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Schärding
Stadt am rechten Unterlauf des Inns (Innviertel) am Schnittpunkt alter Verkehrswege; 804 erstmals als Wirtschaftshof des Hochstifts Passau erwähnt, die Burg der Grafen von Formbach ging 1158 an die Grafen von Andechs über; aus der Grafschaft Sch. ging Ende des Mittelalters das bayerische Landgericht Sch. hervor. 1248 kam Sch. an die bayerischen Wittelsbacher, im 13. Jh. erhielt es das Marktrecht und 1310 erstmals das Stadtrecht, seit 1779 gehört es zu Österreich. Einer detaillierteren Erforschung der älteren Sch.er Musikgeschichte sind durch den Brand des Rathauses 1809 und erst spät einsetzende Matrikel-Aufzeichungen Grenzen gesetzt. Immerhin ist einiges bekannt und vieles durch Vergleiche vorstellbar. 1395 wurde die, weil aus ihr die Singknaben für den Gottesdienst kamen, für musikalische Belange höchst wichtige lateinische Schule errichtet. Viele der hier tätigen Schulmeister und Schulhalter sind namentlich bekannt, darunter einige explizit als Organisten oder Regentes chori bezeichnet: Leonhard Wallner 1569, Julius Veichl 1625, Johann Lindscheit 1630, Mathias Kölbl 1644 († 1654), Johann Kern 1648, Friedrich Rames 1655 († 1662), Wolf Mayer 1662 († 1663), Johann Andreas Merckhelini 1662, Michael Heinrich Frickhl 1663, Paul Wiest 1686, Bernhard Dauwe 1700, Joseph Benedikt Heinz 1710, Martin Glasl 1721, Ignaz Bernhard Edlinger 1732, Mathias Kreuzmayer 1760, Joseph Leopold Wagner 1764, Sebastian Engelbrecht 1784 († 1836), Joseph Anton Kellhofer († 1809). Ebenso sind die Namen von Mesnern bekannt, die ja ebenfalls meist Musiker waren, und die von städtischen Thurnermeistern (ab Wenzl Reickher 1393; die Funktion gab es übrigens hier bis in das 19. Jh., der letzte war der 1882 bestellte Johann Schneider). Seit der 2. Hälfte des 15. Jh.s sind an der Stadtpfarrkirche St. Georg sog. Frohnämter (ebenso gesungen wie die Vespern) und „figurierte“ Mess-Stiftungen (d. h. mit mehrstimmiger Kirchenmusik) nachgewiesen. Ebenso hat man sich die zahlreichen Prozessionen (z. B. am Karfreitag), Wallfahrten und Aufzüge der Flagellanten (Geißler) sowie das traditionelle Ölberg-Spiel als reichlich mit Musik und Gesang ausgestattet vorzustellen. Als Träger entsprechender Stiftungen traten verschiedene Bruderschaften auf.

1630 wurde in Sch. ein Kapuzinerkloster errichtet. Enge Beziehungen bestanden offenbar auch in musikalischer Hinsicht zu dem nahen, am linken Innufer gelegenen Benediktinerstift Vornbach. So ist z. B. die Mitwirkung der „Herrn Musici von Scharding“ beim Begräbnis von Abt Benedikt Moser (1784) belegt und nicht weniger als vier auch musikalisch tätige Konventualen kamen innerhalb kurzer Zeit aus Sch.: P. Cölestin Mayr (1667–98), P. Joseph Mayr (1683–1735), P. Clarus Mayr (1724–84) und P. Amand Mayr (Mayr, Familie). In diesem Milieu wäre die erste Ausbildung des zweifellos bedeutendsten Komponisten Sch.er Herkunft, R. I. Mayr, über die nichts Näheres bekannt ist, durchaus vorstellbar.

Im Zuge der nach der Beschießung durch die Österreicher 1703 notwendig gewordenen Erneuerung der Stadtpfarrkirche erhielt diese in den 1720er Jahren eine Orgel von J. I. Egedacher (1807 repariert und 1840 durch ein Werk des Welser Orgelbauers Josef Heining, schließlich 1923 nur notdürftig durch ein solches der Passauer Firma Meier ersetzt, 1973 wurde ein Neubau der Fa. Pirchner aus Steinach am Brenner/T eingeweiht).

Besser erforscht und dokumentiert ist die jüngere Musikgeschichte von Sch. Mit ihrer Gründung um die Jahreswende 1846/47 hat die hiesige Liedertafel (Männergesang) zu den ältesten in Österreich gehört, sie ging jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Zu den Gründen dafür gehörte wohl die gleichzeitige Tätigkeit weiterer Chöre: des 1903 als „Sängerrunde“ gegründeten Gesangvereins „Widerhall“ (mit einem seit 1986 bestehenden Jugendchor), des nur vorübergehend aktiven Arbeitergesangvereins (Arbeiter-Musikbewegung) „Freiheit“ (1919 begründet, 1934 zwangsweise aufgelöst, nach 1945 wiederbegründet, aber seit 1961 ruhend) sowie mehrerer kleinerer Vokalgruppen (u. a. christlich-sozialer Gesangverein 1920, christlich-deutscher Gesangverein 1923, traditioneller Kirchenchor, Sängerriegen diverser Vereine). Die erste Erwähnung der Sch.er Stadtkapelle stammt erst aus dem Jahre 1872. Offenbar war sie (wie in anderen Orten) aus dem Thurner-Gewerbe hervorgegangen, noch 1892 wurde Sebastian Horvath (1861–1934) als städtisch besoldeter Kapellmeister aufgenommen. Zwischen 1902/20 ist in diesem Rahmen (abermals wie in vielen anderen Orten sowie der alten Musikvereins-Idee entsprechend) neben der Blasmusik auch ein Streichorchester verbürgt, das dann in ein Salonorchester überging. Daneben hatte nach dem Ersten Weltkrieg der ehemalige Militärmusiker aus St. Florian a. I./OÖ, Karl Schröckeneder (1892–1945), eine eigene Kapelle aufgebaut (die ab 1922 auch ein Streichorchester führte; doch war die 1924 vollzogene Vereinigung beider Klangkörper zur Vereinigten Stadtkapelle offenbar nur von kurzer Dauer). Spätestens 1934 dürfte sich die Stadtkapelle aufgelöst haben; 1949 wurde sie unter veränderten Bedingungen neu begründet (Kpm. Anton Prinstinger [1907–73], Josef Sauschläger [1964–79], Josef Sommer [1979–89], Manfred Matzelsberger [1989–2000], Christian Kasbauer [seit 2000]). Platz-, Kurhaus- und Benefizkonzerte sind ebenso Tradition geworden wie jährliche Festkonzerte und die Mitwirkung bei verschiedenen kirchlichen Anlässen und Heldenehrungen. Anlässlich des Innviertel-Jubiläums 1979 wurde in Sch. ein „Bayerisch-österreichisches Blasmusiktreffen“ organisiert. 1872 bildete sich aus den Reihen der Liedertafel eine instrumentale Musikgesellschaft (auch „Hausorchester“ genannt), die zumindest bis 1928 tätig war; anfangs in kammermusikalischer Besetzung mit Klavier und/oder Harmonium (also einem Salonorchester angenähert, zu dem es 1905 formell umgebildet wurde). Als Dirigenten fungierten der Strafhausarzt von Suben/OÖ Ignaz Zezulak (der auch als Komponist hervortrat), der damalige Stadtkapellmeister Johann Schneider, Horvath und Josef Doprautz (1862–1941). 1927 konnte von der Kapelle Schröckeneder bei einem Gastspiel des Braunauer Stadtheaters mit A. Lortzings Waffenschmied sogar der Orchesterpart übernommen werden, ebenso zwei Jahre später bei einer Aufführung der Operette Ich hab ein Herz in Heidelberg gefunden des damals in Sch. lebenden Komponisten Franz Lenz. Mit Unterhaltungs- und Tanzmusik (insbesondere der damals „modernen internationalen Tänze“) war Schröckeneder schon ab 1919 in Erscheinung getreten. 1934–37 trat sogar eine eigene Jazzkapelle auf. Des Weiteren gab es bis 1938 zahlreiche, wenn auch z. T. nur kurzlebige kleinere und oft nur vereinsintern auftretende Instrumentalensembles. So führte z. B. der 1864 gegründete Militär-Veteranen- und Kriegerverein bis 1934 eine eigene Musikkapelle (wenigstens 1892–1912 von Horvath geleitet), von den 1880er Jahren bis ins frühe 20. Jh. führte der Regens chori Johann Plohberger (* 1854 Rannariedl/OÖ, † 1928 Sch.) einen„Zitherkranz Sch.“, von 1880 bis in die frühen 1920er Jahre wird von mehreren Ensembles Josef Scheurecker (1875–1946; insbesondere für den Landler-Tanz; Ländler) berichtet, eine sog. Dienstaggesellschaft konnte zumindest zwischen 1902/08 ein Streichquartett (J. Scheurecker, Carl und August Stiegler, Karl Eichinger, Franz Riedl) stellen, 1909 ist eine Musikkapelle aus Mitgliedern des deutsch-nationalen Handlungsgehilfen-Vereins belegt usw. Nach 1945 setzt sich diese Tradition fort, u. a. die Ortsgruppe des Brucknerbundes (1947), diverse Tanzkapellen von Andreas Schmid (1948), die Jagdhornbläsergruppe Pramtal (1965), das Sch.er Kammerorchester (1972, unter Heinrich Allin), Walter’s Big Band (1977, Walter Sinzinger), Sch.er Volksmusik (1980 in Fortsetzung der Subener Volksmusik, 1975), Vocal-Ensemble Sch. (1981, unter dem Organisten Johannes Dandler), Gin Tonic (1989, Werner Duscher, Harry Grüblinger, Doby Antony), Sch.er Jugendband (1990, besonders zur Messgestaltung, Stefan Teufelberger).

Seit dem 19. Jh. haben sich verschiedene Ensembles immer wieder zu gemeinsamen Veranstaltungen zusammengefunden (z. B. Fahnen- und Stadtfeiern, Schillerfeier 1905, Kaiserjubiläumsfeier 1908, Heimattagung 1927, Tag der Musikpflege 1935). Dazu kommen zahlreiche vereinsfreie Veranstaltungen und Auftritte auswärtiger Künstlergruppen. Als Veranstalter traten auch Institutionen wie die 1923 gegründete Innviertler Künstlergilde, die Ortsgruppe des Bildungsvereins Urania, nach 1955 das Katholische Bildungswerk, der seit 1930 bestehende Brucknerbund, die Österreichische Kulturvereinigung, die Arbeiterkammer usw. auf. 1924 wurde das weihnachtliche Turmblasen eingeführt, was in gewisser Weise ein unbewusstes Wiederanknüpfen an ältere Traditionen der Thurner bedeutete. Eine herausragende Gestalt war zweifellos Leop. Daxperger, der in den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg das Musikleben Sch.s nachhaltig prägte. Als herausragend sind auch die Veranstaltungen zum Stadtjubiläum 1966 und zum Innviertel-Jubiläumsjahr 1979 anzusehen. In der Zwischenzeit (1972) wurde das Sch.er Kammerorchester gegründet, das sich seither (auch in Serenaden im Schlosspark) regelmäßig präsentiert. Die seit 1952 bestehenden Europäischen Wochen Passau haben zwischen 1974/87 achtmal auch Sch. einbezogen. Aber auch die Volkslied- und Pop-Szene sind außerordentlich lebendig. Nicht zuletzt sind mehrere Volkstanzgruppen zu erwähnen (hervorragend betreut durch Helene Tretsch). Der Kirchenchor hat ebenfalls (insbesondere unter Rudolf Leßky, * 1935 Ried/OÖ, seit 1963) den Weg von der cäcilianistischen Ausrichtung im späten 19. Jh. zu historisch und aufführungspraktisch größerer Bandbreite einerseits und zur Pflege der klassischen österreichischen Kirchenmusik zurück gefunden und ist über die allein liturgischen Aufgaben hinausgewachsen.

Der Musik- und Instrumentalunterricht erfolgte lange Zeit, wie üblich, privat. Insbesondere besserten auf diese Weise die Kirchenmusiker und Kapellmeister der Blasmusik (d. h. die traditionell hauptberuflichen Musiker und deren Nachfolger) ihre kargen Gehälter auf. Aber auch für andere Musiker bildete er die Lebensgrundlage, z. B. die Klavierlehrerin Anna Weiß (1878–1959) oder den ehemaligen Wiener Konzertsänger Julius Chmel-Traun (* 1854). Um 1941 wurde eine „Kreismusikschule“ ins Leben gerufen, doch erst die Neugründung einer städtischen Musikschule durch L. Daxberger 1947 hatte Erfolg (Nachfolger: Karl Schmid 1963–66, Edeltrude Konrad 1966–76). 1978 wurde sie in das Musikschulwerk des Landes Oberösterreich übernommen (Musikschulwesen; Leiter wurde der aus dem nahen Andorf stammende Pianist Wolfgang Stöffelmayr). Die 1983 gegründete Musikhauptschule war die erste ihrer Art im Innviertel. Nicht nur diese, sondern auch die Pflichtschulen und das Gymnasium bereichern mit ihren Schülerkonzerten in erfreulicher Weise das öffentliche Musikangebot der Stadt, das allein darunter leidet, keinen eigenen Konzertsaal zu besitzen, sondern bei Bedarf in das Landesbildungszentrum Schloss Zell a. d. Pram/OÖ ausweichen zu müssen. Gebürtiger Sch.er ist u. a. H. Ortmayr. Auf einer Idee von August Humer ging die konzertmäßige Bespielung der 1878/81 restaurierten Leopold Freundt-Orgel im nahen Kirchlein von Brunnenthal/OÖ zurück, die zur Etablierung des erfolgreichen Brunnenthaler Orgelsommers (Festivals) führte.

Volksmusikalisch ist Sch. selbstverständlich im Innviertel eingebettet. Dass der oberösterreichische Mundartdichter Anton Schosser (1801–49) hier den berühmten „Erzhzg.-Johann-Jodler“ (auf den Sohn K. Leopolds II. [Johann, Erzherzog] Wo i geh und steh) aufgezeichnet haben soll, trifft nicht zu. Doch dürfte bei der Entstehung eine Melodie von E. Zöhrer im nahen Reichersberg eine Rolle gespielt haben


Literatur
Hb. hist. Stätten/Donauländer 1970; J. Ev. Lamprecht, Historisch-topographische und statistische Beschreibung der k. k. landesfürstlichen Gränzstadt Sch. am Inn 1887; K. Schmid in Stadtgemeinde Sch. (Hg.), Chronik der Stadt Sch. am Inn 1991; G. Breuer, Das Musikleben der Stadt Sch., Dipl.arb. Wien 1993; A. Mauerhofer in Musikethnologische Sammelbände 1 (1977).

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Schärding“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e089
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