Die K. führten ein sehr strenges, von der Welt völlig abgeschiedenes asketisch-kontemplatives Leben und verwendeten das seit 1142 im Orden eingeführte einheitliche Offizium mit einer sehr geringen Zahl von Eigenfesten. Hinsichtlich der Musik haben sie ausschließlich den Choralgesang unter Führung eines Gesangmeisters und ohne Orgelbegleitung gepflegt, da ihnen der Gebrauch von mehrstimmigen Gesängen und Musikinstrumenten im Rahmen des extrem bescheiden gestalteten täglichen Gottesdienstes durch das Generalkapitel von 1326 untersagt war.
Allgemein betrachtet, wurde der Choral an Sonn- und Feiertagen langsamer und getragener gesungen als an Wochentagen. Die im Laufe einer Woche rezitierten 150 Psalmen wurden grundsätzlich sehr langsam vorgetragen, wobei es als kartäusische Eigenart zu einer nochmaligen kurzen Tempoverlangsamung bei den ersten beiden Textzeilen der Doxologie am Ende eines jeden Psalmes kam. Antiphonen verwendeten sie nur sehr sparsam, nur an wenigen hohen Festen vier zu den vier Psalmen der Vesper, sonst immer nur eine, bei den übrigen Gebetszeiten blieben sie bei der traditionellen Gewohnheit. Hinsichtlich der Kirchentonarten kannten die K. den „Tonus peregrinus“ nicht. Von den einzelnen Gesangsgattungen verwendeten sie im Allgemeinen keine Sequenzen und Tropen. Hymnen wurden ursprünglich unter Berufung auf Agobard v. Lyon abgelehnt, damit im Rahmen des Gottesdienstes kein bibelfremdes Wort verwendet werde, ab 1182 kamen sie in einer beschränkten Anzahl vor.
Die Melodien der eher einfach gehaltenen Choralhandschriften sind nicht vereinfacht worden, sondern entsprechen der traditionellen Lesart und wurden ursprünglich in aquitanischer Neumennotation geschrieben. Die wichtigste Handschrift für den ganzen Orden stellt hier das während der Zeit des Priors Guigo entstandene Tonar, das bereits mehr als 900 Antiphonen enthält, dar. Seit dem späten 12. Jh. entwickelten die K. auch eine spezielle Form der Quadratnotation, bei der u. a. das „Quilisma“ entweder vollständig ausgelassen oder durch die entsprechende Note ersetzt wurde. Die Chorbücher der neueren Zeit haben nach der Ende des 15. Jh.s beginnenden Auflösung der früheren Tonverbindungen als einzige Notenform die Brevis, wodurch sich auch der musikalische Vortrag immer wieder veränderte, bis schließlich alle Töne gleich lang gesungen wurden. Um 1700 ist dieses Fehlen jeglicher Mensur bereits ein deutliches Charakteristikum des K.-Chorals. Ab Beginn des 16. Jh.s wurden die Handschriften zunehmend durch gedruckte Choralbücher abgelöst, seit 1679 besaß der Orden sogar eine eigene Druckerei, in der die Chorbücher für den ganzen Orden hergestellt wurden.
Nicht zu halten ist die Ansicht, dass die Hs. Innsbruck (A-Iu 457), die auch eine Sammlung von 2-stimmigen Stücken enthält, aus der Kartause Schnals stammen könnte. Dafür könnte die Kartause Seitz, deren Handschriftenerbe in der UB Graz liegt, auch für die Handschriftenproduktion des Ordens eine besondere Bedeutung besessen haben. Jedenfalls gehören das Antiphonale Graz (UB 273) und das Graduale Ljubljana (NUK 22), beide aus dem 13. Jh., zu den ältesten bekannten K.-Handschriften. Eine weitere um 1500 entstandene Handschrift aus der Kartause Seitz (Graz, UB 1588) enthält eine weltliche Ballade, in der sich ein K.-Mönch mit dem menschlichen Dasein auseinander setzte. Das Canitonale des Basler K.s Thomas Kreß (CH-Bu, A N II 46) aus dem 1. Viertel des 16. Jh.s überliefert u. a. auch Sequenzen.
Da es in den Kartausen keine Schule gab, war zum Erlernen des Choralgesanges ein eigener Theorielehrer wichtig. Die Grundprinzipien der Musiktheorie setzte man auch beim Kantor voraus, der den Novizen bzw. Mönchen die für die Praxis wichtigen Kenntnisse vermittelte. Musiker, die aus diesem Orden hervorgegangen und bekannt geworden sind, sind fast ausschließlich Choraltheoretiker (wie z. B. Johannes Gallicus [† 1473] aus der Kartause Mantua), die v. a. um die Vermittlung der traditionellen Theorien bemüht waren; aus Österreich ist keiner dabei. Hier kann nur als Verfasser mehrerer Hymnen auf den Prior Konrad v. Hainburg (Prior 1358–60) aus der Kartause Gaming verwiesen werden. Als einer der berühmtesten Vertreter des Ordens verfasste Heinrich Eger v. Kalkar (1328–1408) u. a. um 1380 ein Lehrwerk über die Musiktheorie, das sog. Cantuagium, mit einer systematischen Abhandlung über den hohen musikalischen Gehalt und Ausdruck der kirchlichen Gesänge. Als weiteres Lehrbuch für den K.-Choral entstanden 1699 in der Kartause Seitz die Musices choralis medulla (CZ-Pu, Ms. I F.17).
ÖL 1995; MGG 7 (1958) u. 4 (1996); Beiträge v. M. Niederkorn-Bruck u. A. Rausch in M. Czernin (Hg.), Gedenkschrift W. Pass 2002; J. B. Klein, Der Choralgesang der K. in Theorie und Praxis unter besonderer Berücksichtigung der dt. Kartausen 1910; J. B. Wickstrom in Analecta Cartusiana 116/1 (1988); R. Flotzinger in J. Snoj (Hg.), [Kgr.-Ber.] Medieval Music in Slovenia and its European connections, Ljubljana 1997, 1998; J. Snoj (Hg.), Medieval Music Codices 1997; J. Stenzl in SJbMw N. F. 20 (2000); F. Labhardt, Das Cantionale des K.s Thomas Kreß 1978.