Wiener Singakademie (WSA)
Erste gemischte Wiener Laienchorvereinigung, 1858 gegründet. Wie auch der
Wiener Singverein entstand die
WSA aus den seit 1814 – jedoch mehrmals unterbrochenen – sog. „Chorübungen“ der
Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.Da diese Chorübungen (regelmäßige Proben von Laien auf freiwilliger Basis) sich nicht bewährten und auch die Zusammenarbeit mit dem Präsidium der
GdM problematisch war (Reformvorschläge wurden mehrfach abgelehnt), entschloss sich Chormeister
F. Stegmayer, unterstützt durch ein Personenkomitee (u. a.
Aug. Schmidt, den Gründer des
Wiener Männergesangvereins), zur Gründung einer Singakademie nach Berliner Vorbild. Am 15.3.1858 wurde die Bewilligung zur Gründung gegeben, am 25.3.1858 fand die konstituierende Sitzung statt (erst am 26.3.1858 erfuhr die
GdM von der Gründung und Abspaltung „ihres“ Chores). Die
GdM gründete daraufhin ihrerseits mit 16.4.1858 als Zweigverein den
Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde. Im Sommer 1858 gab es kurzzeitig Bemühungen, beide Chöre wieder zu fusionieren, doch verliefen diese Ideen rasch im Sand. Als autonomer Verein nicht an einen Konzertveranstalter gebunden, widmete sich die
WSA von Beginn an zeitgenössischer Musik und der
a cappella-Literatur; die Proben fanden in gemieteten Räumen statt (altes Zeughaus, Akademisches Gymnasium, Musikverein) – erst ab 1913 erhielt die
WSA im neuerbauten
Konzerthaus eine Heimstätte. Ein erster Höhepunkt der Arbeit der
WSA war die Wiener EA von
J. S. Bachs
Matthäuspassion 1862. 1863/64 war
J. Brahms Chorleiter der
WSA (1872–75 des
Singvereins), konnte sich jedoch nicht als solcher im Wiener Konzertleben etablieren. Ab 1899 arbeitete die
WSA eng mit
G. Mahler zusammen (u. a. UA des
Klagenden Lieds). 1911 erfolgte durch eine Statutenänderung die Umwandlung des
WSA in einen (von Konzertveranstaltern buchbaren) Konzertchor – ein Schritt, der die schon seit Jahren gängige Praxis nun auch statutenmäßig festschrieb. Ebenfalls 1911 wurde
B. Walter „Konzertdirektor“ der
WSA; er prägte die künstlerische Arbeit der
WSA in der Zwischenkriegszeit, in der die
WSA in ihrer neuen Partnerschaft mit dem Konzerthaus sich als Konzertchor für
Moderne etablierte. Bereits 1913 hatte die WSA den Beschluss gefasst, sich mit dem
Wiener Konzertverein (dem Trägerverein des Konzerthauses) zu verbinden (Namensänderung:
Singakademie des Wiener Konzerthauses, wurde 1920 wieder in
WSA geändert); die
WSA ist seither der Hauschor des Konzerthauses und hat in diesem Vereinssitz, Archiv und Probenräume; ebenso wird der Chorleiter durch das Konzerthaus bezahlt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Chor unter Chorleiter
R. Schmid bzw. v. a.
H. Gillesberger wurde der Chor international bekannt (Schallplattenaufnahmen, Konzerttourneen). Nach dem Weggang Gillesbergers 1968 kam es zum Verfall der künstlerischen Qualität, 1973 zum Bruch mit der
Konzerthausgesellschaft (der erst 1975 eine Aussöhnung folgte), wodurch die künstlerische Aufbauarbeit von Chorleiter
F. Lessky sehr erschwert wurde. Nach Lesskys Abgang 1982 litt die Qualität der
WSA durch oftmaligen Chorleiterwechsel, bis 1989 Herbert Böck den Chor übernahm, der, wie auch sein Nachfolger, der derzeitige (2006) künstlerische Leiter, Heinz Ferlesch, durch radikale Verjüngung und Professionalisierung des Chores die Leistungen auf internationales Niveau brachte.
Die WSA besteht derzeit (2006) aus ca. 150 aktiven Sängerinnen und Sängern und bestreitet durchschnittlich zehn Konzerte pro Saison, die meisten als Hauschor des Konzerthauses. Die Pflege zeitgenössischer Literatur besteht nicht nur in der Aufführung großer Chor-Orchesterwerke, sondern auch in der Zusammenstellung von a cappella-Programmen in Zusammenarbeit mit Komponisten (z. B. F. Thürauer).
Chormeister/künstlerische Leiter der WSA: 1858–63 F. Stegmayer, 1863/64 J. Brahms, 1864/65 O. Dessoff, 1865–78 R. Weinwurm, 1878–81 R. Heuberger, 1881–84 Adolf Schmidt, 1884–92 M. v. Weinzierl, 1892–96 H. Grädener, 1896–98 F. Löwe, 1898/99 K. Führich, 1899/1900 J. Venantius v. Wöss, 1900–05 C. Lafite, 1906/07 Max Puchat, 1907–11 R. Wickenhausser, 1911–13 B. Walter, 1913–16 Siegfried Ochs, 1916–20 F. Löwe, 1920/21 Edoardo Granelli, 1921/22 B. Walter, 1922–31 P. v. Klenau, 1931–33 Ivan Boutnikoff, 1933–45 A. Konrath, 1945/46 R. Nilius, 1946–53 R. Schmid, 1953–68 H. Gillesberger, 1968–71 Hermann Furthmoser, 1972–82 F. Lessky, 1982/83 Th. Ch. David, 1983–86 A. Großmann, 1987/88 Walter Hagen-Groll, 1988–98 H. Böck, seit 1998 H. Ferlesch.
Salvatormedaille der Stadt Wien 1908; Goldene Medaille f. Wissenschaft u. Kunst 1908; Dr. Karl Renner-Preis 1958.
K. Ulz,
Die WSA. Gesch. u. Chronik, Karl Ulz, Die Wiener Singakademie. Geschichte und Chronik. Diss. Wien 1986.Diss. Wien 1986; Czeike 5 (1997);
www.wienersingakademie.at (6/2006) [mit Konzertarchiv ab 1858].
15.5.2006
Elisabeth Th. Hilscher,
Art. „Wiener Singakademie (WSA)“,
in:
Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
15.5.2006, abgerufen am
),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e6d6
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