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Wasserzeichen
Im Durchlicht erscheinende Muster im Papier (auch Wassermarken, Papiermarken, Papierzeichen; frz. filigran, engl. watermark), die eine Charakterisierung bestimmter Papiersorten erlauben, z. B. als Markenzeichen einer Papierfabrik (schon im 13. Jh. üblich), als Herkunfts- oder Qualitätszeichen oder als Sorten- (wie Posthorn für Postpapier) und Formatzeichen (wie propatria für das Normalformat). Heute begegnen sie uns hauptsächlich in Spezialpapieren, wo sie u. a. als Echtheitsnachweis für Banknoten und Wertpapiere gelten.

Das W. wurde in einem Arbeitsgang mit der Herstellung des Papiers erzeugt, welches bis zur Erfindung der Papiermaschine (1798) und einige Jahrzehnte länger (Notenpapier in der Regel sogar noch lange nach 1830) von Hand mit Schöpfformen (Schöpfsieben, Papierformen) gefertigt wurde. Die Schöpfform bestand aus einem mit Stegen zusammengehaltenen Rahmen und dem Siebgeflecht. Dieses setzte sich aus eng gefügten Bodendrähten (Rippdrähten) und einer Anzahl dickerer, rechtwinkelig zu diesen verlaufenden Binddrähten (Kettdrähten) zusammen. Auf diesem Drahtgitter wurde das W., eine vom Papier- und Formmacher aus feinem Messing- oder Kupferdraht gebogene Figur (ebenfalls W. genannt), befestigt.

Bei der Herstellung des Papiers, die über mehr als 500 Jahre in fast unveränderter Weise geschah, hob der Schöpfer mit dem Sieb den aus Hadern (Woll- und Leinenlumpen usw.) durch Stampfen unter Wasserzusatz geschaffenen Papierbrei aus der Bütte und gab ihn dem Gautscher, der die Schöpfform umwendete und den Inhalt auf einen Filz drückte. Auf diesen Papierbogen kam wieder ein Filz usw. bis zu ungefähr 200 Lagen, die dann gepresst und nach Entfernung des Filzes getrocknet, geleimt, nochmals getrocknet und gepresst wurden. Im Papierbogen ist dann das Drahtgeflecht der Schöpfform mit dem W. in hellen Linien erkennbar, da sich an diesen Stellen weniger Papierbrei ablagerte. An der Bütte wurde in der Regel mit zwei Schöpfformen gearbeitet, die jeweils das gleiche W. trugen. Dies bedeutet, dass die W. als sog. Zwillinge auftraten, jedoch mit kleinen Abweichungen, wie z. B. in ihren Positionsverhältnissen zu den Stegen.

Im 18. Jh. erfand man das Velinpapier, bei dem das Sieb aus gewöhnlichem leinwandbindigem Drahtgewebe bestand. Die W.-Technik wurde zur Dunkel-W.-Technik und den bis zum 19. Jh. gebräuchlichen Voll-W. weiterentwickelt. Die Verwendung des Velinsiebs war Voraussetzung für maschinell hergestelltes Papier, bei dem W. durch Einwalzen (z. B. mit dem Egoutteur) oder durch Aufdrucken von Farbstoffen („unechte“ W.) angebracht wurden.

Die sehr unterschiedliche Motivik der W. reicht von Buchstaben über Figuren, Namen, Zahlen, Ornamente und Darstellungen aus der Tier- und Pflanzenwelt bis zu Fabelwesen und W. heraldischer Herkunft. Die ersten Papierzeichen sind einfache Figuren (z. B. Ochsenkopf) und finden sich in einer Bogenhälfte (meist der linken). Auf einem italienischen Papier begegnet uns das früheste bislang bekannt gewordene W.: ein griechisches Kreuz mit kleinen Kreisen an den vier Balkenenden (Bologna; vermutlich aus 1282). Mit der Zunahme der Papiermühlen wurden öfters gleiche W. wieder verwendet, denen zur Unterscheidung Beizeichen hinzugefügt wurden. In der Folge wurden diese verselbständigt und als Nebenzeichen oder Gegenmarke in die andere Bogenhälfte platziert. Sie verweisen meist auf Ort oder Besitzer der Papiermühle. Im Verlauf der 1. Hälfte des 19. Jh.s trat ein Stilwandel ein und die symbolhaften Bilder wurden öfters von schlichten Zahlen, Namen und Buchstaben (am unteren Rand des Bogens) abgelöst.

W. können entscheidend dazu beitragen, undatierte Handschriften zeitlich zu bestimmen oder falsche Datierungen richtigzustellen, wenn es gelingt nachzuweisen, dass sie aus derselben Schöpfform stammen wie ein Vergleichsbogen, dessen Zeitstellung eindeutig feststeht. Vergleichskriterien sind das W. selbst und seine Lage zu den Stegen (auf dem Steg, am Steg, zwischen den Stegen und frei zwischen den Stegen), die Beizeichen und Gegenmarken sowie auffällige Bodendrähte. Die mit derselben Form geschöpften Bogen zeigen übereinstimmend dieselbe Rippung. Veränderungen der Schöpfsiebabdrucke sind auf Abnutzungen und Ausbesserungen des Drahtnetzes sowie auf den Austausch des Siebes nach 1–2 Jahren Gebrauchszeit zurückzuführen. Rechnet man noch die Lagerung des Papiers bis zum Verbrauch, so gilt als Faustregel +/- 4 Jahre bezogen auf den identischen Datumsträger. Versuche, W. für Datierungszwecke zu nutzen, sind seit dem 17. Jh. bekannt. Den entscheidenden Durchbruch erzielten aber 1907 Charles Moise Briquet (in Les filigranes... edierte er über 16.000 W.) und Gerhard Piccard mit der Erstellung einer W.-Kartei im Hauptstaatsarchiv Stuttgart/D (seit 1961). In der Musikwissenschaft kam es, nach ersten Ansätzen der Handschriften-Datierung durch Papiervergleiche (v. a. bei Sammlern wie A. Fuchs), in der 2. Hälfte des 19. Jh.s zu methodischen Untersuchungen. Führend war dabei neben der Telemann- die Bach-Forschung, in deren Rahmen der erste W.-Katalog (Weiss/Kobayashi 1985), Handschriften J. S. Bachs umfassend, entstand, gefolgt vom W.-Katalog der Handschriften W. A. Mozarts (Tyson 1992). W.-Untersuchungen halfen auch zu neuen Erkenntnissen bei der Entstehung der Trienter Codices . Eine der letzten Dokumentationen der untersuchten W. am Gesamtwerk eines Komponisten betrifft das Werk F. X. Süßmayrs (Duda 2000).

Erst seit dem 17. und 18. Jh. ist von Notenpapier als einem Spezialprodukt der einzelnen Papiermühlen die Rede. Es wurde ein eigenes Verfahren zur Herstellung von stark geleimtem Papier entwickelt. In dem nach der Mitte des 18. Jh.s erzeugten Querformat erscheinen die Stege querverlaufend und das W., welches in der Mitte eines Halbbogens angebracht ist, kommt mitten im Falz quer zu liegen und erscheint durchgeschnitten. Zur Identifizierung von Notenpapier wird auch die Rastrologie (beschäftigt sich mit besonderen Merkmalen der Notenpapier-Rastrierung) herangezogen.

Das gängigste Verfahren, W. abzubilden, ist bis heute das Pausen auf Transparentpapier. Dazu kamen in den letzten Jahren verschiedene Möglichkeiten, die gute Ergebnisse in der Wiedergabe brachten (teilweise aber mit relativ großem technischem Aufwand), wie Durchlichtaufnahme, Kontaktkopie, Beta-Radiographie, „Siener-Verfahren“ oder spezielle Methoden mittels digitaler Kameras.

Die Papiermühlen des Habsburgerreichs wurden in Böhmen, Mähren, Schlesien, im Königreich Ungarn, in Galizien, Illyrien und Siebenbürgen gegründet. In den österreichischen Alpenländern wurde erst verhältnismäßig spät mit der Papiererzeugung begonnen. Im 15. Jh. bevorzugte man italienisches, besonders venezianisches Papier, und ab dem 16. Jh. begann süddeutsches Papier langsam das italienische zu verdrängen. Die Papiermühlen siedelten sich an Bächen und Flüssen der Umgebung von größeren Städten an. So war auch Linz damals nicht nur das Zentrum der Verschiffung von Papier aus Süddeutschland entlang der Donau in den Osten, sondern in diesem Zuge kamen auch schwäbische Hersteller in diese Gegend und gründeten hier Papiermühlen aufgrund des steigenden Verkaufs von Papier in diesen Regionen. In Oberösterreich wurde Papier nach süddeutscher Art produziert, und seine hohe Qualität machte es auch außerhalb Österreichs bekannt. Die älteste Papiermühle Oberösterreichs dürfte jene in Braunau am Inn gewesen sein (1520 errichtet; letztes Büttenpapier 1875 hergestellt). U. a. die innerösterreichischen Länder belieferten die Papiermühlen Kremsmünster (1542 errichtet und von Jobst Wurm betrieben) und jene um Steyr, wo drei Mühlen in Betrieb waren: „Altmühle“ (um 1550 gegründet, 1862 eingestellt; die Besitzer Rupert und Johann Kienmoser waren durch die Erzeugung des sog. „Bergmannpapiers“, 18. Jh., bekannt; s. Abb.), „Mittelmühle“ (1621 von Georg Giesser gegründet, 1869 eingestellt) und die sog. „Neumühl“ (1750 Wolf Andrä Wurm als Besitzer genannt; Büttenpapier bis 1907 hergestellt – sie erzeugte in der 2. Hälfte des 18. Jh.s das begehrte „Wildemannpapier“).

Die älteste urkundlich belegte Papiermühle Österreichs war die Untere Mühle, „hadermul“, an der Traisen bei St. Pölten (1469 gegründet, bis 1935 in Betrieb). Aus ihr stammt auch das älteste bisher nachweisbare W. auf österreichischem Boden, das Baumstamm-W. 1798 lieferten die Mühlen von Niederösterreich ungefähr ein Viertel der Gesamtproduktion der Monarchie, v. a. die beiden größten in Kleinneusiedl (1788 gegründet von Ignaz Theodor v. Pachner [* 1760]; 1898 Ende der händischen Papiererzeugung) und in Franzensthal (Ebergassing/NÖ, 1767 von J. Th. v. Trattner gegründet).

Der Papierbedarf der Steiermark musste ursprünglich v. a. durch Einfuhren aus Italien, Oberösterreich, Kaufbeuren/D und Kempten/D gedeckt werden, obwohl bereits 1517 die Papiermühle in der Au zu Leuzendorf bei Graz (unter Michael Wurm) urkundlich nachweisbar ist. Sie ging 1636 an Sebastian Haupt über, der 1646 das Monopolrecht für Steiermark erhielt. Die Jesuiten (1720–44 die wichtigsten Papiererzeuger in Graz) kauften die Mühle und betrieben ab 1750 zusätzlich die Thalbergmühle in Rohrbach. Das feinste steirische Papier lieferte die Mühle von Schloss Reifenstein in Pöls (1698 von Ferdinand Fürst Schwarzenberg [1652–1703] errichtet; 1762 an Joseph Schober sen. [† 1783] verkauft). Um 1800 hat die Steiermark gegenüber Oberösterreich die Vormachtstellung in der Papierproduktion übernommen. Die Papiererzeugung der übrigen Bundesländer war eher von lokaler Bedeutung.

Da es unter den Papiererzeugern immer wieder zu Konflikten kam, u. a. auch wegen der Rohmaterialbeschaffung (die Lumpen wurden aus allen Teilen des Reichs und sogar aus den südlichen Bereichen Russlands und aus der Türkei importiert), erließ Maria Theresia [I] 1722 eine umfassende Regelung der Betriebsverhältnisse der Papierer (wie die Vorschrift für die Einführung von Holländermaschinen oder ein Verbot des Papierglättens) und kümmerte sich u. a. auch um die Verbesserung der Rohstoffversorgung (1754 wurde in Wien ein Hadernmagazin unter der Leitung von Franz Anton Kollmünzer [† 1764] eröffnet).


Literatur
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Autor*innen
Ingrid Schubert
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Ingrid Schubert, Art. „Wasserzeichen‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e638
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DOI
10.1553/0x0001e638
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