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München
Hauptstadt von Bayern. 1158 gegründet, seit 1255 Hauptstadt von Oberbayern, seit 1505 des gesamten Herzogtums. Die Quellen über die Musikgeschichte M.s im Mittelalter sind spärlich: Hauptkirche und Zentrum der Kirchenmusikpflege war ab 1225 St. Peter; hier gab es eine Pfarrschule, in der auch Singknaben ausgebildet wurden. Der heutige Dom zu Unserer Lieben Frau („Frauenkirche“) wurde 1271 eigenständige Pfarrei. Als ältestes musikhistorisches Denkmal M.s gilt ein Reimoffizium auf die Hl. Apollonia, das 1390 durch den Bischof von Freising/D genehmigt worden war. Nachrichten über Orgeln sind seit dem 14. Jh. (von den beiden Hauptkirchen St. Peter und der Frauenkirche) überliefert. Während über das bürgerliche Musikleben kaum Nachrichten existieren, ist das höfische deutlich besser dokumentiert; durch die zahlreichen Eheschließungen zwischen den bayerischen Herzögen und Habsburgern seit dem 13. Jh. finden sich hier zahlreiche Berührungspunkte zur österreichischen Musikgeschichte. Schon am Hof Ludwigs II. v. Oberbayern (Hzg. 1255–94, verheiratet mit Mathilde, der ältesten Tochter Rudolphs I.) fanden sich Spielleute (Spielmann) am Hof (jedoch ist nicht sicher, ob sie angestellt waren). Ab 1438 bestand in Oberbayern ein Spielgrafenamt (1775 abgeschafft). Eine Hofmusikkapelle existierte sicher seit der Regierung der Hzg.e Sigmund (1460–67) und Albrecht IV. (1465/67–1508, verheiratet mit Kunigunde, der Schwester K. Maximilians I.); Hoforganist Conrad Paumann zählt zu den ersten prominenten Musikern des bayerischen Hofes. Wie auch die Habsburger pflegten die bayerischen Hzg.e Kontakte nach Burgund (u. a. über L. Senfl), weshalb Einflüsse durch Frankoflamen bzw. englische Musiker anzunehmen sind.

Ab 1500 wird die Quellenlage sowohl für die höfische Musik als auch die der Stadt dichter. Es gibt erste Nachrichten über Instrumentenbauer, und die Nachrichten über Stadtpfeifer und städtische Tanz- bzw. Musikveranstaltungen mehren sich. Nach der Auflösung der Hofmusikkapelle Maximilians I. konnte die HMK der bayerischen Hzg.e prominente Musiker aus ersterer an sich binden (u. a. L. Senfl, der auch diverse Kompositionen aus der kaiserlichen HMK nach M. mitgebracht hatte und als Schreiber von Chorbüchern fungierte); ähnlich wie bei den HMK.n der Habsburger stand auch der in M. zu dieser Zeit noch ein Kleriker vor, obwohl sie sich zunehmend aus ihrem kirchlichen Ursprung löste. Mit der Ernennung O. di Lassos zum Hofkapellmeister 1563 erreichte die HMK einen ersten Höhepunkt und rückte in das zentrale Interesse der europäischen Musikgeschichte. Ein herausragendes Ereignis stellte die M.er Fürstenhochzeit (Wilhelm V. mit Renata v. Lothringen) 1568 dar. Die M.er HMK ist in der Folge auch bei zahlreichen Festen im Reich (u. a. den Krönungsfeierlichkeiten für K. Maximilian II. in Frankfurt a. M./D) zu finden. Musiker aus Italien und den Niederlanden dominierten die HMK (u. a. A. und G. Gabrieli, Johann de Fossa), von denen einige Beziehungen zu den Habsburgern unterhielten. Der Hof konnte die aufwändige Musikpflege jedoch nicht lange aufrecht erhalten und musste reduzieren; mit dem Regierungswechsel 1597 wurde die Instrumentalistengruppe halbiert, in den 1630er Jahren – trotz der Belastung durch den Dreißigjährigen Krieg – wieder aufgebaut.

M. war seit dem 16. Jh. ein Zentrum der Gegenreformation, was sich in einer Förderung der Kirchenmusik (v. a. durch die Jesuiten an St. Michael ab 1597) bzw. entsprechender kulturpolitischer Signale von Seiten des Hofes niederschlug. Mit dem Kaiserhof, mit dem die bayerischen Herzöge vielfach verschwägert waren, gab es einen – wenn auch aufgrund des bis zu Beginn des 19. Jh.s angespannten politischen Verhältnisses nicht besonders reichen – kulturellen Austausch.

Die Opernpflege begann am M.er Hof 1651, 1654 wurde das neue Opernhaus auf dem Salvatorplatz eröffnet. Als 1656 J. K. Kerll (zuvor in Diensten bei Erzhzg. Leopold Wilhelm) die M.er HMK übernahm, erlebte die Oper eine erste Blütezeit, die HMK wurde von 16 auf 59 Musiker aufgestockt und von Kerlls Nachfolger Agostino Steffani weitergeführt. Der Krieg zwischen Bayern und Österreich unter Maximilian II. Emanuel (1679–1726, verheiratet mit der Tochter Leopolds I., Maria Antonia) und dessen Exil führten zu einer Reduktion des höfischen Musiklebens auf die Kirchenmusik in M.; nach der Rückkehr des Kurfürsten 1715 wurde der Opernbetrieb wieder aufgenommen. Die Allianz mit Frankreich zeigte auch ihre Spuren im musikalischen Repertoire. M. verfügte in dieser Zeit über 4 Bühnen: neben dem Salvatortheater über ein Heckentheater (Gartentheater, ab ca. 1719), ein Theater in Nymphenburg (ab 1723) und ein Logentheater im St. Georgs-Saal der Residenz (1740 errichtet). Max Emanuels Nachfolger, Karl Albrecht (1726–45, 1742–45 auch römisch-deutscher Kaiser, verheiratet mit der Tochter Josephs I., Maria Amalia) musste wegen des österreichischen Erbfolgekrieges die Ausgaben für Musik deutlich einschränken, doch erlebte M. anlässlich der Doppelhochzeit von Maximilian III. Joseph (1745–77) und seiner Schwester Maria Antonia Walpurgis (die ab 1764 als verwitwete Kurfürstin von Sachsen wieder in M. lebte) mit La clemenza di Tito von Johann Anton Camerloher 1747 ein Beispiel für die große höfische Oper. Maria Antonia Walpurgis trat auch als Komponistin hervor, ihr Bruder machte unter seiner Regentschaft M. zu einem Zentrum der italienischen Oper (1753 Eröffnung des Residenztheaters, das das baufällige Salvatorplatztheater ersetzte). W. A. Mozart brachte La finta giardiniera 1775 im Salvatortheater zur UA, 1781 im Residenztheater Idomeneo. Mit dem Aussterben der bayerisch-wittelsbacherischen Linie kamen der kurpfälzische Hof (unter Karl Theodor, 1778–99) und ein Großteil der Mannheimer Kapelle nach M.; mit dem neuen Stil wurde auch das Repertoire erweitert und v. a. die Instrumentalmusik betont. Auch das Verlagswesen erlebte mit Johann M. Götz aus Mannheim/D, der 1780 eine Filiale in M. eröffnete, und Macarius Falter (ab 1795) einen Aufschwung. Die Wende vom 18. zum 19. Jh. war hingegen durch die politischen Probleme in Europa (Revolution, Napoleonische Kriege) und die daraus resultierende schwierige wirtschaftliche Situation auch für den M.er Hof eine Zeit des Sparens.

Das bürgerliche Musikleben erlebte ab den 1770er Jahren einen Aufschwung. Die Stadtmusiker hatten sich im 17. Jh. zünftisch organisiert. Die anfangs drei Kompanien an Stadtpfeifern wuchsen bis zum Ende des 18. Jh.s auf sechs an und spielten auf Hochzeiten, in Wirtshäusern, bei Prozessionen u. a.; auch das Passionsspiel (Geistliche Spiele) gehörte ab dem 17. Jh. zum Aufgabenbereich der Stadtmusiker (1770 wegen seiner Derbheit verboten). 1827 erlosch die Zunft der Stadtmusiker. Eine erste Konzertstätte war der Gasthof Zum Schwarzen Adler, in dem sich eine Vorform des bürgerlichen Konzertwesens entwickelte. 1783 gründete Christian Cannabich zusätzlich zu den wöchentlichen Hofakademien im Kaisersaal der Residenz die sog. Liebhaberkonzerte im Redoutensaal. Nach dem Tod Cannabichs eingestellt, konnten sich erst die 1811 durch Peter von Winter begründeten Musikalischen Akademien bis heute (2004; in Form der Akademiekonzerte des Bayerischen Staatsorchesters) behaupten.

Die Kirchenmusik wurde in M. in den ca. 17 Klöstern und 35 Kirchen der Stadt – gemäß dem politisch-religiösen Programm der Gegenreformation – gepflegt; Hauptkirchen waren die Frauenkirche, St. Kajetan und die Jesuitenkirche St. Michael. Letztere besaß auch eine musikalische Ausbildungsstätte, in der v. a. Hofmusiker (u. a. O. di Lasso) die Knaben unterrichteten. Neben der Kirchenmusik, die einen hohen Stellenwert besaß, wurden von den Jesuiten bzw. an der HMK Fastenmeditationen bzw. Oratorien aufgeführt, wobei man sich musikalisch wie theologisch nach Rom orientierte. Auch die 1749 an St. Kajetan gegründete Caecilienbruderschaft hatte sich die Pflege der Kirchenmusik nach römischem Vorbild zur Aufgabe gemacht. Johann Khuen, seit 1634 Benefiziant an St. Peter, begründete mit seinen deutschen geistlichen Liedern eine quasi bayerische Liederschule; Lieder in deutscher Sprache sind schon ab der 1. Hälfte des 17. Jh.s in den M.er Kirchen zu finden, doch kam die Produktion gegen Ende des 17. Jh.s zum Erliegen und wurde erst in der Aufklärung wiederbelebt. Mit der Säkularisierung wurde die reiche Kirchenmusikpflege M.s radikal und abrupt beendet; einzig die Hofkirche konnte Musik auf dem bisherigen Niveau weiterbetreiben. In der Zeit der Restauration, die mit der Aufführung von Gregorio Allegris Miserere am Karfreitag 1816 unter Carl Ett ihren Anfang nahm, dominierten Werke der klassischen Vokalpolyphonie (z. B. O. di Lasso, aber auch J. J. Fux) bzw. der Wiener Klassik, allen voran die Orchestermessen von J. M. Haydn; neben Ett ist der an St. Kajetan wirkende Michael Hauber zu erwähnen, einer der Wegbereiter des Cäcilianismus. Durch die Verlegung des Bischofssitzes von Freising nach M. an die Frauenkirche 1823 erhielt die Kirchenmusik weitere Impulse. 1854 wurde ein neues Gesangbuch eingeführt, 1800 die evangelische Hofkirche geweiht, 1826 eine neue Synagoge eröffnet (für die Ett ebenso komponierte wie für die griechisch-orthodoxe Gemeinde, der ab 1802 die Salvatorkirche zur Verfügung stand).

Die Erhebung von Kurfürst Maximilian IV. Joseph (1799–1825) zum König von Bayern 1806 hatte auch für das Kulturleben der Hauptstadt Konsequenzen und fiel gleichzeitig in eine Zeit des Umbruchs auf kulturellem Gebiet (Säkularisierung, Aufbau eines bürgerlichen Musiklebens, Ende der feudalen Musikkultur). Schon gegen Ende des 18. Jh.s war die italienische Oper zu Gunsten der deutschen zurückgedrängt worden (1787 aus finanziellen Gründen sogar verboten worden). Durch die Wirren der Napoleonischen Kriege wurde die Umwandlung der Hofoper als Adelstheater in einen Ort bürgerlicher Musikpflege beschleunigt. Die romantische deutsche Oper begann sich in M. durchzusetzen, wurde jedoch ab 1816 wieder durch die Werke des italienischen Repertoires verdrängt. 1811 wurde der Bau des National- und Hoftheaters beschlossen (1818 eröffnet), 1811/12 das Theater am Isartor als Bühne für Volksstücke (Volksschauspiel) und Singspiele (wobei v. a. Werke Wiener Komponisten zur Aufführung kamen: W. Müller, J. Weigl, I. v. Seyfried, A. Bäuerle). Mit dem Regierungsantritt Kg. Ludwigs I. (1825–48) kam es zu tiefgreifenden Veränderungen, da der neue Herrscher die italienische Oper auflöste und das Theater am Isartor schloss; alleinige Spielstätte wurde das Hof- und Nationaltheater; das Residenztheater wurde 1831 geschlossen, aber ab 1856 zu einer wichtigen Spielstätte v. a. von Mozart-Opern bzw. des Schauspiels. Das Niveau der HMK sank nach dem Tod P. v. Winters (1825) kontinuierlich ab. Erst die Berufung von Fr. Lachner brachte eine entscheidende Wende: er führte neben der Klassiker-Pflege das zeitgenössische Opernrepertoire in M. ein und brachte auch Rich. Wagner erfolgreich zur Aufführung. Wagners Aufstieg begann mit dem Amtsantritt von Kg. Ludwig II. (1864–86), der den Komponisten nach M. berief und damit (gemeinsam mit H. v. Bülow, 1867–69 Hofkapellmeister) eine neue international viel beachtete Blütezeit der Opernpflege in der Stadt einleitete. Auch nach dem Weggang von Wagner und Bülow blieb M. unter Hofkapellmeister Hermann Levi (ab 1872) ein Zentrum der Wagner-Pflege; 1875 wurde mit dem Festsommer ein Opernfestival begründet, dem 1901 die Eröffnung des Prinzregententheaters (nach Vorbild des Bayreuther Festspielhauses) folgte – ab 1910 bildeten die Opern von R. Strauss, Mozart und Wagner den Grundstock des Festivalprogramms; im Cuvilliértheater fanden parallel dazu Mozart-Festspiele statt. Führende Persönlichkeiten der Opernpflege waren Karl v. Perfall, Ernst v. Possart, kurze Zeit auch R. Strauss und W. Kienzl wie die Dirigenten F. Mottl und B. Walter. Das Gärtnerplatztheater, 1865 als Volkstheater errichtet, wurde 1873 zur dritten königlichen Bühne und widmete sich der Operette. 1903 wurde für die „leichte Muse“ ein weiteres Volkstheater in der Josephspitalstraße erbaut.

Die von L. Thuille begründete M.er Schule prägte auch nach 1918 das moderne Musikleben der Stadt; ab 1920 arbeitete Carl Orff hier. Doch fand die moderne Musik erst durch das Wirken der Vereinigung für zeitgenössische Musik (u. a. durch Hermann Scherchen) eine breitere Akzeptanz. Das änderte sich nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933, auf Grund derer prominente Musiker wie H. Knappertsbusch oder S. v. Hausegger ihre Posten räumen mussten. 1939 erhielt M. den „Ehrentitel“ „Hauptstadt der Bewegung“, was für die etablierten Orchester einen noch größeren Einsatz für Propagandazwecke bedeutete (z. B. die M.er Philharmoniker und O. Kabasta). Auch die 1826 von Landshut/D und Ingolstadt/D nach M. übersiedelte Univ. kämpfte mit R. v. Ficker gegen diverse Probleme; Kurt Huber, Prof. für systematische Musikwissenschaft und Volksmusikforscher, wurde als geistiger Führer der Gruppe Die weiße Rose 1943 hingerichtet.

Nach 1945 erholte sich das Musikleben von M. rasch. Der Opernbetrieb wurde 1945 im Prinzregententheater (anstelle des zerstörten Nationaltheaters, erst 1963 wiedereröffnet) aufgenommen, 1969 die Experimentierbühne der Staatsoper begründet (seit 1972 im Marstall beheimatet), das Gärtnerplatztheater (in der NS-Zeit Staatsoperette benannt) 1948 wiedereröffnet. Die M.er Philharmoniker gründeten sich nach 1945 neu und die von Karl Amadeus Hartmann gegründeten Musica Viva-Konzerte deckten den Bedarf an Neuer Musik; das M.er Rundfunkorchester und die M.er Symphoniker, ergänzt durch zahlreiche Kammermusikensembles und Ensembles für Alte Musik, sind neben dem Musiktheater Träger des Musiklebens der Stadt. Zahlreiche Kirchenmusikvereine, Singkreise und Chöre (insgesamt ca. 400 Vereine) ergänzen das Spektrum.

Die professionelle Musikausbildung wird einerseits durch die staatliche Hsch. für Musik (früher Akad. der Tonkunst), andererseits durch das städtische Konservatorium (1927 als Trapp’sches Konservatorium gegründet und 1957 in Richard-Strauss-Konservatorium umbenannt) bestritten; die 1830 gegründete Centralsingschule lebt heute in der Städtischen Sing- und Musikschule fort. Musikwissenschaft ist seit der Habilitation von Adolph Sandberger 1894 an der M.er Univ. vertreten. Die musikwissenschaftlichen Forschungsinstitute der Bayerischen Akad. der Wissenschaften sind ebenfalls in M. beheimatet, wie auch die 1957 gegründete Gesellschaft für Bayerische Musikgeschichte.


Literatur
MGG 6 (1997); NGroveD 17 (2001); MGÖ 1 u. 2 (1995); R. Münster/H. Schmid (Hg.), Bayerische Musikgesch. 1972; W. Eichner, M.s Entwicklung als Musikstadt 1951.

Autor*innen
Elisabeth Th. Hilscher
Stephan Hörner
Letzte inhaltliche Änderung
14.3.2004
Empfohlene Zitierweise
Elisabeth Th. Hilscher/Stephan Hörner, Art. „München‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 14.3.2004, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x000254ae
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x000254ae
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