Wreede (Wrede, eig. Willheim [Wilheim]),
Fritz (Fred)
* 8.1.1892 Mißlitz/Mähren [Miroslav/CZ],
† 3.10.1934 Berlin (Freitod).
Chansonnier, Conférencier, Schauspieler, Verlagsleiter.
Sohn des jüdischen Kaufmanns Adolf Willheim (* ca. 1856 [Ort?], † 20.4.1916 Wien?) und von dessen Frau Henriette Gertrude, geb. Latte (* 5.3.1874 Bromberg/Posen [Bydgoszcz/PL], † 31.1.1943 Ghetto Theresienstadt [Terezín/CZ]). Über seine Ausbildung ist nichts bekannt. Im November 1911 trat er erstmals als Chansonnier in der Fledermaus an die Öffentlichkeit. Spätestens im November 1914 verwendete W. bei seinem Auftreten in der Bunten Bühne Rideamus seinen Künstlernamen. 1915 holte ihn Egon Dorn an den Simpl, wo er bis 1919 regelmäßig als Chansonnier und Conférencier wirkte. Sein Markenzeichen waren ein Lorgnon und perfektes Outfit („den bestsitzenden Frack und die durchgeistigste Bügelfalte aller jemals gewirkten Wiener Conferenciers“ [Der Morgen 5.9.1927, 13], s. Abb.). Darüber hinaus 1915/16 erstes Engagement als Bonvivant und Liebhaber an die kleine Residenzbühne in der Rotenturmstraße (Wien I). Später spielte er auch in den Kammerspielen. Im Dezember 1915 gab W. mit einem Teil des Simpl-Ensembles ein Gastspiel im Budapester Kristallpalast. Im April 1916 debütierte er am Theater an der Wien in O. Nedbals Operette Die Winzerbraut. Seit etwa 1916 wirkte er auch in einigen Stummfilmen mit. 1919/20 war er in Berlin in den Künstlerspielen unter Rudolf Nelson tätig. Zurück in Wien, war er im Chat noir (Mariahilferstraße) und in den Künstlerspielen Pan engagiert. Im Oktober 1920 übernahm er für kurze Zeit die künstlerische Leitung des Kabaretts Nixe (Wien II). 1921 kehrte er an den Simpl zurück, mit dem er Ende Juni 1922 ein Gastspiel in Brünn unternahm. Im November 1922 ging W. für knapp zwei Jahre nach New York/USA, wurde im Verlagswesen tätig und übernahm dort u. a. die Generalvertretung für den Wiener Bohême-Verlag. Zwischendurch kehrte er nach Wien zurück, wo er Anfang September 1923 ein kurzes Gastspiel im Simpl gab. Zum Zeitpunkt seiner Eheschließung am 11.10.1924 mit Hanna (eig. Emma Johanna) Bloch (geb. Ebeling, * 13.9.1893 Harburg [Hamburg]/D, † 1990 Berlin?), der Witwe von Ernst Bloch (* 7.1.1878 Berlin, † 30.9.1923 Berlin), dem Eigentümer des größten deutschen Bühnenverlags Felix Bloch Erben, lebte W. in Berlin. 1925 initiierte er ein urheberrechtliches Abkommen mit den USA hinsichtlich der mechanischen Wiedergabe von Werken österreichischer Staatsbürger. Im selben Jahr wurde W. angeblich Teilhaber des Berliner Rondo-Verlags. Im Juni 1926 besuchte er mit Paul Whiteman Wien und machte diesen u. a. auch mit F. Lehár bekannt. 1927 übernahm er nach zweijährigem Rechtsstreit auf Wunsch seiner Frau die Leitung von Felix Bloch Erben. In der Folge bemühte er sich u. a. um die Förderung der Wiener Operette – in seinem Verlag erschien etwa E. Eyslers Die gold’ne Meisterin (UA 10.9.1927 Theater an der Wien) – und pflegte eine intensive Zusammenarbeit mit Erik Charell, der Neubearbeitungen von Operetten F. Lehárs, L. Falls und J. Strauss Sohn am Großen Schauspielhaus in Berlin auf die Bühne brachte. Er verlegte u. a. auch K. Weills/Bert Brechts Dreigroschenoper (UA 31.8.1928 Berlin, Theater am Schiffbauerdamm), förderte R. Benatzky, den er schon aus seiner Zeit als Chansonnier in Wien kannte, und konnte mit dessen Revue Im weißen Rößl einen internationalen Erfolg verbuchen. Infolge der Machtübernahme durch Adolf Hitler 1933 erlitt der Verlag große wirtschaftliche Einbußen, dazu kam, dass W. Jude war. Nach zwei gescheiterten Suizidversuchen im Jahr 1934, davon einer im Wiener Hotel Bristol, wo er sich anlässlich der UA von Benatzkys Das kleine Café (UA 20.4.1934 Volkstheater) aufgehalten hatte, war er am 3.10.1934 zuletzt gesehen worden. Vier Tage später wurde er mit einer Schussverletzung an der rechten Schläfe tot aus der Unterhavel geborgen. Die alleinige Verlagsleitung übernahm seine Witwe.
Schriften
Meine Abschiedsconférence. Vor der Abreise nach Amerika in Neues Wr. Journal 29.10.1922, 4; Theater am Broadway. Eindrücke von der letzten Theatersaison in New York in Die Bühne 2/12 (1925), 3; Was der Autorenkongreß beabsichtigt in Die Stunde 8.6.1932, 3.
Meine Abschiedsconférence. Vor der Abreise nach Amerika in Neues Wr. Journal 29.10.1922, 4; Theater am Broadway. Eindrücke von der letzten Theatersaison in New York in Die Bühne 2/12 (1925), 3; Was der Autorenkongreß beabsichtigt in Die Stunde 8.6.1932, 3.
Literatur
H. Veigl/I. Fink (Hg.), Verbannt, verbrannt, vergessen und verkannt 2012; W. Schopf (Hg.), Peter Suhrkamp. Annemarie Seidel. „Nun leb wohl! Und habs gut“. Briefe 1935–1959, 2016, 16f; N. Linke, Franz Lehár 2001, 86; Neues Wr. Tagbl. 12.4.1927, 10, 9.10.1934, 20; Der Tag 9.10.1934, 3; Der Humorist 1.10.1915, 5, 1.12.1915, 3, 20.4.1916, 3; Das interessante Bl. 7.10.1915, 19; Neues Wr. Journal 5.9.1915, 26, 21.5.1925, 18, 11.6.1926, 6, 12.4.1927, 10, 9.10.1934; Wr. allgemeine Ztg. 17.4.1927, 4; Die Stunde 9.9.1927, 6, 9.10.1934, 3, 14.10.1934, 6; NFP 10.10.1934, 15; Heiratsregister des Standesamts Berlin-Wilmersdorf 1924, Nr. 932 [Wilheim]; Sterberegister des Standesamts Berlin-Spandau 1934, Nr. 1141 [Wilheim]; eigene Recherchen (www.anno.onb.ac.at).
H. Veigl/I. Fink (Hg.), Verbannt, verbrannt, vergessen und verkannt 2012; W. Schopf (Hg.), Peter Suhrkamp. Annemarie Seidel. „Nun leb wohl! Und habs gut“. Briefe 1935–1959, 2016, 16f; N. Linke, Franz Lehár 2001, 86; Neues Wr. Tagbl. 12.4.1927, 10, 9.10.1934, 20; Der Tag 9.10.1934, 3; Der Humorist 1.10.1915, 5, 1.12.1915, 3, 20.4.1916, 3; Das interessante Bl. 7.10.1915, 19; Neues Wr. Journal 5.9.1915, 26, 21.5.1925, 18, 11.6.1926, 6, 12.4.1927, 10, 9.10.1934; Wr. allgemeine Ztg. 17.4.1927, 4; Die Stunde 9.9.1927, 6, 9.10.1934, 3, 14.10.1934, 6; NFP 10.10.1934, 15; Heiratsregister des Standesamts Berlin-Wilmersdorf 1924, Nr. 932 [Wilheim]; Sterberegister des Standesamts Berlin-Spandau 1934, Nr. 1141 [Wilheim]; eigene Recherchen (www.anno.onb.ac.at).
Autor*innen
Monika Kornberger
Letzte inhaltliche Änderung
30.10.2023
Empfohlene Zitierweise
Monika Kornberger,
Art. „Wreede (Wrede, eig. Willheim [Wilheim]), Fritz (Fred)“,
in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
30.10.2023, abgerufen am ),
https://dx.doi.org/10.1553/0x003e5225
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