Die Ausgabe von Moelleken verzeichnet 138 Versnovellen mit den verschiedensten Inhalten und einer Länge von 35–1.900 Versen, wobei nicht alle Zuschreibungen eindeutig sind. Das Werk ist reich überliefert und dürfte sehr beliebt gewesen sein. Wir finden Geistliches und Weltliches. Die geistlichen Texte beziehen sich auf das 4. Laterankonzil von 1215 mit der Abwehr von „ketzerischen Bewegungen“. Die weltlichen teilen sich in Fabeln und in höfische, didaktische und schwankhafte Texte. Die auftretenden Personen sind Typen, die oft recht humoristisch kritisiert werden (der gehörnte Ehemann, der Kleriker, der Säufer usw.). Einige politische Anspielungen nehmen auf Österreich Bezug (Lob des Adels, Recht des Burgenbaues durch den Landesherrn).
Der St. ist auch der Schöpfer des ersten Schwankromans Der Pfaffe Amis, in dem der schlaue Kleriker die ganze Welt narrt. Teile davon wurden noch in den Eulenspiegel (1515) aufgenommen und sind bis heute lebendig. Der Autor hat aber auch traditionelle Stoffe aufgegriffen. So schrieb er den umfangreichen Versroman Karl, der dem alten Rolandslied nachgebildet ist und Karl d. Gr. als Retter gegen die Ungläubigen preist. Mit dem Artusroman Daniel vom blühenden Tal nimmt er in einer Art Parodie den Artusstoff auf, wobei nicht nur die Helden ihre Taten vollbringen, sondern ganze Schlachten geschildert werden, die im alten Artusroman unüblich sind. Die List der Helden ist die wesentliche Kraft des Erfolgs. Ein weiteres Unikum ist die didaktische Reimdichtung Frauenehre, in der subtile Gesellschaftskritik verpackt ist.
W. W. Moelleken (Hg.), Die Kleindichtung des St.s , 4 Bde. 1973–77; Verfasserlex. 9 (1995) [mit Lit.].