musikstadt Wien 2007, 251–284. www.chorverband.at (2/2005).