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Krems
Stadt an der Donau in Niederösterreich. Die heutige Statutarstadt hat sich aus der historischen Doppelstadt K.-Stein entwickelt. Von 1850 an war diese Gemeinsamkeit unterbrochen, es bestanden also zwei getrennte landesfürstliche Städte, bis es 1938 zu der Schaffung eines Großraumes K. mit Eingemeindungen und damit zu einer Wiedervereinigung von K. und Stein kam. Von 1753 an war K. Sitz des Kreisamtes für das Viertel ober dem Mannhartsberg, bis nach einer Übergangsform 1868 die Bezirkshauptmannschaften geschaffen wurden. K. war seit jeher eine bedeutende Schulstadt, was sich im 19. Jh. noch verstärkte (Gymnasium, Realschule, Lehrer- bzw. Lehrerinnenbildungsanstalt) und Auswirkungen für das musikalischen Leben mit sich brachte.

Über die Musikpflege im Mittelalter liegen keine Nachrichten vor. Wenn man die beiden Stadtpfarrkirchen – St. Veit in K. und St. Nikolaus in Stein – als Zentren musikalischer Tätigkeit annimmt, dann bestand auch eine Verbindung zu den beiden Stadtschulen. So war z. B. der „Rector Chori“ von St. Veit gleichzeitig der Schulmeister. Dazu traten die beiden Bettelordenklöster der Minoriten in Stein und der Dominikaner in K., wo sicherlich der Choralgesang gepflegt wurde. Es haben sich eine Unzahl von einzelnen Pergamentblättern aus notierten Missalien und Brevieren erhalten, die als Einbände für Bestände des Stadtarchivs verwendet und zum Teil später abgelöst wurden.

Das 16. Jh. steht in K. im Zeichen einer massiven Zuwendung zur Reformation und einer hohen bürgerlichen Kultur. Bürgerliche Bücherinventare enthalten auch Kompositionen, die ein hohes Niveau der Musikpflege in K. annehmen lassen. 1561 entstand das einzige kompositorische Zeugnis aus protestantischer Zeit, das sich aus K. erhalten hat, nämlich die Vertonung des 128. Psalmes. Der K.er Bürger Adam Galliculus (Händl) widmete dieses 4-stimmige Hochzeits-Carmen seiner verwitweten Schwägerin anlässlich ihrer Wiederverheiratung.

Die Bemühungen um die Rekatholisierung (Gegenreformation) der Bürgerschaft führte zu einer Verbesserung der Kirchenmusik an den Pfarrkirchen. Gleichzeitig gingen gewiss auch Impulse vom 1616 gegründeten Jesuitenkollegium und dem damit verbundenen Gymnasium aus, dies sowohl von der Kirchenmusik wie auch von den regelmäßig stattfindenden Theateraufführungen (Jesuitentheater), in denen musikalische Intermezzi üblich waren.

Höhepunkt barocker Musikpflege war die Tätigkeit von J. G. Zechner. Mit der Übernahme des Gymnasiums durch die Piaristen 1776 finden wir einen neuen Schulorden in K., in dessen Programm dem Musikunterricht eine wesentliche Rolle zukommt. In K. wirkte 1777–83 der aus Horn stammende Piarist S. Müller, ein nicht unbedeutender Komponist.

Für die städtische Musikausübung waren die Turnermeister (Thurner) von K. bzw. von Stein von größter Wichtigkeit. Sie besorgten die Instrumentalmusik bei religiösen und weltlichen Veranstaltungen und bildeten auch den musikalischen Nachwuchs aus. Die Lehrzeit betrug 4–6 Jahre und mit der Freisprechung wurde man Turnergeselle. Der Turnermeister fungierte häufig auch als Verwaltungsorgan der Stadt, dem die Einhebung von Gebühren, das sog. Musikimposto übertragen wurde, das Veranstalter von Unterhaltungsmusiken zu erlegen hatten; er konnte aber auch selbst als Veranstalter tätig werden. In Stein legte der letzte Turnermeister 1793 seine Stelle zurück. In K. blieb sie noch bestehen und erlosch formal erst mit der Einführung der Gewerbeordnung 1859.

Die rege Vereinstätigkeit, die sich ab der Mitte des 19. Jh.s in K. entfaltete, befruchtete auch das musikalische Leben. Schon 1847 hatte sich die Steiner Liedertafel (Männergesang) konstituiert, durch den Austritt der K.er Mitglieder entstand 1850 eine gleichnamige Vereinigung in K. 1861 konnte die K.er Liedertafel das erste Niederösterreichische Sängerfest unter Beteiligung von 34 Vereinen und 1030 Sängern veranstalten, an dem auch der Linzer Männergesangsverein Frohsinn unter der Leitung von A. Bruckner teilnahm. 1872 erfolgte die Namensänderung auf Gesang- und Orchesterverein K. Zur Verbesserung der Situation auf dem Gebiet der Kirchenmusik wurde 1865 der Kirchen-Musik-Verein gegründet.

Von den zahlreichen in dieser Zeit in K. musikalisch Tätigen sei Ferd. Schubert besonders hervorgehoben. Eine Reihe von Musikerziehern war neben ihrer schulischen Tätigkeit im Musikleben ab der 2. Hälfte des 19. Jh.s im Musikleben der Stadt K. wesentlich tätig: W. Heybal, R. Wimmer, L. Muther, Wilhelm Wolter und E. Schandl, kurzzeitig auch H. Wagner-Schönkirch.

Eine besondere Bedeutung kommt den Liedkompositionen zu, die man als K.er- oder Wachau-Lieder bezeichnen kann. Diesen volkstümlichen Ton finden wir in den Liedkompositionen von Muther, ganz besonders aber in den Liedern von Rudolf Süss, die er für Begleitung durch die Gitarre geschaffen hat. Der Dritte war E. Schandl, der allerdings auch ein reiches Œuvre im kirchenmusikalischen Bereich und in der ernsten Musik hinterlassen hat.

Die Darstellung des Musikgeschehens von K. kann nicht die Person L. Köchels unberücksichtigt lassen. Erwähnenswert sind auch verschiedene Persönlichkeiten der Musikwelt, deren Lebensweg in irgendeiner Weise mit K. zusammenhängt. So stammt die St. Gilgener Großmutter W. A. Mozarts, Eva Rosina Barbara Pertl, aus Stein, wo sie 1681 als Tochter des kaiserlichen Notars und Gerichtsschreibers Dominikus Altmann geboren wurde. Die K.er Bäckerstochter Maria Anna Laager wurde die Mutter von F. Liszt, und schließlich führte der Besitz des Gutes Gneixendorf durch seinen Bruder Johann L. v. Beethoven in dieses Schloss, wo er vom 29.9. bis 1.12.1826 seinen letzten Landaufenthalt verbrachte.

Als Stadt mit einer starken Ausstrahlung in das Umland ist es auch verständlich, dass K. Orgel- und Geigenbauer in seinen Mauern beherbergte, wobei der Orgelbau mit der Firma Hradetzky bis in die jüngste Vergangenheit hier vertreten war.


Literatur
Beiträge v. F. W. Riedel, F. Hadamowsky u. O. Biba in [Kat.] 1000 Jahre Kunst in K., 1971; O. Biba, Der Piaristenorden in Österreich 1975, 102–166; O. Biba in 200 Jahre Piaristen in K. 1973, 34–44; Rückblick auf die Gründung und die 40 jährige Gesch. des Gesang- und Orchestervereines in Niederösterr. Press 1890, Nr. 98 u. 100; F. Haselböck in H. Kühnel/F. Schönfellner (Hg.), Tausend Jahre K. 1995; H. Frühwirth, Ihre Liebe galt K. 100 K.er Persönlichkeiten von Gozzo bis Wilhelm 1997 [darin die Art. Hradetzky, Köchel, Laager, Muther, Süß, Wagner-Schönkirch, Zechner]; H. Frühwirth, Die Doppelstadt K.-Stein 2000, 102–107; A. Bruckner in Niederösterreichische Land-Zeitung 1937, Nr. 32–40; H. Zöpfl, Rudolf Wimmer. Leben und Werk 1998; G. Maroli in Das Waldviertel 1/1999; Th. E. Konrad, Weltberühmt doch unbekannt. Ludwig Ritter von Köchel 1998; M. Permoser, Das Musikleben in K. an der Donau 1918–1938, Hausarb. MHsch. Wien 1982; A. Haslinger, Zur Gesch. der Militärmusik in K./Donau, Dipl.arb. Wien 1988.

Autor*innen
Ernst Englisch
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Ernst Englisch, Art. „Krems“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d5fe
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