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Hussiten
Religiöse Reformbewegung in Böhmen (sog. „Taboristen“ radikaler, „Utraquisten“ oder „Calixtiner“ gemäßigter); nahm besonders nach der Verbrennung des Predigers Johannes Hus (daher der Name H.) und seines Mitstreiters Hieronymus von Prag in Konstanz (1415/16) auch sozialrevolutionäre und frühnationale (antideutsche) Züge an. Die Gegnerschaft zu Kaiser Sigismund zog auch dessen Schwiegersohn, den österreichischen Hzg. Albrecht V. in die Auseinandersetzungen, in deren Folge zwischen 1420 und 1434 mehrmals hussitische Heere in Österreich nördlich der Donau einfielen. Ob man das heutige Fehlen älterer Handschriftenbestände in den meisten Klöstern nördlich der Donau (Altenburg, Baumgartenberg, Schlägl, Waldhausen, Zwettl) im Besonderen mit daraus motivierter oder nur mit allgemeiner Zerstörungswut im Kriege erklären kann, ist schwer auszumachen. Obwohl utraquistische Momente (z. B. der sog. Laienkelch) in einzelnen Gegenden gelegentlich bis zur Gegenreformation zu beobachten sind, hat aus diesem Grund die H.-Bewegung in Österreich selbst keine nachhaltige Anhängerschaft gefunden. Zu den Grundsätzen der H. gehörte auch Kritik an traditionellen Riten sowie entsprechende Mess- und Gesangbücher. Die Cantio Jesus Christus nostra salus, deren älteste deutsche Übersetzung in Cod. Admont 516 zu finden ist, wird Hus wohl zu Unrecht zugeschrieben. Die Chronik des Laurentius v. Březová (1414–21) nennt auch Gesänge, welche Hieronymus bei seiner Hinrichtung angestimmt haben soll (Credo, Felix namque, Salve festa dies). Drei in der Österreichischen Nationalbibliothek (A-Wn) überlieferte notierte H.-Handschriften (lat. Kantional aus St. Jacob in Kuttenberg [Kutná Hora/CZ], Mus.Hs. 15501, 15. Jh.; ein vollständiges tschechisches Graduale aus Tschaslau [Čáslav/CZ], Mus.Hs. 15503, datiert 1557, s. Abb. und ein ebensolches, das nur gegen Schluss unvollständig ist, Mus.Hs. 15509, datiert 1568) sind prachtvoll ausgestattet, die ersteren enthalten auch einzelne zweistimmige Gesänge und alle drei lassen keinerlei Gedanken an Musik- oder Bilderfeindlichkeit aufkommen.
Literatur
K. A. Rosenthal in Acta mus. 6 (1934); Ch. E. Brewer in J. Szendrei/D. Hiley (Hg.), [Fs.] L. Dobszay 1995; J. Mantuani, Tabulae codicum manu scriptorum praeter Graecos et Orientales in Bibliotheca Palatina Vindobonensi asservatorum 9 u. 10 (1897); S. Petrin, Der österr. Hussitenkrieg 1420–1434, 1994; Strohm 1993; Z. Nejedlý, Dĕjiny husitského zpĕvu [Geschichte des hussitischen Gesangs] 1954–56.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Hussiten‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001d26f
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Graduale aus Tschaslau, 1557. ÖNB, Mus.Hs. 15.503, fol. 165r© ÖNB
© ÖNB

DOI
10.1553/0x0001d26f
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