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Totenklage
Stilisiertes Weinen auf improvisierte Texte, verbunden mit dem Tod eines Menschen. Es erklingt bei bestimmten Zeremonien in Zusammenhang mit Aufbahrung und Begräbnis, aber auch beim Gedenken am Grab oder zu Hause. Die Ausführenden sind überwiegend Frauen, entweder weibliche Verwandte des bzw. der Verstorbenen oder professionelle „Klageweiber“. Der Brauch war in vielen Teilen der Welt üblich und findet sich in Europa heute (2006) noch in Rückzugsgebieten. Laut Tacitus haben die Germanen ihre Toten am Grab beklagt; schon früh wandten sich Konzilsbeschlüsse gegen den „ritus paganorum“ am Grab der Toten, gegen das „supra mortuum nocturnis horis carmina diabolica cantare“. Dass die T. auch in Österreich bekannt war, bezeugt ihr Vorkommen im Fersental, einer im Mittelalter von Tirol aus besiedelten Sprachinsel bei Trient sowie die heute noch vereinzelt geübte Praxis des T.ns bei den burgenländischen Kroaten, genannt jafkat (von jafkati = jammern). In Stinatz/Bl waren die Frauen noch in der jüngeren Vergangenheit verpflichtet, am Grab ihrer Verstorbenen anlässlich der folgenden drei Begräbnisse sowie an den Sonntagnachmittagen im Laufe der folgenden vier Jahre zu klagen.

Keine improvisierte T., sondern ein individuell verfertigter Abschiedsgesang war das Spričanje der burgenländischen Kroaten, das nach dem Einsargen, vor der Formierung des Trauerzuges, im Hof des Trauerhauses vom Kantor vorgetragen wurde. In Ich-Form nahm darin der Verstorbene Abschied von der Trauergemeinde. Diese Praxis ist zwischen 1960/70 in den meisten Orten abgekommen.


Literatur
J. Dobrovich/I. Enislidis (Hg.), Spričanje. Das Toten-Abschiedslied der Kroaten im Burgenland 1999 (= COMPA 11); K. Gaál in G. Neweklowsky/K. Gaál, T. u. Erzählkultur in Stinatz 1987; G. Haid in R. Morelli (Hg.), Identità musicale della Val dei Mòcheni. Cultura e canti tradizionali di una comunità alpina plurilingue 1996; G. Marošević in U. Hemetek/G. J. Winkler (Hg.), Musik der Kroaten im Burgenland 2004; W. Suppan, Werk u. Wirkung 2 (2000), 487–495.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Totenklage“, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e4d4
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.