Verismo
(Verismus)
Von Italien ausgehende, von der Literatur auf die
Oper übertragene naturalistische Stilrichtung im späten 19. und frühen 20. Jh. (von ital. vero = wahr), die – im Unterschied zu den Musikdramen
Rich. Wagners und seiner Nachfolger mit ihren mythologischen Themen – zeitgenössische Stoffe, v. a. sozialkritische Milieuschilderungen, Alltagsprobleme und politisch-revolutionäre Sujets in realistisch-drastischer Weise auf die Bühne brachte (
Realismus). Zu den größten Erfolgen dieses Genres zählen
P. Mascagnis
Cavalleria rusticana (UA Rom 1890, an der Wiener
Hofoper erstmals 1891; gilt auch als erstes Werk des
V.) und
R. Leoncavallos
Pagliacci [Der Bajazzo] (UA Mailand/I 1892, an der Wiener Hofoper erstmals 1893). Beide wurden 1892 auch bei der
Internationalen
Ausstellung für Musik und Theaterwesen in Wien erfolgreich aufgeführt. Der Sensationserfolg der
Cavalleria führte zu einer Reihe von
Parodien, darunter eine unter dem Titel
Artilleria rusticana, 1891 im Wiener
Fürsttheater erstmals aufgeführt, sowie die von
R. Mader (Musik) und
A. Weigl (Text) mit dem Titel
Krawalleria musicana, im selben Jahr im
Theater an der Wien gezeigt.
Mit dem Ziel, das veristische Opernschaffen auch im deutschen Sprachraum zu fördern, veranstaltete Hzg. Ernst II. v. Sachsen-Coburg und Gotha 1893 einen Kompositionswettbewerb, bei dem nur einaktige deutsche Opern eingereicht werden durften. An diesem Wettbewerb beteiligten sich u. a. F. Lehár (mit Rodrigo), L. Blech (mit Aglaja) und J. Forster. Forster gewann mit seiner Rose von Pontevedra (gemeinsam mit Paul Umlaufts Evanthia) den ersten Preis. In der Folge gelangte eine wahre Flut veristischer Ein- und Mehrakter nach dem Vorbild der Cavalleria auf die deutschen Bühnen, darunter auch Blechs Cherubina (1894), M. J. Beers
Der Streik der Schmiede (1897) sowie Lehárs Kukuschka (1896; 1905 unter dem Titel Tatjana umgearbeitet), ohne sich in der Regel länger halten zu können. Zu den erfolgreichsten deutschsprachigen veristischen Opern zählt Tiefland (UA Prag 1903) von E. d’Albert. Veristische Züge tragen zahlreiche Werke dieser Zeit, darunter auch einige Opern G. Puccinis (Il tabarro 1918), M. v. Schillings’ (Mona Lisa 1915) und M. Oberleithners (Ghitana 1901).
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15.5.2006
Barbara Boisits,
Art. „Verismo (Verismus)“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2006, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e589
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