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Schwegel
Hölzerne Querflöte mit sechs Grifflöchern ohne Klappen, auch Sch.-Pfeife, im Salzkammergut „Seitlpfeifen“ genannt. Sie entspricht etwa jenem Instrument, das Martin Agricola in Musica instrumentalis deudsch 1545 als „Schweitzer Pfeiffen“ abbildet, mit der Bemerkung, dass sie in drei Größen gebaut würde (auf dem Bild sind allerdings vier verschiedene Größen zu sehen).

In der Volksmusik des süddeutsch-österreichischen Raumes waren früher zahlreiche Flöten- und Pfeifeninstrumente in Gebrauch; darunter hatte die Sch.-Pfeife die größte Bedeutung. Sie wird bis heute (2005) im Salzkammergut, vereinzelt auch in Niederösterreich (beim Brauch des „Jungfrauenaufweckens“ in Waidhofen a. d. Ybbs), in Tirol und in Südtirol (Ahrntal und Tauferertal), in Oberbayern (Isarwinkel), in der Innerschweiz bei der Basler Fasnacht und im Wallis gespielt. Im Mittelalter war sie, gepaart mit der Trommel, das Instrument der Landsknechte, aber auch der Bauern bei den Bauernaufständen und der Burschen bei ihren Kirchweihzügen. Wenn Joseph Rohrer in seinem Beytrag zur Österreichischen Völkerkunde 1796 schreibt, der deutsche Tiroler höre die Sch., „welche höchstens nur einige Töne der zwey oder drey gestrichenen Oktave schmettert“, so gern wie der Appenzeller sein Kühhorn, wegen Andenken genossener Kirchweihtage, gefeierter Schützenmärsche, geschehener Nachtständchen, so bestätigt das einerseits den Einsatz dieses Instrumentes in vielerlei Zusammenhängen, andererseits aber auch seine damalige Bedeutung für derlei identitätsbildende Zuschreibungen. Die Sch. begleitete daher selbstverständlich auch die Tiroler Freiheitskriege; sie war bis 1806, wo sie dann durch verbesserte Instrumente ersetzt wurde, ein Instrument der österreichischen Militärmusik und ist bis heute im Brauch der Schützengesellschaften verankert, allerdings nur noch im Salzkammergut. Neben diesen militärischen und paramilitärischen Aufgaben war sie aber auch ein Instrument für die Hochzeit, für den Tanz und für die Alm, wie zahlreiche Nachrichten und Bilder aus dem 19. Jh. bestätigen. In Grundlsee/St waren damals die Brüder Joseph (1819–97) und Franz (1823–82) Steinegger „Wilhelmer“ so meisterhafte Spieler, dass sie von Hans (Johann Nepomuk) Graf Wilczek (1837–1922) in die Wiener Salons geholt wurden.

Sch.n werden aus Hartholz gedrechselt und ausgebohrt, und zwar in verschiedenen Längen, was verschiedenen Tonlagen entspricht, wobei vom Spieler der Grundton immer als d gedacht wird. Der altertümlichen Stufe der Musikübung entspricht bis heute, dass zum Zusammenspiel immer gleiche Instrumente (nicht Familien) verwendet werden. Manche ältere Pfeifen produzieren noch eine neutrale Terz über dem Grundton. Während die Sch.n früher von dörflichen Drechslern und Bastlern erzeugt wurden, nahm sich im 20. Jh. der Kärntner Orgelbauer Hausa Schmidl (1905–99) dieses Instruments an und erzeugte verbesserte, sehr wohlklingende und sauber gestimmte Pfeifen. Ihren Absatz fanden sie in der Musikantenszene, in der durch den 1925 von R. Zoder eingeführten „Pfeifertag“ (Sänger- und Musikantentreffen) und durch viele „Pfeiferwochen“ das Schwegeln wieder auflebte.


Literatur
(Alphabetisch:) K. Birsak in Salzburger Heimatpflege 3/3 (1979); F. Grieshofer in Musik im Brauch der Gegenwart 1988; G. Haid in MusAu 17 (1998); G. Haid in K. Drexel/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols 2 (2004); M. Riedl (Hg.), Hausa Schmidl. Sch.-Bauer und Volksliedsammler. Ein Lebensbericht aus Anlass seines 100. Geburtstages 2005; K. Horak in Der Schlern 31 (1957); K. M. Klier, Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen 1956; K. M. Klier in Das dt. Volkslied In Arbeit 25 (1923) [neu aufgelegt als: Neue Anleitung zum Schwegeln (Seitenpfeifen) 1931]; A. Koch, Die Tiroler Schützen-Sch. 1978; A. Ruttner in Volkskultur in Oberösterreich 1966/67; A. Ruttner, Pfeifermusik aus dem Salzkammergut 2 [o. J.]; A. Ruttner/R. Pietsch in W. Deutsch et al. (Hg.), Beiträge zur Volksmusik in Oberösterreich 1982.

Autor*innen
GH
Letzte inhaltliche Änderung
22.11.2019
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Schwegel‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 22.11.2019, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e206
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

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10.1553/0x0001e206
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