Wilt, Wilt, Marie
Familie
Marie (eig. Liebenthaler, Maria Viktoria):
*
1834-01-3030.1.1834
Wien,
†
1891-09-2424.9.1891 Wien (Freitod).
Sängerin (Sopran).
Die uneheliche Tochter einer Handarbeiterin, die aus einer Fiakerdynastie stammte, wuchs nach dem angeblichen Choleratod ihrer Mutter als Waise bei den Pflegeeltern Joseph und Franziska Tremier, geb. Baronin v. Pratobevera auf. Hier erhielt sie Klavierunterricht und soll mit
F. Laub musiziert haben. W. strebte eine Karriere als Sängerin an, nachdem ihre Stimme vom Gesangspädagogen
C. Kunt jedoch als unbedeutend abqualifiziert wurde, heiratete sie am 2.7.1853 in
Steyr den Bauingenieur Franz Wilt (* 1825 Aversa bei Neapel/I, † 24.4.1909 Wien), Sohn von
Joseph Wilt (* ca. 1789 [Ort?], † 17.6.1874 Maria Enzersdorf/NÖ [begr. Wien-Matzleinsdorf]), Stabstrompeter und langjähriger (1813–53) Militärkapellmeister des Ulanenregiments Kaiser Joseph II. Nr. 6. Nach ihrer Rückkehr aus
Dalmatien, wo ihr Ehemann beruflich tätig war, litt sie an einer mehrjährigen Lungenkrankheit. Wieder genesen, setzte W. ihre autodidaktischen Gesangsstudien fort. Von
J. Ritter v. Herbeck, dem Direktor der
Wiener Singakademie, ermutigt, sang sie in Oratorien bald auch Solopartien (erstmals bei der UA von
Fr. Schuberts Lazarus am 27.3.1863) und nahm seit 1863 bei
Jos. Gänsbacher Gesangsunterricht. Zunächst nur als Konzertsängerin tätig, wagte sie, motiviert durch ihre Kollegin Désirée Artôt, erst im Alter von 31 Jahren den Schritt auf die Bühne und debütierte, vorbereitet von
C. M. Wolf, am 9.12.1865 am
Grazer Landestheater als Donna Anna in
W. A. Mozarts Don Juan. Im März 1866 trat sie in Berlin und im Mai mit größtem Erfolg unter dem Namen Maria Vilda als Norma am Covent Garden Theatre in London auf, im November in
Venedig. Am 8.3.1867 gastierte W. als Leonore
(Troubadour) am
Kärntnertortheater und wurde im November aufgrund ihrer geringen Repertoirekenntnisse zunächst für 36 Gastrollen engagiert. Es folgten Gastspiele in Frankfurt am Main/D, Mannheim/D,
Prag, London, Moskau, St. Petersburg/RUS. Am 25.5.1869 sang sie in der Eröffnungsvorstellung der Neuen
Hofoper die Donna Elvira, 1874 war sie die erste Wiener Aida, 1875 die Sulamith in der UA der
Königin von Saba von
K. Goldmark. Aufgrund einer Trennungsvereinbarung mit ihrem Mann konnte sie in Wien nicht mehr auftreten und ging für die Saison 1878/79 an das Leipziger Stadttheater, wo sie sich mit den einschlägigen
Wagner-Rollen vertraut machte und den
Ring des Nibelungen 13-Mal sang. Hier lernte sie auch die Musikschriftstellerin La Mara (eig. Marie Lipsius) kennen, mit der sie eine intensive Freundschaft pflegte. Im Juni 1879 verließ W. Leipzig und gab in der Folge nur noch Gastspiele an verschiedenen deutschen und österreichischen Bühnen (Frankfurt am Main,
Budapest,
Teplitz, Graz). Ab Ende April 1882 konnte sie auch wieder an der Wiener Hofoper auftreten, dort sang sie zuletzt am 18.1.1886 die Lucrezia Borgia.Im August 1887 gab sie in
Salzburg anlässlich der Hundertjahrfeier der UA des
Don Giovanni die Donna Anna, im November 1888 verabschiedete sie sich mit zwei Auftritten in Graz von der Opernbühne. Aufgrund ihres enormen Stimmumfanges beherrschte W. ein außergewöhnlich weites Repertoire (Valentine
[Hugenotten], Königin der Nacht
[Zauberflöte], Elisabeth
[Tannhäuser], Ortrud
[Lohengrin], Lucrezia Borgia, Aida) und zählte zu den bedeutendsten dramatischen Sängerinnen ihrer Zeit. Daneben war sie als Konzert- und Oratoriensängerin auch international höchst erfolgreich, u. a. unternahm sie Ende 1879 mit
A. Essipoff-Leschetitzky eine Konzertreise durch die Monarchie. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie vor allem in Graz und zog sich aus der Öffentlichkeit zurück. Nach Stimmbandproblemen trat sie Mitte Juli 1891 noch einmal in Salzburg auf. W.s Ende war tragisch: Von Depressionen gequält, stürzte sie sich aus einem Fenster im vierten Stock eines Hauses im Wiener Zwettlhof (Wien I) in den Tod.
Ehrengrab Wr. Zentralfriedhof (s.
Abb.).
k. k. Kammersängerin 1869; Ehrenmitglied der
GdM 1871; Ehrenmitglied des Budapester Nationaltheaters 1881; Ehrenmitglied der Wr. Hofoper 1883.
ADB 43 (1898); Wurzbach 56 (1888); K-R 1997 u. 2000; La Mara,
Musikalische Studienköpfe La Mara, Musikalische Studienköpfe. Fünfter Band: Die Frauen im Tonleben der Gegenwart. 2. Aufl. Leipzig o. J.. 5, 1882; La Mara,
Durch Musik und Leben im Dienste des Ideals La Mara, Durch Musik und Leben im Dienste des Ideals. Leipzig 1925., 1 u. 2,
21925; A. Ehrlich (Hg.),
Berühmte Sängerinnen der Vergangenheit und GegenwartA. Ehrlich, Berühmte Sängerinnen der Vergangenheit und Gegenwart. Leipzig 1895. 1895; Eisenberg 1903; [Kat.]
100 Jahre Wr. Oper 1969, 51; M. Jahn,
Die Wr. Hofoper v. 1848 bis 1870,Michael Jahn, Die Wiener Hofoper von 1848 bis 1870. Personal – Aufführungen – Spielplan (Publikationen des Instituts für Österreichische Musikdokumentation 27). Tutzing 2002. 2002; R. Wallaschek,
Das k. k. HofoperntheaterRichard Wallaschek, Das k.k. Hofoperntheater (Die Theater Wiens 4). Wien 1909. 1909; J. Stern,
Das Hof-OperntheaterJulius Stern, Fünfzig Jahre Hoftheater. Geschichte der beiden Wiener Hoftheater unter der Regierungszeit des Kaisers Franz Josef I. Theil 2: Das Hof-Operntheater. Wien o. J. 2 Bde. [o. J.]; E. Hanslick,
Aus meinem LebenEduard Hanslick, Aus meinem Leben. Berlin 1894. 1894;
NGroveDO 3 (1992); F. Rathner,
Die bewaffnete Macht Österreich-Ungarns 1618–1918 in ihren MärschenFritz Rathner, Die bewaffnete Macht Österreich-Ungarns 1618–1918 in ihren Märschen. o. O. 1983. 4 [1983];
Musikal. Wochenbl. 28.1.1870, 71, 30.5.1879, 280;
Neues Wr. Journal 10.4.1924, 4; [Linzer]
Tages-Post 19.10.1879, 2f;
(Neuigkeits) Welt-Bl. 19.7.1879, [7];
Prager Tagbl. 2.9.1883, 1ff;
Dt. Volksbl. 24.9.1901, 9;
Die Presse 25.9.1891, 10;
NZfM 15.1.1882, 32;
Epoche 21.11.1879, 3;
Wr. Ztg. 13.5.1866, 507;
NFP 23.8.1887, 2;
Neues Fremden-Bl. 1.2.1871, 6;
Die Presse 23.6.1874, 8;
Neues Wr. Journal 21.3.1912, 5; Taufbuch der Pfarre St. Florian (Matzleinsdorf, Wien V) 1834, fol. 123; Duplikat des Trauungsbuches der Pfarre Steyr (Stadtpfarre) 1853, o. S.; eigene Recherchen (
http://www.anno.onb.ac.at).
Deren Tochter
Fanny (eig. Franzisca Maria Anna): * 8.7.1854 Steyr, † 5.1.1930 Wien (begr. 9.1.1930 Hallstatt/OÖ). Sängerin (Sopran). Klavier- und Gesangsausbildung. Begleitete ihre Mutter als Kind bei allen Proben und Aufführungen, später fungierte sie auch als deren Korrepetitorin. 1874 und 1878 Mitglied des Singvereines der GdM. Nach ihrer Eheschließung im Herbst 1876 mit dem Grazer Ingenieur und Gutsbesitzer Alois Plankensteiner (* ca. 1853 [Ort?], † 24.8.1878 Bad Hall/OÖ) erste Konzertauftritte in Graz. Am 9.4.1882 erstmals am Wiener Stadttheater in F. Raimunds Der Verschwender. Nach einem Gastspiel am Grazer Landestheater Ende September 1882, wo sie am 25.10. mit ihrer Mutter in der Zauberflöte einmal gemeinsam auf der Bühne stand, Engagement für die Saison 1882/83 in Breslau (Wrocław/PL), danach in Olmütz, 1884/85 möglicherweise in Temeswar/Siebenbürgen (Timişoara/RO). Ihr Debüt an der Wiener Hofoper Ende Mai 1884 als Margarethe in Charles Gounods Faust fiel bei der Wiener Presse einhellig durch. Spätestens im ersten Halbjahr 1887 heiratete sie den Sänger H. Gottinger, mit dem sie 1887 in Würzburg/D war. 1889 ging sie mit ihm nach Graz, wo sie ihn bei Auftritten mitunter am Klavier begleitete. Während seiner Tätigkeit als Leiter der Grazer Oper (1893–99) assistierte sie ihm. W. besaß eine Villa in Hallstatt, wo sie jahrelang ihre Sommer verbrachte. Ihre Tochter aus erster Ehe, Margarethe W.-Plankensteiner (* 9.9.1877 Wien, † 18.7.1975 Hallstatt) war ebenfalls Sängerin, ihre Tochter aus zweiter Ehe, Maria Doloros Francisca Henriette Gottinger (* 29.11.1893 Graz, † ?.10.1924 Berlin [Freitod]), war Schauspielerin.
NFP 29.7.1878, 1; 24.3.1882, 6, 2.4.1882, 11; Die Presse 24.10.1872, 11, 17.7.1873, 7, 16.12.1876, 8, 30.7.1878, Abendbl. 3, 5.4.1882, 11; Grazer Volksbl. 21.12.1876, [7], 1.8.1878, [3], 3.10.1882, [6], 19.10.1882, [6], 25.10.1882, [6], 27.10.1882, [8], 31.10.1882, [5], 22.4.1891, [4]; [Linzer] Tages-Post 15.8.1875, 3, 9.7.1929, 6; Neues Wr. Journal 10.4.1924, 4; Morgen-Post 20.10.1876, 3, 28.11.1882, 3; Mährisches Tagbl. 17.9.1883, 7, 5.12.1883, 8, 5.5.1884, 4, 29.5.1884, 3; Das Vaterland 25.5.1884, 8, 15.10.1884, 5; NZfM 23.6.1887, 282; Musikalisches Wochenbl. 7.4.1887, 190; [Fs.] A. Böhm, Gesch. des Singvereines der GdMAugust Böhm von Böhmersheim, Geschichte des Singvereines der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Festschrift zum fünfzigjährigen Singvereins-Jubiläum. Wien 1908. 1908; Duplikat des Taufbuches der Pfarre Steyr (Stadtpfarre) 1854, o. S.; Totenbuch der Pfarre Hallstatt 1930, fol. 113; Taufbuch der Pfarre Graz-Hl. Blut 1893–1903, fol. 46; eigene Recherchen (Bühnen-Jb.er).
Monika Kornberger
Michael Jahn
26.6.2022
Monika Kornberger/
Michael Jahn,
Art. „Wilt, Familie“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
26.6.2022, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e701
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