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Mayer Mayer true (verh. Gaberle), Lise Maria (geb. Elise; E. Maria, Lisa M.)
* 1894-05-2222.5.1894 Wien, † 1968-03-1313.3.1968 Wien. Komponistin, Dirigentin, Musikpädagogin. Tochter des Holzkommissionärs Josef Rudolf M. (* 6.12.1866 Egresd?/Kroatien-Slawonien [Gradište/HR], † 3.12.1932 Wien) und der Stefanie Marianne, geb. Kohn (später Konta; * 26.12.1873 Wien). Konvertierte 1912 vom Judentum zum evangelischen Glauben A. B. und vor ihrer Heirat im Dezember 1923 mit dem Kaufmann Josef Otto Gaberle zum röm.-kath. Glauben. Ihr Vater, der sie bereits früh musikalisch förderte, soll G. Mahler autodidaktische Kompositionen der siebenjährigen M. vorgelegt haben und daraufhin von diesem bestärkt worden sein, ihre musikalische Ausbildung fortzusetzen. Klavierunterricht bei Vera Schapira, später bei R. Robert. Musiktheoretischen Unterricht nahm sie bei R. Stöhr, dann bei J. B. Foerster. 1913–20 Aufführungen ihrer Werke im Wiener Musikverein (1920 unter ihrem erstmaligen Dirigat). 1914 wurde sie ordentliches Mitglied der AKM. Ihre 1914–25 entstandenen Werke erschienen bei der UE. 1914–29 Aufführungen ihrer Werke im Wiener Konzerthaus (u. a. durch C. Palffy und G. Bodenwieser). 1916–18 studierte sie an der Wiener MAkad. bei F. Schalk (Kapellmeisterschule; Reifeprüfung ohne Reifezeugnis) und F. Schreker (Musiktheorie) sowie 1923/24 bei I. Schlemmer-Ambros (Gesang). 1918 galt sie in Wien bereits als bekannte Komponistin und wurde von der Portraitmalerin Mina (Minna) Loebell (1877–1956) portraitiert. 1926–33 sowie 1946–48 unterrichtete sie Klavier am Neuen Wiener Konservatorium. Im Jänner 1929 kam es bei der von ihr geleiteten Aufführung ihrer Symphonie Kokain in der Berliner Philharmonie zu einem Skandal: Ihr Ehemann wollte ohne ihr Wissen – wie sich später herausstellte – mittels einer Heiratsannonce (eine junge Witwe würde sich im Konzert einfinden) den Kartenverkauf ankurbeln; die auf diese Weise betrogenen Männer starteten noch im Saal einen medial intensiv rezipierten Tumult. F. Schalk verteidigte seine ehemalige Schülerin gegenüber der Kritik, musikschaffende Frauen müssten sich solcher Methoden bedienen, indem er bekundete, ihr dirigentisches Können sei nur wenig hinter jenem der männlichen Kollegen gestanden. Der Skandal hinterließ dennoch Spuren an ihrer Karriere: Ab den 1930er Jahren wurden ihre Werke ausschließlich in kleinerem Rahmen sowie vereinzelt im Radio gespielt. F. Weingartner zeigte 1936 Interesse, ihre Oper Michelangelo an der Wiener Staatsoper aufzuführen, seine plötzliche Abreise aus Wien verhinderte dies. M.s Haltung zur NS-Ideologie ist bis dato unklar: Trotz (offiziellem) Bekenntnis als Nationalsozialistin – jedoch ohne NSDAP-Mitgliedschaft – wurde sie aus der Reichsmusikkammer ausgeschlossen und zu eineinhalb Jahren Fabriksdienst verpflichtet. Bis mindestens 1949 gab sie privaten Musikunterricht (Klavier, Musiktheorie, Kammermusikspiel, Gesangskorrepetition). 1950 wurde sie wegen ausständiger Mitgliedsbeiträge aus der IGNM ausgeschlossen. In der Nachkriegszeit dürfte sie phasenweise v. a. krankheitsbedingt nicht komponiert haben, plante aber, sich wieder vermehrt der Tonschöpfung zu widmen (letzte Werkanmeldung bei der AKM 1966). Zeitgenoss*innen charakterisierten ihren Kompositionsstil als melodisch einfallsreich sowie von solidem Aufbau des thematischen Materials, wirksamer Orchestrierung und einer farbenreichen Harmonik mit kühnen Modulationen geprägt. Das Klavierlied dominierte ihr ca. 50 Werke umfassendes Schaffen, mit dem Orchesterlied reüssierte sie. Sie galt als erste Dirigentin größerer Orchester Wiens; die Kritiker waren sich bezüglich ihres Dirigats allerdings nicht einig: Zumeist wurde sie als sichere und besonnene Leiterin wahrgenommen, vereinzelte Stimmen widersprachen dieser Meinung. Zu ihren Schülerinnen und Schülern zählten u. a. Lucy Gelber und Hans Knast. Sie führte in den 1960er-Jahren eine Korrespondenz mit dem Schriftsteller Rudolf Felmayer (* 24.12.1897 Wien, † 27.1.1970 Wien).
Werke
Oper (Michelangelo, T: Hermann Kosel, L. M. M.); weltliches Oratorium (Bausteine für den Bau des Weltfriedens, T: L. M. M.) f. Soli, Chor, Orch., Org.; Symphonie (Kokain, UA 28.3.1928 Wien); Orchesterlieder; Kammermusik (Klavierquintett 1928, Saxophonquintett, Streichquartett in C); Klaviermusik (Suite Variété exotique 1925); Chormusik; Lieder (T: u. a. Franz Karl Ginzkey; Exotische Volkslieder; Zyklus Die stillen Götter, T: R. Felmayer).
Literatur
Marx/Haas 2001; A. Schwab, Jüdische Komponistinnen 2022, 69–75, 77–79; A. Fischer (Hg.), Die Musikstätten Österreichs 1928, 52; [Fs.] 25 Jahre Neues Wr. Konservatorium, 1934, 26; Die Zeit 18.12.1913, 3, 12.3.1914, 2; Fremden-Bl. 22.12.1913, 7; Neues Wr. Abendbl. 8.3.1917, 3; NFP 7.11.1917, 11, 20.4.1920, 9, 23.10.1922, 8, 15.9.1924, 6, 17.9.1928, 6, 20.3.1932, 15; Die Stunde 10.3.1927, 7, 16.1.1929, 5; Die Bühne 1928, Nr. 176, 43; Der Tag 11.11.1928, 9f, 13.1.1929, 3f; Neues Wr. Journal 3.4.1928, 11; Neues Wr. Tagbl. 4.4.1928, 2; Das Kleine Bl. 13.1.1929, 2ff; Freiheit! 18.1.1929, 5; Radio Wien 30.5.1930, 38; Die Österreicherin 3/1937, 2; Wr. Kurier 27.9.1949, 7; www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lise_Maria_Mayer (4/2023); www.lexm.uni-hamburg.de (4/2023); www.geschichtewiki.wien.gv.at/Rudolf_Felmayer (8/2023); rkd.nl (8/2923); Matrikelamt der IKG Wien I, Geburts-Anzeige Nr. 1233; Mitt. Archiv MUniv. Wien (4/2023); eigene Recherchen (ÖNB, Hss.-Slg. und Musikslg.; anno.onb.ac.at, konzerthaus.at, www.genteam.at).

Autor*innen
Bettina Graf
Letzte inhaltliche Änderung
18.12.2023
Empfohlene Zitierweise
Bettina Graf, Art. „Mayer (verh. Gaberle), Lise Maria (geb. Elise; E. Maria, Lisa M.)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.12.2023, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x003eb005
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Foto von Albert Hilscher, 1925© Bildarchiv Austria, ÖNB
Die Bühne 1928, H. 176, 43© ANNO/ÖNB
Karikatur von Carl Josef zum Skandal um Lise Mayers Aufführung von Skandal, 1929 © ANNO/ÖNB

DOI
10.1553/0x003eb005
GND
Mayer (verh. Gaberle), Lise Maria (geb. Elise; E. Maria, Lisa M.): 1089763115
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