Das älteste Musikinstrument aus Tirol, Stücke einer anthropomorphen Knochenflöte aus dem frühen Neolithikum (ca. 6. Jahrtausend v. Chr.), wurde in der Höhle Gaban in der Nähe von T. gefunden. Aus dem 4. Jh. n. Chr. stammen die ersten Hinweise auf liturgische Musik innerhalb der Diözese T. Eine Inschrift in einem Fußbodenmosaik nennt einen Kantor Laurentius zur Zeit des Bischofs Eugipius (ca. 530), was für eine Pflege des Gemeindegesangs an der vorchristlichen Basilika San Vigilio in der Stadt T. spricht. Der hl. Vigilius wurde als Patron von T. später im Hymnus Gaudio summo (nach dem Konzil: Quem tuus digne) und in der Sequenz Salve dies gloriosa verehrt. Er wird auch im ersten erhaltenen Tridentiner Sakramentar (1. Hälfte 9. Jh., I-TRbc ms. 1590) erwähnt. Etwas jüngere Sakramentare (11./12. Jh.) sind mit deutschen Neumen notiert. Die Liturgie folgte dem römischen Ritus, enthielt aber auch Elemente aus dem deutschsprachigen Raum. Schon seit dem 12. Jh. existierte in T. eine der Kathedrale angeschlossene Kapitelschule. Aus dem 13. Jh. besitzen wir einen Ordo Missae, den Bischof Friedrich von Vanga (1207–18) in Auftrag gab. Das Kapitel der Kathedrale war mit drei Würdenträgern ausgestattet: dem Dekan, dem Archidiakon und dem Scholastiker. Die Synodalverfassung von 1336 gibt einen Einblick in die Aufgaben der (damals 27, 1396 nur mehr 18) Kanoniker, weiterer Priester, Lehrer, Schüler und der sog. mansionarii (Stipendiaten des Kapitels) sowie des Organisten, die für die musikalische Gestaltung der Gottesdienste verantwortlich waren. Die im 15. Jh. auch für die Diözese T. belegte Praxis der Mehrstimmigkeit ist mit dem Wirken eines solchen mansionarius, Johannes Furlanus, gen. Giovanni biscantino (ca. 1440–60) verbunden. In den Klöstern und Pfarren war bis ins 17. Jh. hinein der cantus fractus (v. a. für das Ordinarium, das Totenoffizium und viele Antiphonen) verbreitet: von diesem Repertoire sind in der Franziskaner-Bibliothek San Bernardino zahlreiche handschriftliche Zeugnisse erhalten.
Die Geschichte des liturgischen Gesangs in T. ist eng mit der Präsenz von monastischen und Bettelorden verbunden. In T. ließen sich die Benediktiner (1146–1235 in San Lorenzo, dann bis zur Aufhebung 1425 in Sant’Apollinare), Augustiner-Chorherren (zuerst in Santa Maria Coronata, ab 1271 in San Marco, bis 1780), Klarissen (1217 im Kloster San Michele, ab 1519 im Dreifaltigkeitskloster), Dominikaner (1235 in San Lorenzo), die musikalisch besonders aktiven Franziskaner (1221 bzw. 1452 im neuen Konvent San Bernardino), Jesuiten (1625–1773) sowie Kreuzritter (1183–1592 im Ospitale di Santa Croce) und Deutschordensritter (im Ospitale del Fralimano und 1283 in Santa Elisabetta) nieder. Von den zahlreichen Bruderschaften sind die Barmherzigen Brüder, die Deutsche Bruderschaft (gen. Zappatori), die Lauden singenden Flagellanten (gen. Battuti laici, 14. Jh.; Geißlerlieder) und die Fronleichnamsbruderschaft zu erwähnen.
Für die berühmten Trienter Codices wird eine Entstehung ausschließlich in T. nicht mehr angenommen, doch sind der Domorganist (ca. 1443–67) J. Lupi als einer der Schreiber der älteren Faszikel und J. Wiser als Hauptschreiber der jüngeren nachweisbar. Ob der Dompropst (ab 1455) und Bischof (1465–86) von T. J. Hinderbach, der hier die Bibliothek errichtete, in diesem Zusammenhang eine Rolle gespielt hat, ist fraglich. Wiser war 1458–65 rector scholarum am Dom, ihm folgte 1465 der (vielleicht mit dem gleichnamigen Odenkomponisten identische) Priester Peter Schrott nach. Zu dieser Zeit hatte die Kapitelschule eine beachtliche Ausstrahlung: N. Krombsdorfer holte 1466 zwei Sängerknaben für die Innsbrucker Hofkantorei. Die Bedeutung der Stadt in der frühen Neuzeit zeigt sich daran, dass am 4.2.1508 Kg. Maximilian I. im hiesigen Dom den Titel „erwählter römischer Kaiser“ annahm.
Um 1500 ist in der T.er Kirche San Pietro die Alternatimpraxis belegt. Das dortige Instrument hatte der deutsche Orgelbauer Balthasar Burger zwischen 1484/90 erbaut. In der Kathedrale reparierte 1471/73 der deutsche Instrumentenbauer Johannes Haymerl eine Orgel. 1507/08 arbeiteten Nicolò und Francesco de Pomei an der neuen Orgel, die auf einem Balkon zwischen den zwei Säulen der sog. „Porta dei Leoni“ aufgestellt war. Sie versah ihren Dienst bis 1818, auch während des Konzils. Der Augsburger Georg Schapf (ein Schüler P. Hofhaimers) war 1517–22 Domorganist. Zwischen 1532/36 errichtete C. Zimmermann in der Pfarrkirche Santa Maria Maggiore eine damals berühmte zweimanualige Orgel mit Pedal (600 Pfeifen), die 1686/87 von dem Schlesier Eugen Casparini restauriert wurde.
Das Konzil von T. stellt in der Liturgiegeschichte ein markantes Ereignis dar. Es tagte in drei Perioden (1545–47, 1551/52 und 1561–63). 1562 wurde darüber diskutiert, mehrstimmige Musik aus dem Gottesdienst auszuschließen, da die Textverständlichkeit nicht gewährleistet sei. Auch die Verwendung weltlicher cantus firmi in Messvertonungen sollte untersagt werden. Demgegenüber setzte sich die gemäßigte Partei durch, wobei Giovanni Pierluigi da Palestrina die Beschlüsse des Tridentinums indirekt beeinflusst haben soll. Jedenfalls wurde seine Missa Papae Marcelli zum Paradigma der neuen, den liturgischen Text durchhörbar machenden Satztechnik. Eine tatsächliche Reduktion der liturgischen Vielfalt stellte allerdings die Sanktionierung von nur vier Sequenzen dar. Die Reformen des Konzils wirkten noch bei der Choralausgabe Editio Medicaea (1614/15) nach (Choralreform). Während des Konzils wurde die liturgische Musik zunächst vom Organisten, Komponisten und Kapellmeister des Fürstbischofs Cristoforo Madruzzo, Giovanni Contino (1513–74) geleitet. 1546 wurden sechs (später acht) Sänger der päpstlichen Kapelle zugezogen. Weitere Organisten waren der Venezianer Marco Antonio Partenia (1550–58) und Giovanni Rinaldo aus Lodi/I (1560–62).
Die weltliche Musik des 15./16. Jh.s hatte ihren zentralen Ort im Castello del Buonconsiglio, der Residenz der Fürstbischöfe. J. Hinderbach, Bernardo Clesio (1514–39), C. Madruzzo (1539–67) und Ludovico Madruzzo (1567–1600) waren die wichtigsten Förderer der Musik. Unter Clesio und C. Madruzzo dienten u. a. G. Schapf (1508–21), Antonio del Cornetto, Cerbonio Besozzi, G. Contino und der Lautenist Simon Gintzler. Schon im 14. Jh. sind Nachrichten von piffari (Schalmeibläsern) und Trompetern überliefert. Eine fünfköpfige Alta-Kapelle (um 1400) wird in einem Fresko in der Burg dargestellt.
Nach dem Konzil waren Macario Ceralto aus Spello/I (1566–70) und Martino Cigarello (Zingrel) aus Brixen (1582–1616) Domorganisten; im 17. Jh. Bernardo Paradisi (1616) und Giorgio Craisello (Kreisl, 1617–21). In dieser Epoche hatten die Organisten auch die Verantwortung für die Musikkapelle. Simone Martinelli (Organist 1633–60) verdankt sich die Einführung der Streichinstrumente in die Domkapelle. Nach ihm waren als Kapellmeister tätig: Giovanni Battista Villa (1662–85), Pietro Agliardi aus Brescia/I (1686–1710), Antonio Quintavalle aus Rom (1713–24) und Carlo Antonio Prati (1724–49), der Neffe von C. Prati. Im Orchester spielte ohne Bezahlung F. A. Bonporti, der bedeutendste aus T. gebürtige Komponist, ohne jemals eine offizielle Stellung einzunehmen. Weitere Kpm. und Komponisten waren G. B. Runcher, Francesco Antonio Berera (1791–1813), P. M. Stecher, Giancarlo Colò (1823–44), Antonio Musch (1845–51).
Im 19. Jh. nahm die Präsenz der Instrumente in der Kathedrale zu. Das von der Società Filarmonica ab 1851 verwaltete Orchester wurde schließlich unter dem Einluss des Cäcilianismus, der 1890 in T. Einzug hielt und zu dessen Verbreitung auch die 1927 gegründete Scuola diocesana di musica sacra beitrug, aufgelöst. Ab 1894 wurden bei den Feierlichkeiten im Dom polyphone Werke des 16./17. Jh.s oder von Cäcilianern gesungen, unter der Leitung von Don Riccardo Felini (1865–1930). Nach ihm wurde der Domchor von Monsignore Celestino Eccher (1892–1970), dem Gründer der Diözesanschule, geleitet.
1649 wurde im Palazzo delle Albere, der Residenz von Fürstbischof Carlo Emanuele Madruzzo (1629–58), die Oper Alcina von S. Martinelli aufgeführt; 1656 gab man im Castello del Buonconsiglio die Oper Stratonica. T. besaß damals kein festes Theater, aber ab 1657 wurde zusätzlich zu den Palästen und der Burg ein Gebäude bei der Jesuitenschule für Aufführungen adaptiert.
Im 18. Jh. wurde das Teatro Gaudenti errichtet, um die Jh.mitte vom Teatro Osele (ca. 600 Plätze) ersetzt, das 1766–1820 bespielt wurde. Pio Fedele Graf Wolkenstein veranstaltete 1771–78 eine Reihe von Akademien mit Instrumentalmusik in seinem Palast. 1795 wurde die Società Filarmonica gegründet, die Produktionen (mit dem Orchester und ab 1801 einer Banda sowie der Organisation von wöchentlichen Akademien) und Unterricht (durch eine Schule) vereinigte. 1819 wurde das neue Teatro Mazzurana mit La Cenerentola und Il Barbiere di Siviglia von G. Rossini eröffnet. 1838 wurde es zum Teatro Sociale, d. h. die Logeninhaber waren Eigentümer. Die Opernstagionen im Frühling (die mit dem Fest des hl. Vigilius zusammenfiel) und im Herbst (einen Monat lang) sahen die Veranstaltung von drei Stücken vor, in der Regel aus dem italienischen Repertoire. Das Theater wurde gleichzeitig für Prosastücke, Konzerte und im 20. Jh. auch für Filmvorführungen genutzt, 1983 geschlossen und 2000 wieder eröffnet.
Derzeit (2006) gibt es in der Stadt mehrere Konzertreihen (Sinfoniekonzerte und Kammermusik, u. a. Orchestra regionale Haydn, Società Filarmonica) und einige Festivals. T. ist auch der Sitz eines Konservatoriums (entstanden als Liceo Musicale und verwaltet von der Società Filarmonica, 1980 verstaatlicht) und des internationalen Dirigentenwettbewerbs „A. Pedrotti“ (seit 1985).
1976 etablierte Clemente Lunelli bei der Società Filarmonica die Collana per la storia della musica nel Trentino eine Reihe, von der bis 1995 19 Bände erschienen sind. Seit 1976 wird die Bibliothek von Lorenzo Feininger im Castello del Buonconsiglio aufbewahrt, eine wichtige Sammlung für das Studium der geistlichen Musik aller Epochen, die von dem deutschen Priester und Gelehrten (Sohn des berühmten Malers Lyonel Feininger; 1909–76) in seiner Wahlheimat T. zusammengetragen wurde. Von dem einzigen Chor des 19. Jh.s (Società corale di T., egründet 1851) führte die Entwicklung nach 1918 zu verschiedenen anderen, von denen im Bereich des alpinen Volksgesangs (alpenländisches Lied) der 1936 gegründete Coro della Società Alpinisti Tridentini (SAT) der bekannteste ist.
(Chronologisch:) R. Lunelli, La musica nel Trentino dal XV al XVIII secolo, 2 Bde. 1967; A. Carlini et al. (Hg.), Dalla polifonia al classicismo: il Trentino nella musica 1981; A. Carlini et al., Ottocento musicale nel Trentino 1985; Beiträge v. R. Vettori u. A. Carlini in Rivista Italiana di Musicologia 20 (1985); D. Curti/F. Leonardelli (Hg.), La biblioteca musicale Laurence K. J. Feininger 1985; C. Lunelli in Studi trentini di scienze storiche 64 (1985) u. 65 (1986); F. Dell’Oro/I. Rogger, Monumenta Liturgica Ecclesiae Tridentinae saeculo XIII antiquiora , 3 Bde. 1983–88; C. Lunelli in Studi trentini di scienze storiche 68 (1989) u. 73 (1994); A. Carlini/C. Lunelli, Dizionario dei musicisti nel Trentino 1992; C. Lunelli, Dizionario dei costruttori di strumenti musicali nel Trentino 1994; C. Lunelli in Studi trentini di scienze storiche 73 (1994); R. Dalmonte (Hg.), Musica e società nella storia trentina 1994; M. Gozzi, Le fonti liturgiche a stampa della Biblioteca musicale L. Feininger presso il Castello del Buonconsiglio , 2 Bde. 1994; C. Lunelli, I manoscritti polifonici della Biblioteca Musicale L. Feininger presso il Castello del Buonconsiglio di T. 1994; Duecento anni di concerti 1795–1995 , hg. v. der Società Filarmonica T. 1995; M. Gozzi/D. Curti (Hg.), [Kgr.-Ber.] Musica e Liturgia nella Riforma tridentina. T., Castello del Buonconsiglio 1995 , 1995; M. Gozzi in P. Wright (Hg.), [Kgr.-Ber.] I Codici musicali trentini: nuove scoperte e nuovi orientamenti della ricerca , 1996; A. Carlini, Francesco Antonio Bonporti “Gentilhuomo di T.” 2000; C. Ruini, I manoscritti liturgici della Biblioteca L. Feininger, presso il Castello del Buonconsiglio di T. , 2 Bde. 1998–2002; M. Gozzi in Musica e storia 11/3 (2003); Beiträge v. M. Gozzi u. A. Carlini in K. Drexel/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols 1–2 (2001–04); G. Gabrielli, l canto fratto nei manoscritti della Fondazione Biblioteca S. Bernardino di T. 2005.
Alexander Rausch