Logo ACDH-CH
OeML Schriftzug
Logo OeML
Logo Verlag

Znaim (deutsch für tschechisch Znojmo)
Die am Fluss Thaya (Dyje) gelegene Siedlung hat sich ab dem 11. Jh. zu einer an der Verbindungslinie zwischen Wien und Brünn gelegenen Stadt entwickelt. Archäologische Forschungen entdeckten Reste einer Besiedlung bereits aus der jüngeren Bronzezeit. Den ältesten Teil der Stadt stellt das ehemalige Dorf Pöltenberg (Hradiště/CZ) dar, das bereits zur Zeit des Großmährischen Reiches (9. Jh.) an Bedeutung gewann. Die im 11. Jh. an der gegenüberliegenden Anhöhe gebaute Burg wurde zum Kern der künftigen Stadt, Pöltenberg blieb jedoch das religiöse Zentrum. Die dortige Rotunde diente noch im 11. Jh. den Přemysliden-Fürsten und mährischen Markgrafen Konrad Otto und Vladislaw Heinrich als Kultstätte. Auf den Fundamenten der Rotunde steht heute die St. Hippolyt-Kirche, die zur im 13. Jh. entstandenen Probstei und dem Kloster der Kreuzherren mit dem roten Stern gehörte. Die mährischen Přemysliden verloren ihre Herrschaft im 12. Jh. das Fürstentum Z. ist untergegangen. Zw. 1222/26 gründete Kg. Přemysl Ottokar I. unter der Burg die erste Stadt Südmährens. Die Burg wurde von den böhmischen Herrschern oft besucht, sie diente auch als Ort für diplomatische Verhandlungen; hier fand 1335 die Hochzeit Annas v. Luxemburg mit Hzg. Otto v. Österreich statt, 1437 ist hier K. Sigismund gestorben. In den späteren Jahren wechselte die Burg mehrmals ihre Besitzer und Bewohner (im 19. Jh. diente sie als Kaserne und Militärlazarett), 1922 wurde sie von der Stadt zu einem Museum umgebaut. Die zum Areal der Burg gehörige Rotunde der Hl. Katharina mit ihren Fresken aus dem Jahr 1134 gehört zu den nationalen tschechischen Kulturdenkmälern.

Für einen regelmäßigeren Musikbetrieb gibt es erst ab dem 16. Jh. Belege, die mit der von einigen der hier angesiedelten Orden gepflegten liturgischen Musik in Zusammenhang stehen (die Dominikaner in der Hl. Kreuz-Kirche widmeten sich der Figuralmusik, sie hatten auch eigene Sängerknaben; weiters gab es Musik bei den Jesuiten in der Kirche des Hl. Erzengels Michael und an der Stadtpfarrkirche St. Niklas; in der Stadt waren auch der Kapuziner-, Franziskaner- und Klarissen-Orden angesiedelt). Bereits aus dem 16. Jh. sind die Namen einiger Organisten und Thurner bekannt. Was die religiösen, von Musik begleiteten Feste betrifft, stand Z.im Kontakt mit den Klöstern in der Umgebung, wie z. B. mit dem Kloster Klosterbruck (Louka/CZ). Weltliche Musik wurde auf den Herrschaften des mährischen Adels aufgeführt, als ein musikalisches Zentrum Südmährens kann man in der 1. H. des 18. Jh.s das Schloss Jarmeritz (Jaroměřice/CZ) und die dortigen Aktivitäten von J. A. v. Questenberg bezeichnen, der auch ein Haus in Z. besaß.

Das Musikleben in Z. hat sich ab Beginn des 19. Jh.s immer mehr verbürgerlicht. Aus dieser Zeit ist der Thurnermeister Franz Müller († 1855) zu nennen, der – ein ehemaliges Mitglied des Wiener Hofopernorchesters – sich um Opernaufführungen in Z. verdient machte. In Z. debütierte der Opernsänger Rudolf Freny (1825–93), ein späteres Mitglied der Opernhäuser in Budapest, Laibach, Prag, Dresden/D und Hamburg/D, als Kaspar in C. M. v. Webers Freischütz debütiert.

Eine bedeutende Persönlichkeit des Z.er Musiklebens war der aus Wien stammende Violinist, Komponist und Musiklehrer H. Fiby, der erste Direktor der im Jahre 1857 gegründeten städtischen MSch. Er leitete auch den 1861 gegründeten Z.er Musikverein, mit dem er bereits 1862 bei einem Sängerfest in Stockerau/NÖ den 1. Preis errang. 1884 gründete er den Deutschen Sängerbund im südlichen Mähren; er war auch als Komponist tätig. V. a. dank seiner Tätigkeit stand das Dilettanten-Musikleben in Z., aber auch in dessen Umgebung, auf einem hohen Niveau.

Die Bevölkerung von Z. war bis in die 1. H. des 20. Jh.s zweisprachig, wobei der deutschsprachige Teil dominierte. Nach dem Ersten Weltkrieg trennte sich die bis dahin fast immer gemeinsame kulturelle Tätigkeit. 1920 wurde eine eigene (tschechischsprachige) MSch. eröffnet, die v. a. durch das Wirken ihres Direktors, des Komponisten und Volksmusikforscher Albert Pek (1893–1972), geprägt war. Dieser gründete 1920 die Znojemská filharmonie (Z.erPhilharmonie), mit der er in den Städten der Umgebung (Nikolsburg [Mikulov/CZ], Jaispitz [Jevišovice/CZ] usw.) gastierte, neben ihm als Pianisten traten z. B. auch der Violinist Jaroslav Kocian oder die Pianistin Ilona Kurzová auf; er realisierte auch Opernaufführungen. Peks Z.er Aktivitäten wurden durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs unterbrochen, nach dem Krieg war er Pädagoge am Prager Konservatorium. Er war auch Chormeister des Gesangvereines Vítězslav Novák.

Die deutsche MSch. wurde ab 1921 von der Klavier- und Gesanglehrerin Sophie Haala, einer Schülerin von August Stradal in Wien, geleitet. An der Spitze des Z.er Musikvereins stand 1921–30 Albert Weinschenk (1890–1976, später in Steyr), der u. a. auch den Chor an der Hl. Kreuz-Kirche leitete; unter ihm wurden in Z. (unter Mitwirkung von Wiener Solisten, des Opernorchesters aus Brünn usw.) auch große Werke J. S. Bachs, L. v. Beethovens, A. Bruckners und G. Mahlers aufgeführt. Außer dem Musikverein gab es in Z. 1924–45 den Männerchor Lyra, der mit dem Wiener Lehrer-Männergesangverein und dessen Leiter H. Wagner-Schönkirch eng kooperierte. Auch der bereits 1906 gegründete Sängerbund (gemischter Chor) Liederfreunde, mehrere Arbeitergesangvereine und Instrumentalensembles trugen zum reichen Z.er Musikleben bei.

Die ersten Berichte über Theatervorstellungen betreffen Passionsspiele (Geistliche Spiele) an der Stadtpfarrkirche St. Niklas, für das 16. und 17. Jh. sind auch Jesuitendramen erwähnt. Nach der Prager Krönung K. Karls VI. zum böhmischen König 1723 kehrte der Hof nach Wien über Z. zurück; zu dieser Gelegenheit wurde hier die Oper von A. Caldara La Concordia de‘ Pianeti gespielt. Der erste ständige Z.er Theatersaal wurde am 12.12.1784 in der ehemaligen Bernhardskapelle des Klarissinnen-Klosters eröffnet, wo fast täglich Schauspiel, Operette und auch Oper gespielt wurden. Der Theaterbetrieb bestand bis 1892 und musste dann aufgrund der Baufälligkeit des Gebäudes beendet werden. Ab der Mitte des 19. Jh.s gab es auch tschechischsprachige Vorstellungen, die ab 1870 von der neu gegründeten Beseda znojemská (Z.er Verein) organisiert wurden. Im Mai 1892 beschloss der Stadtrat, ein neues Theater zu bauen; es dauerte jedoch noch einige Jahre, bis ein Grundstück und der Architekt gefunden wurden. Es war dies der Wiener Alexander Graf, als Baumeister wurde der Z.er Ingenieur Adolf Janisch gewählt. Das an das Wiener Kaiser-Jubiläums-Stadttheater (Volksoper Wien) erinnernde Gebäude wurde am 29.9.1900 mit dem Schwank Zwei glückliche Tage von Franz von Schönthan und Gustav Kadelburg eröffnet. Das deutsche Repertoire wechselte ab 1901 mit tschechischen Vorstellungen ab; in der Stadt gastierten auch verschiedene Wandertruppen. Seine Anfänge erlebte hier der spätere österreichische Schauspieler, Filmregisseur und Produzent Willi Forst (1903–80), in Z. debütierte 1891 die Volkschauspielerin H. Niese. Das Theater hatte ein eigenes Orchester, das Ensemble stand im Verband mit dem Theater in Iglau. Seine Kapellmeister-Laufbahn begann hier u. a. M. Schönherr. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein ständiges tschechisches Ensemble zusammengestellt, das sich die Spieltage mit dem deutschen Ensemble teilte. Das Zentrum des Repertoires bildeten Schauspiel und Operette.

Das Abtreten der sudetendeutschen Gebiete an Hitler-Deutschland (Nationalsozialismus) und die Okkupation der restlichen Tschechoslowakei bedeuteten das Ende der tschechischen MSch. und der Z.er Philharmonie. Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen viele deutschsprachige Bewohner der Stadt nach Österreich oder wurden vertrieben.

Sehr aktiv waren in Z. stets die vom 1921 gegründeten Spolek českých divadelních ochotníků (Verein tschechischer Theaterdilettanten) organisierten Amateurschauspieler; der Verein gab auch nach dem Zweiten Weltkrieg, bis 1958 unter dem Namen Spolek divadelních ochotníků Tyl (Verein der Theaterdilettanten Tyl), v. a. Kindervorstellungen, aber auch einige Opern wurden aufgeführt. 1962 wurde das Jihomoravské divadlo (Südmährisches Theater) gegründet, das – wie auch seine Nachfolger aus Amateuren bestehend – das Repertoire auf das Schauspiel eingeschränkte. Nach einer langjährigen Renovierung wurde am 29.9.2000 das Theater, das auch heute über kein eigenes Ensemble verfügt und v. a. Gastspiele usw. bietet, neu eröffnet.

Aus der Z.er Umgebung stammen mehrere Persönlichkeiten, die sich im Wiener Musikleben etablieren konnten, wie z. B. der in Klein Tajax (Dyjákovičky/CZ) geborene F. Kauer. Aus Z. stammte der Opernsänger Gustav Kaitan (1871– nach 1922?), der ursprünglich als Bariton und später als Tenor an mehreren Bühnen der Monarchie (u. a. in Innsbruck, Linz, Graz und am Theater an der Wien ) in Operette und Oper auftrat und schließlich als Gesanglehrer in Luzern/CH wirkte. Eine Sehenswürdigkeit der nahen Umgebung stellt die Stadt Jaispitz dar, in deren Schloss sich ein unikates Claviorganum von F. X. Christoph aus der Sammlung des Mährischen Museums Brünn befindet. Wirtschaftlich ist Z. bis heute vor allem durch den Weinbau, den Export von Gurken und seine Keramik bekannt. Das historische Zentrum wurde 1971 unter Denkmalschutz gestellt.


Literatur
W. Royt, Die Anfänge der Stadt Z. 1864; F. Skalla, Chronik des Musik-Vereins in Z. 1887; Satzungen des deutschvolklichen Arbeiterbundes Eiche in Z. 1899; A. Vrbka, Chronik der Stadt Z. 1902; Städtische Musikschule in Z. Jahresberichte 1903ff; Satzungen des Sängerbundes Liederfreunde in Z. 1906; Satzungen des Gesangvereines Lyra in Z. [1924]; A. Vrbka, Gedenkbuch der Stadt Z. 1226–1926; 1927; L. Havlík, Sto let českého divadla ve Znojmě [Hundert Jahre Theater in Z.] 1956; W. Max, Thayaland, Volkslieder und Tänze aus Südmähren 1984; Slovník české hudební kultury [Lex. der tschechischen Musikkultur] 1997; T. Pšenička in Nové znojemské listy Nr. 1 (1997); V. Hamzová, Hudební život na Znojemsku [Das Musikleben in der Z.er Region] 1998; LdM 2000; L. Šturc, Městské divadlo ve Znojmě 1900–2000 [Das Stadttheater in Z. 1900–2000] 2000; A. Schickel/G. Frodl, Gesch. Südmährens 3 (2001); J. Sehnal, Dějiny hudby na Moravě [Musikgesch. in Mähren] 2001; V. Šrámková/J. Valenta, Místopis českého amatérského divadla [Topographie des tschechischen dilettantischen Theaters] 2 (2002); J. Blaha, Znojemská Beseda 1870–2005 [Der Z.er Verein 1870–2005] 2005; L. Janáček, Pěvecké sdružení Vítězslav Novák v období 1884–1959 [Der Gesangverein V. N. in den Jahren 1884–1959], Dipl.arb. Ostrau 2008; L. Černošek in Okno/Fenster 6/2 (2009); M. Wihoda, Morava v době knížecí 906–1197 [Mähren in der Fürstenzeit] 2010; M. Havlíčková, Německojazyčné divadlo na Moravě a ve Slezsku [Das deutschsprachige Theater in Mähren und in Schlesien] 2013; J. Vysloužil, Musikgesch. Mährens und Mährisch-Schlesiens vom Ende des 18. Jh.s bis zum Jahr 1945, 2014.

Autor*innen
Vlasta Reittererová
Letzte inhaltliche Änderung
18.6.2015
Empfohlene Zitierweise
Vlasta Reittererová, Art. „Znaim (deutsch für tschechisch Znojmo)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 18.6.2015, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x00325e8e
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Nordfront der Stadtpfarrkirche (St. Niklas)© Bildarchiv Austria, ÖNB

DOI
10.1553/0x00325e8e
ORTE
Orte
LINKS
ACDH-CH, Abteilung Musikwissenschaft

Publikationen zur Musikwissenschaft im Verlag