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Rademin, Rademin, true Heinrich
get. 15.12.1674 Hamburg/D, † 1731 -11-2929.11.1731 Wien. Schauspieler, Theaterprinzipal, Bühnenschriftsteller, Übersetzer, Bearbeiter. Schon nach dem Zeugnis Konrad Ekhofs eine der Gründerfiguren des Wiener Theaters. Geboren aus einer Hamburger Juristenfamilie, Studium der Rechte und Promotion 1697 in Halle an der Saale/D. Heiratet um 1703 in Wien als Prinzipal „hochdeutscher Komödianten“ die Schauspielerin Anna Ernestina Göttner. Von Wien aus Tourneen nach Brünn, sodann Schauspieler bei J. A. Stranitzky in Wien (dieser 1709 Taufpate seines Sohnes). Seit 1710 mit „Wienerischen Comoedianten“ in Schwaben, Bayern, Böhmen und Mähren, teils in Kompagnie mit Anton Joseph Geißler bzw. Markus Waldmann. Um 1717 erste Kontakte mit dem böhmischen Grafen und Theatermäzen F. A. v. Sporck, an dessen Kurtheater in Kukus (Kuks/CZ) R. wiederholt auftrat. 1719 Rückkehr zu Stranitzky an das Kärntnertortheater in Wien. 1723 wieder „Prinzipal hochdeutscher Comoedianten“ in Breslau (Wrocław/PL) und Brünn, kam 1724 mit Franz Albert Defraine nach Kukus, war aber im selben Jahr auch in Wien als Schreiber der sog. „Wiener Haupt- und Staatsaktionen“ belegt. Seine Rolle im Zusammenhang mit diesen Bühnemanuskripten wird in der Forschung allerdings kontrovers diskutiert. Von ihrem Herausgeber Rudolf Payer von Thurn (1908–10) noch zur Gänze J. A. Stranitzky zugeschrieben, wurde von Walter Lehr (1965) R. als Schreiber und z. T. auch als Autor bezeichnet. Während Helmut G. Asper (1975, 1980) es zumindest für sicher hielt, dass die Texte für das Kärntnertortheater und seinen Hanswurst bestimmt waren, wurde neuerdings von Bärbel Rudin (2002) die Ansicht vertreten, R. habe sie als Mitglied der Truppe F. A. Defraines im Umkreis des Grafen Sporck geschaffen. Eine Klärung dieser strittigen Fragen wird erst nach einer eingehenden Schrift- und Materialanalyse zu erwarten sein. Unbestritten ist hingegen, dass die Texte fast ausnahmslos Bearbeitungen italienischer Opernlibretti (Libretto) aus 1678–1723 darstellen.

Als nach dem Tod Stranitzkys (1726) die neuen Pächter des Kärntnertortheaters, F. Borosini und F. J. Selliers, auch Opern aufführen wollten, wurden ihnen von K. Karl VI. nur „Schauspiele mit einigen untermischt gesungenen Intermedien zugestanden. Das Repertoire wurde daraufhin um italienische Intermezzi, Parodieopern oder andere komische Musikstücke (Stadtoperetten) erweitert; und R., der bereits seit 1725 Karfreitagsoratorien (Oratorium) sowie die alljährlich auf der Hohen Brücke (Wien I) aufgeführten Nepomuk-Oratorien (M: G. Reutter d. J. verfasste, wurde nunmehr auch in dem für Wien neuartigen Genre der Musikkomödie als Übersetzer bzw. Verfasser herangezogen. Noch im Spätherbst 1728 übersetzte er Michelangelo Boccardis Bacco trionfante dall’Indie (Der aus Indien zurückkehrend-triumphierende Bacchus; M: F. Pircker). Weitere „musikalische Schauspiele“, „musikalische Vorstellungen“ und „musikalisch-italienische Zwischenspiele“ schlossen sich an, im selben Jahr noch Atalanta und in den folgenden Jahren Xio, re della China, Aralinda, Arsaces, Hypermnestra, Die unschuldig geglaubte Unschuld, Die Königin der schwartzen Inseln und – wohl posthum aufgeführt – Runtzvanscad, König deren Menschenfressern, oder: Der durchläuchtigste Gärtner und – nach Jean-Baptiste Molières George Dandin – Der verwirrte Ehemann, in der Musik des Hauskomponisten Johann Ignatz Beyer. Seine erfolgreichste Arbeit ist der Text zur so genannten Teutschen Musica bernesca“ Die Römische Lucretia, die 1731 als Travestie der Hamburger Oper Die kleinmütige Selbstmörderin Lucretia von Berthold Feind (M: Reinhard Keiser, 1705) zur Aufführung kam und in der die Rollen des Tarquinius Superbus von Hanswurst und des Brutus von Scapin dargestellt wurden. Noch 1760 wurde dieses Stück bei der Theatertruppe des Johannes Lind als eine „Opera-Comica oder Musica Bernesca von dem berühmten R., gewesenen Liebling weyl. Kaisers Caroli VI.“ angekündigt. Die Methode, Musikstücke „durch und durch en ridicule“ einzurichten, erwies sich als so erfolgreich, dass zu Ostern 1731, also 8 Monate vor R.s Tod, im Ballhaus bei den Franziskanern eine neue Filialbühne für dieses Genre eröffnet wurde. R. wurde so auch zu einem Mitbegründer des Wiener Singspiels (Komödienarie). Daneben schrieb R. noch einige Gelegenheitsarbeiten, darunter 1730 für den mährischen Musikförderer Johann Adam Graf zu Questenberg, auf dessen Schlosstheater in Jaromeritz (Jaroměřice nad Rokytnou/CZ) das musikalische Schauspiel mit Intermezzi Der Ursprung des [...] Städtlein Jaromeritz (M: F. A. Míča) aufgeführt wurde.

Ein Sohn Karl (* ca. 1700) heiratete Sophie Eckenberg, Tochter des „starken Mannes“ und Theaterprinzipals Johann Carl von Eckenberg, in dessen Truppe er seit 1731 tätig war.

Eine Tochter Barbara (* ca. 7.11.1719 Wien [oder Olmütz], † nach 1760) heiratete den bekannten Theaterprinzipal und „letzten deutschen Harlekin“ Franz Schuch d. Ä. (1716–64).


Werke
Mss.: Haupt- und Staatsaktionen (meist nach ital. Opernlibretti); Drucke: Texte von Oratorien, Musikkomödien und musikalischen Zwischenspielen (Originalarbeiten, Bearbeitungen, Übersetzungen); Gelegenheitsschriften.
Literatur
Lit (chronologisch): [C. Glossy], Theatergeschichtliche Ausstellung der Stadt Wien, 1892, Internationale Ausstellung für Musik- und Theaterwesen 1892; R. Payer v. Thurn, Wr. Haupt- und Staataktionen, 2 Bde. 1908–10; R. Haas in StMw 12 (1925); R. Haas in ZfMw 8 (1925/26); R. Schäffler, H. R., Diss. Wien 1932; W. Lehr, Die szenischen Bemerkungen in den Dramen des Altwiener Volkstheaters bis 1752, Diss. Wien 1965; O. G. Schindler in Jb. des Vereines für Gesch. der Stadt Wien 23/25 (1967/69); H. G. Asper, Spieltexte der Wanderbühne: Ein Verzeichnis der Dramen-Mss. des 17. und 18. Jh.s in Wr. Bibliotheken 1975; H. G. Asper, Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jh. 1980; A. Martino, Die ital. Literatur im dt. Sprachraum: Ergänzungen und Berichtigungen zu Frank-Rutger Hausmanns Bibliographie 1994; B. Rudin in B. Marschall (Hg.), [Fs.] O. G. Schindler 2002; A. Scherl in Divadelní revue 14 (2003); Ulrich 1997.

Autor*innen
Otto G. Schindler
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Otto G. Schindler, Art. „Rademin, Heinrich“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001de85
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.


DOI
10.1553/0x0001de85
GND
Rademin, Heinrich: 124767451
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