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DJ, DJ-ing
DJ (Disk jockey) ist ursprünglich die Bezeichnung für eine Person, die bei (halb)öffentlichen einschlägigen Veranstaltungen (v. a. Clubs) die Schallplatten auflegt und somit für Auswahl und Ablauf des Musikprogramms sorgt. Die Pioniere der 1930er Jahre (Martin Block) waren Präsentatoren von Musik im Rundfunk. In den 1950er Jahren brachte Alan Freed Begeisterung und Agitation als adäquate Vermittlung der Idol- und Tanzfunktion jenes durch ihn kolportierten Rock ’n’ Roll der jugendorientierten Szene in die Arbeit des DJs ein. Mit dem Kunstanspruch der konzertant gewordenen Rock-Musik der 1960er Jahre vollzog sich ein Rollenwechsel: DJs wurden zu Kommentatoren. Disco-Music der 1970er Jahre führte die Medien-DJs hinaus in die Dance-Halls, zurück zum hedonistischen kollektiven Ereignis (event). Die Anwendung der musikalisch-technischen Verarbeitung von Ready Mades im schwarzen Rap und weißen Techno, Scratching und Sampling, machen den DJ zum Musikanten der (realtime) Gestaltung einer Musik, die dem naturwissenschaftlich fundierten, funktionsästhetischen Konzept folgt, acoustic driving effects zu erzeugen: abseits eines sprachorientierten Verständnisses von Musik werden beats per minutes von bass und exciting sounds gezielt zur unmittelbaren körperlichen Erregung gesetzt. Damit folgt der DJ dem musikantischen Paradigma der klangdominierten Rock-Musik, das – im Verein mit realtime electronics – auch die neue elektronische Musik bestimmt. In der Symbiose von Musik/Medien/Rezipient hat sich der DJ vom Distributor zum Produzenten gewandelt; er überträgt das Live-Mixing auf die Copy-Paste-Kompositionsweise der digital musics, die als untrennbarer Teil einer digital culture gemeinsam mit Net, Design, Mode und Entertainment lebt. Die Avantgarde überhöht im resampling die Technik des DJ-ings: Samples werden zu weiteren samples – digital und analog (Marina Rosenfeld).

Diese Tätigkeit des DJs wird in Österreich im Soge der amerikanisch/deutsch bestimmten Techno-Szene erst seit den 1980er Jahren wahrgenommen und hat in der Eventkultur (typischerweise) in den Wiener Industrieruinen (z. B. Gasometer) Lebensraum gefunden. Das Zusammenführen wissenschaftlicher Legitimation tontechnischer Handlungen zur Generierung funktionaler Tanzmusik verkörpert das Kollektiv vienna scientists. (Peter) Kruder & (Richard) Dorfmeister haben einen Stil kreiert, der mittlerweile (2001) als new vienna school international gehandelt wird: polyphones Mixing von sinwy bass lines, warm spacy sounds und jazzigen grooves. Jürgen Drimal und Gernot Ebenlechner sind die Produzenten von bisher drei vienna scientists compilations; das Major-Label hat mittlerweile das mit der Entstehung und Distribution der Musik ursächlich verknüpfte Eigenlabel ersetzt. Die Szene – auch aus der klangexperimentierenden Rockmusik erwachsen – ist mobil und durchlässig zwischen Formationen (Sin, Sprite & Salieri, Mama Oliver, Vienna D.C., Familie Seeling, Aromaber etc.) und DJs (DJ Romeo = Roman Schilhart, DJ Lex = Alexander Feldmann, DJ Bonerider = Jochen Reiter, DJ Elk = Manfred Breiner, DJ Electric Indigo = S. Kirchmayr, DJ Demon Flowers = Werner Geier; Michaela Schwentner, P. Pulsinger).

Neben diesem musikschaffenden DJ-ing hat sich das Plattenauflegen (meist als musikalische Zeitreise) in verschiedenen Unterhaltungsstätten verstärkt. Schließlich ist Musik wie Verhalten des DJs auch in die alpenländische Unterhaltungs-Musik eingeflossen (DJ Ötzi).


Tondokumente
TD: vienna scientists I-III (COL).
Literatur
U. Poschardt, DJ Culture 1997.

Autor*innen
Werner Jauk
Letzte inhaltliche Änderung
18.2.2002
Empfohlene Zitierweise
Werner Jauk, Art. „DJ, DJ-ing‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.2.2002, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00020994
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.