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Olmütz (deutsch für tschechisch Olomouc)
Stadt in Mittelmähren an der March. Seit 1063 Zentrum des mährischen Bistums (lat. Olomucium), seit 1777 des Erzbistums O. Im 11. und 12. Jh. Sitz von Teilfürsten, war O. bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges die Hauptstadt der Markgrafschaft Mähren. Die wichtigsten Kirchen waren die Kathedrale St. Wenzel (gegr. 1104) und die Stadtpfarrkirche St. Moritz (erste Nachricht 1257). In der Stadt ließen sich zahlreiche geistliche Orden nieder: Prämonstratenser in dem nahe gelegenen Hradisko (1151), Augustinerinnen (1213), Dominikaner (1227), Minoriten (1230), Klarissinnen (1242), Dominikanerinnen (1287), Augustiner Chorherren (1434), Franziskaner (1451), Kapuziner (1614), Ursulinerinnen (1697). Die blühende Stadt verfiel während der Okkupation der schwedischen Armee und infolge der Belagerung durch die Kaiserlichen 1642–50 und verlor ihre frühere führende Stellung zugunsten von Brünn. Im Unterschied zu Prag konnten die O.er Bischöfe in den Hussitenkriegen die Macht in ihrer Diözese bewahren. Im 16. Jh. wurde die Stadt ein Zentrum des Humanismus. Bereits in der 1. Hälfte des 16. Jh.s traten zahlreiche Bürger zum Luthertum (Reformation) über. Im Jahr 1558 ließ Jan Blahoslav, Bischof der Brüdergemeinde (böhmische und mährische Brüder), in O. das erste Musiklehrbuch in tschechischer Sprache (Musica) erscheinen, der Lutheraner Jakub Kunvaldský 1572 und 1576 sein großes evangelisches Gesangbuch. 1566 rief Bischof Vilém Prusinovský die Jesuiten in die Stadt. Ihre Schulen wurden 1573 zur Univ. erhoben. 1778–82 wurde die Univ. nach Brünn übertragen, erneuert wurde sie als Palacký Univ. erst wieder 1946.

Choralisten (boni infantes) sind an der Kathedrale bereits 1104–26, ein magister scolarum 1258 belegt. In derselben Zeit wirkte an der Kathedrale ein bezahlter organista seu cantor (eher ein Organumsänger als ein Organist). 1417 weilte der Musiktheoretiker Mikuláš z Kozlí in O. Von hier stammte auch Johannes de Olomons [!], Autor der Schrift Palma choralis de rationibus cantus ecclesiastici (zw. 1440/43). In der Bibiliothek des Metropolitankapitels sind noch zahlreiche notierte mittelalterliche Codices (Choral) erhalten, auch einige mittelalterliche tschechische Gesänge und mehrstimmige Kompositionen. 1579–85 stand J. Gallus in Diensten des Bischofs Stanislav Pavlovský (1579–98), dem er mehrere Werke widmete. Ihn löste 1585–88 Andreas Ostermayer ab, der Komponist Nikolaus Zangius ist 1617 in O. gestorben.

Nach dem Dreißigjährigen Krieg entfaltete sich die Kirchenmusik wieder an der Kathedrale, in der Jesuitenkirche Maria Schnee (auch mit Oratorien) und in St. Moritz. Von den Domkapellmeistern sind zu erwähnen: Philipp Jakob Rittler (ca. 1639–90), Thomas Anton Albertini (ca. 1660–1736), Václav und Josef Gurecký (1705–43 bzw. 1709–69), Ant. Neumann, Josef Puschmann (1738–94) und 1872–83 P. Křížkovský, Hauptreformer der Kirchenmusik in Mähren nach cäcilianischem Vorbild Witt´scher Prägung. Von den Organisten sei erwähnt Karl Joseph Einwald, Autor einer Offertoriensammlung Vocalis decalogus (1720) und der Kantor an St. Moritz, Francesco Carlo Müller, ein sehr fruchtbarer Komponist von Kirchenmusik. 1745 baute Michael Engler in St. Moritz eine große Orgel mit drei Manualen und 41 Registern, die 1843 von Ch. Erler umgebaut und 1961 auf 5 Manuale und 94 Register erweitert wurde (s. Abb.). Vom 26.10. bis 23.12.1767 weilte L. Mozart mit seinen Kindern auf der Flucht vor den Pocken aus Wien in der Residenz des Kapiteldechants Leopold Antonín Podstatský. Hier komponierte W. A. Mozart seine Symphonie KV 43.

Die weltliche Musik lag in Händen der Thurner, die praktisch die Funktion von städtischen Musikdirektoren ausübten und Musikinstrumente aller Art beherrschten. Aus der Familie des O.er Thurners Finger stammte der Komponist G. Finger. Unter dem Patronat des Bischofs Maximilian Hamilton wurde 1770 ein Collegium musicum gegründet, das öffentliche Konzerte bis in die 1820er Jahre veranstaltete. Der Erzb. (1820–31) und Mäzen L. v. Beethovens, Erzhzg. Rudolph, zu dessen Inthronisation Beethoven seine erst 1823 vollendete Missa solemnis schrieb, erwarb sich auch Verdienste um den Bau des O.er Stadttheaters, das bis heute (2004) existiert. 1817 wurde der Dilettanten-Verein, 1851 der Musikverein, 1860 der Männergesangverein, 1862 der Kammermusikverein, 1869 der Kirchenmusikverein gegründet. Der tschechische Musikverein Žerotín entstand erst 1880. Zu seinen bedeutendsten Leistungen gehören die EA.en von Werken tschechischer Komponisten, insbesondere von A. Dvořák, der dem Verein sein Oratorium Svatá Ludmila widmete. Žerotín unterhielt seit 1888 auch eine MSch. Wichtig für die Konzerttätigkeit war der Domkapellmeister und Komponist J. Nešvera.

Ab 1721 entwickelte sich in O. das Theaterwesen, nach 1750 führten hier italienische Gesellschaften auch Opern auf. 1781/82 war J. G. Mederitsch Theaterkapellmeister. In der 1. Hälfte des 19. Jh.s wurden im Theater jährlich ein Dutzend und mehr Opern einstudiert. 1883 war kurz G. Mahler Theaterkapellmeister und 1910 feierte M. Jeritza auf der O.er Bühne ihre ersten Erfolge. 1920–28 gastierte die O.er Oper unter der Leitung von K. Nedbal sogar in Wien und Krakau. Nach 1945 leiteten sie Iša Krejčí und Zdeněk Košler. An Sängern und Sängerinnen begannen hier u. a. Ludmila Červinková (1908–80), Beno Blachut (1913–95), Eduard Haken (1910–96) ihre Karriere. Konzerte veranstalteten ab 1925 die Filharmonie von Žerotín und das städtische philharmonische Orchester, das nach 1945 in Mährische Philharmonie umbenannt wurde. Unter den Dirigenten zeichneten sich besonders František Stupka (1946–56) und Jaromáír Nohejl (1960–87) aus.

Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden in O. mehrere Musikfestivals: 1959 der O.er Musikfrühling, 1968 das Internationale Orgelfestival, 1975 das Festival der Kinderchöre Iuventus mundi cantat, ab den 1990er Jahren das Herbstfestival der geistlichen Musik. An der Philosophischen Fakultät der Palacký Univ. wurde 1946 ein Lehrstuhl für Musikgeschichte errichtet, dessen Vorstände waren: Robert Smetana (1904–88, bis 1972), Vladimír Hudec (1929–2003, bis 1980), Jan Vičar (geb. 1949, seit 1992), Ivan Poledňák (geb. 1931, seit 2003). In den Jahren 1980–92 wurde das Musikwissenschaftliche Institut mit dem Institut für Musikerziehung der Pädagogischen Fakultät verbunden und praktisch degradiert. 1992 wurde die Musikwissenschaft an der Philosophischen Fakultät erneuert.


Literatur
J. Sehnal/J. Vysloužil, Dějiny hudby na Moravě [Gesch. der Musik in Mähren] 2001; J. Sehnal in Acta Musei Moraviae 56 (1971); J. Sehnal in Fontes artis musicae 25 (1978); J. Sehnal in Muzikološki zbornik 17/1 (1981); J. Sehnal in Acta organologica 15 (1981); J. Sehnal in Musik des Ostens 14 (1993); J. Sehnal in KmJb 77 (1993); J. Sehnal, Hudba v olomoucké katedrále v 17. a 18. století [Musik in der O.er Kathedrale im 17. und 18. Jh.] 1988; J. Fiala/J. Krejčová (Hg.), Mozart a Olomouc 1991; Vlastivěda třední a severní Moravy [Heimatkunde Mittel- und Nordmährens] II/2 (1942), 536–651; R. Quoika, Die Orgel von St. Mauritius in O. 1948; E. Petrů, Z rukopisných sbírek Universitní knihovny v Olomouci [Aus den hss. Slg.en der Univ.sbibl. in O.] 1959; 80 let pěveckého sboru Žerotín při Moravské filharmonii [80 Jahre Žerotín-Chor an der Mährischen Philharmonie O.] 1961.

Autor*innen
Jiří Sehnal
Letzte inhaltliche Änderung
15.7.2019
Empfohlene Zitierweise
Jiří Sehnal, Art. „Olmütz (deutsch für tschechisch Olomouc)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.7.2019, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001dbcb
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Kathedrale St. Wenzel© 2019 Hermann Zwanzger
© 2019 Hermann Zwanzger
Orgel von St. Moritz, erbaut von Michael Engler© 2019 Hermann Zwanzger
© 2019 Hermann Zwanzger
Gedenktafel an der ehemaligen Residenz des Kapiteldechants Leopold Antonín Podstatský© 2019 Hermann Zwanzger
© 2019 Hermann Zwanzger
Gedenktafel am Haus Michalska 2© 2019 Hermann Zwanzger
© 2019 Hermann Zwanzger

DOI
10.1553/0x0001dbcb
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