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Glockenspiel
G.e zählen zu den ältesten Musikautomaten. Schon in der Uhr des Archimedes soll eine fallende Kugel zu jeder vollen Stunde eine Glocke (oder vielleicht eher ein Becken) zum Erklingen gebracht haben. Vergleichbar mit der berühmten Monumentaluhr im Straßburger Münster besaß auch die Kunstuhr in Olmütz ein G.(1419). Turm-G.e, die seit Jh.en die musikalische Landschaft der Niederlande und Belgiens prägen, sind in Österreich jedoch nie heimisch geworden. Lediglich ein Ausläufer dieser Tradition ist mit dem G. in Salzburg vertreten. 1695 kaufte Fürsterzbischof J. E. Graf Thun bei Melchior de Haze in Antwerpen 35 Glocken und ließ das G. von Salzburger Handwerkern im Turm des Neugebäudes installieren. 1705 ertönte es zum ersten Mal. Etwa zur gleichen Zeit (1694) erhielt auch die Loretokirche in Prag ein G. Anfang des 20. Jh.s wurden in Österreich vereinzelt wieder größere G.e eingerichtet: 1903 in Graz, 1911 in Berndorf/NÖ. 1958 wurde im Rathaus der Stadt Gmunden ein Porzellan-G. in Betrieb genommen, die Glocken wurden in Meissen/D hergestellt. 1993 wurde das Gmundner G. erneuert und auf 24 Glocken erweitert. Als Unikat ist wohl das große Glas-G. mit 48 Glasglocken, 48 Glasplatten und 12 Tonfedern anzusehen, das Johann Georg Schuster 1829 in einem Turm der Franzensburg in Laxenburg aufstellte.

Einer allgemeinen Verbreitung hingegen erfreute sich die Miniaturform des G.s in den Stand- und Tischuhren, wie sie seit der Renaissance üblich geworden waren. Eine Vorbildwirkung dürfte sicher von den Augsburger Kunstuhren ausgegangen sein, so auch von jener, die ab 1711 (bis zu ihrem Verkauf 1839) vom Wiener Publikum bestaunt werden konnte und neben den verschiedensten chronologischen und astronomischen Anzeigen über ein Orgelwerk, ein G., ein Stahlspiel, ein Saitenspiel und Trommel und Pfeifen verfügte. Aus dieser Disposition wird deutlich, dass zwei Arten von G.en geläufig waren: Stahlstabspiele mit liegend oder auch hängend angeordneten Stäben, und die eigentlichen G.e, bei denen schalenförmige Glocken auf einer Spindel aufgereiht sind. Letztgenannte Bauform ist bei weitem häufiger anzutreffen und für die Carillons in den Uhren des 18. Jh.s typisch geworden (s. Abb.). Für gewöhnlich bestanden die Carillons aus etwa 6–12 Glocken, auf denen einfache Melodien gespielt wurden. Bei aufwändiger gebauten Instrumenten sind (wie bei den Turm-G.en) für die meisten Töne zwei Hämmer vorgesehen, mit denen rasche Tonwiederholungen möglich sind. Besondere Prunkuhren haben oft große Carillons, die kaiserliche Vorstellungsuhr von 1750 (ein Geschenk des Landgrafen von Hessen an Maria Theresia anlässlich ihres 10-jährigen Regierungsjubiläums) besitzt gar 29 Glocken mit insgesamt 52 Hämmern. Im Sockel dieser Uhr verbirgt sich außerdem eine Klaviatur, über die ein zweites G. von Hand gespielt werden kann.

Ende des 18. Jh.s erwuchs den Carillons jedoch mit den neu aufgekommenen Flötenwerken (Flötenuhr) eine ernstzunehmende Konkurrenz und mit der Erfindung der Kammspielwerke wurden die G.e aus den Uhren des 19. Jh.s vollends verdrängt. Selbst die Einzelglocken für den Stundenschlag wurden schließlich durch Tonfedern ersetzt.

Das handgespielte G. steht durch seine Verwendung als thematisch und folglich auch musikalisch zentrales Instrument in W. A. Mozarts Zauberflöte in einer besonderen Beziehung zu Österreich. Offensichtlich kam 1791 ein Klaviaturstahlspiel neuester Bauart zum Einsatz, möglicherweise von Röllig konstruiert. K. L. Röllig war 1784 mit einer Tastenharmonika hervorgetreten; wären dann auch noch H. Klein in Pressburg oder F. K. Bartl in Olmütz in Betracht zu ziehen? Letzterer will um 1787 ebenfalls eine Tastenharmonika verfertigt haben, dessen verbesserte Version er 1797 dem Wiener Publikum vorstellte.


Literatur
G. Croll in ÖMZ 29 (1974); R. Eger in Dt. Uhrmacherzeitung 18 (1915); J. E. Engl, Das G. in Salzburg 1909; J. Goguet, Le carillon des origines à nos jours 1958; F. Kaltenböck, Die Wiener Uhr 1988; H. Kowar, Spielwerke 1999; A. Lübke, Uhren, Glocken, G.e 1980; F. X. Parsch, Die Olmützer astronomische Kunstuhr 1900; W. G. Rice, Carillions of Belgium and Holland 1914; F. H. van Weijdom Claterbos, Viennese clockmakers 1979; H. Wesely/A. Chapuis in La suisse horlogère 69/3 (1954).

Autor*innen
Helmut Kowar
Letzte inhaltliche Änderung
25.4.2003
Empfohlene Zitierweise
Helmut Kowar, Art. „Glockenspiel‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 25.4.2003, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020951
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
7-töniges Glockenspiel in einer Stutzuhr des 18. Jh.s.© Wiener Privatbesitz. Foto Helmut Kowar
© Wiener Privatbesitz. Foto Helmut Kowar
HÖRBEISPIELE

© MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst/Gegenwartskunst, Wien
Stockuhr von Benedict Schisel, Wien, nach 1800, Carillon mit 9 Glocken, 4 Melodien und Stundenschlag. Aufnahme Phonogrammarchiv B 42082

DOI
10.1553/0x00020951
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