Prozession
Umzug (nach lat.
processio = „vorschreiten“); hauptsächlich sind dabei feierliche Umzüge der Geistlichkeit und des gläubigen Volkes in und um Kirchen oder auf öffentlichen Straßen und Plätzen gemeint, wie diese in der katholischen und in den orthodoxen Kirchen üblich sind. Neben den religiösen
P.en (Wallfahrten, Flurumgänge, Bittprozessionen) gehören auch Heische-, Faschings-, Laterndl-, Hochzeits- und Begräbnisumzüge, aber auch der „Hottergang“ (gemeinschaftliches Begehen einer Grenze als Rechtshandlung) zu dieser Art von rituellem Gehen, das meistens nicht taktmäßig geschieht und sich dadurch vom Marschieren und von der Parade unterscheidet. Die
Tiroler Fasnachtsumzüge werden gesprungen; ob auch der „lange Tanz“ von Kleinfrauenhaid/Bl eine getanzte
P. war, ist nicht ganz geklärt.
Triumphzüge gab es bereits in der Antike; im Mittelalter entstand die Fronleichnams-P. (s. Abb.), die aufgrund einer Vision der Augustinernonne Juliana von Lüttich 1244 in Lüttich (Liège/B) eingeführt und 1264 für die Gesamtkirche bestätigt wurde. Sie zeichnet sich an vielen Orten durch große Prunkentfaltung (geschmückte Straßen und Häuser, Fahnen, Musik, Ehrenformationen) aus, deren Höhepunkt das Mitführen des Allerheiligsten ist. Ein üppiges P.s-Wesen mit Aufblühen der Wallfahrten entwickelte sich zur Zeit der Gegenreformation. Die musikalische Gestaltung von P.en oblag früher – abgesehen von den Sängern – vielfach Schweglern und Trommlern, aber auch Trompetern und Paukern (ab 1754 von K.in Maria Theresia verboten) und anderen Musikern; das typische Repertoire waren „Aufzüge“ und „P.s-Märsche“. Ihre Funktion wurde später oft von Blaskapellen (Blasorchester) übernommen, z. B. bei den Mai-Aufmärschen. P.en jüngerer Zeit wie Protestdemonstrationen, Love-Parades u. a. entwickeln ihre eigene angemessene musikalische Sprache, z. B. mit Trillerpfeifen und Lärmgeräten.
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5.4.2023
Gerlinde Haid,
Art. „Prozession“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
5.4.2023, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001ddfe
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