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Teplitz (deutsch für tschechisch Teplice)
Der Name der in Nordböhmen gelegenen Bezirks- bzw. Kreisstadt (auch Töplitz) hat seinen Ursprung in der Wortverbindung „warme Quelle“ (warm = teplý). Dokumente belegen die Existenz von T. als Kurort ab dem Anfang des 15. Jh.s, der Sage nach reicht die Entdeckung der Heilquellen ins Jahr 762 zurück. Die erste urkundliche Erwähnung ist aus dem Jahr 1156 überliefert. Die um das Kloster herum gebaute Siedlung wurde unter der Herrschaft von Kg. Přemysl Ottokar II. zur Stadt erhoben. Die im 16. Jh. beginnende Blütezeit von T. veränderte nach und nach die ethnische Zusammensetzung der bis dahin rein tschechischen Stadt. Der Aufschwung hielt bis ins 19. Jh. an, zu jener Zeit wurde die Stadt zu einem beliebten Erholungsort für Politiker, Diplomaten und Künstler. Kohleabbau und Industrialisierung hinterließen ihre Spuren, das Leben im Kurort wurde jedoch viel mehr von der Kultur bestimmt. In der 1. H. des 20. Jh.s war die Stadt Mittelpunkt deutschböhmischer Kultur in Nordböhmen. 1895 wurde T. mit dem nahe gelegenen Badeort Schönau (Šanov) vereint (T.-Schönau [Teplice-Šanov]), heute hat die Bezirksstadt rund 50.000 Einwohner.

In der 1. H. des 12. Jh.s wurde ein Benediktinerinnenkloster errichtet (von Judith, der zweiten Gemahlin von Kg. Władisław II.). Die Hussitenkriege markieren den Untergang des Klosters, später wurde es zu einem Schloss umgebaut. Von Musikkultur – lässt man die Musikpraxis im Kloster beiseite (1370 stiftete die Äbtissin Margareth eine wöchentliche Marienmesse, 1385 verpflichtete sich die Pfarre der Marienkirche zur Abhaltung von zwei gesungenen Messen pro Woche) – kann erst seit dem Ende des 16. Jh.s die Rede sein. Hier sind die Literatenbruderschaft bei der Pfarrkirche und der als Lehrer tätige Schriftsteller und Komponist Jan Campanus Vodňanský (Johann Campanus v. Wodnian, 1572–1622) zu nennen. Zwei im 17. und 18. Jh. in T. geborene Musiker waren außerhalb ihrer Heimatstadt tätig: Ullrich v. Töplitz (Kantor, 1624 in Karlsbad) und Franz Josef Eckert (* 1730, Harfenspieler, Organist an St. Peter in Rom; sein Bruder Jakob war T.er Bürgermeister). Von Bedeutung war auch der Chorgesang in der Lateinschule. Zu den wichtigen Musikdenkmälern gehören zwei tschechische illuminierte Codices von 1560 (Kantional) und 1566 (Gradual), wobei sich in einem von ihnen ein Bild des T.er Kirchenchors befindet. Nach der Transformation der utraquistischen Bruderschaft in eine katholische Kantoreifraternität zur Zeit der Gegenreformation sang diese bei Gottesdiensten sowie bei Prozessionen. 1863 erhielt die Stadt- und Dekanatskirche zum Hl. Johannes dem Täufer eine neue Orgel (aus der Werkstatt der Gebrüder Feller, ein weiteres Instrument dieser Firma aus etwa der gleichen Zeit gibt es in der Klosterkirche). Während der Kuraufenthalte von K. Franz I. in T. 1830 waren die Chorregenten Josef Fiedler und Josef Rohn sowie der Apotheker Josef Hofmann seine Mitspieler im Streichquartett.

Von großer Bedeutung war das Theaterwesen, im Schloss errichtete Franz Wenzel Clary v. Aldringen 1751 das Schlosstheater mit rund 300 Plätzen, ab 1785 war es der Öffentlichkeit zugänglich. Im Schlosstheater traten oft namhafte (auch internationale) Virtuosen auf, das Musikleben der Badestadt wurde jedoch vorwiegend von einheimischen Musikern geprägt. Auch Wandertruppen besuchten oft die Stadt. Tragische Konsequenzen hatte der Brand im Jahr 1919, der das 1874 eröffnete Stadttheater verwüstete. Zur Einweihung des neuen Schauspielhauses kam es 1924. Das deutsche Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda versuchte 1933 das T.er Stadttheater finanziell zu unterstützen. Mit Jahresende wurde das Ensemble aufgelöst, da hier viele deutsche Antifaschisten wirkten.

Bis in die Mitte des 19. Jh.s wurden die Badegäste mit Fanfaren (Posaunen) und Paukenwirbel vom Kirchturm aus willkommen geheißen. Solche sorgten auch am 1. Mai und zu Neujahr für die musikalische Untermalung. Der Ruf des Kurortes – auch Klein-Paris genannt – lockte viele Musiker an, nicht nur böhmische (wie z. B. J. Dušek, A. Gyrowetz, J. Slavík, W. J. Tomaschek, František Škroup, W. H. Veit, J. Proksch, Josef Leopold Zvonař), sondern auch europäische wie z. B. C. Ph. E. Bach (1743), Carl Friedrich Zelter (1810), L. v. Beethoven (1811 und 1812, Treffen mit der Sängerin Amalie Sebald, vielleicht die „Unsterbliche Geliebte“), R. und C. Schumann (1827, 1849), F. Chopin (1829), C. M. v. Weber, N. Pagagini, F. Liszt (1853), E. Hanslick (1876), R. Wagner (1813, 1826, 1834, 1842–44, 1875). Zu den in T. geborenen Musikern gehören Jan Rimon (1921–91), A. Willner, Herbert Zitterbart (1905–48), K. Pohlig und Maria Maschat (1906–?). Zu den bedeutenden Komponisten, Musikern bzw. Musikschriftstellern, die in T. gewirkt haben, sind weiters August Stradal, Vinzenz Reitner, János Hammerschlag zu zählen.

In der Stadt gab es mehrere, überwiegend deutsche Gesangvereine. In der 2. H. des 19. Jh.s waren es die T.er Liedertafel und der T.er Männergesangverein – Hugo Richard Jüngst, Chorleiter und Komponist, war in beiden Ehrenmitglied. Zu erwähnen sind auch der Musik- und Gesangverein Frohsinn sowie das 1. Deutsche Sängerfest Böhmens 1876. Ähnliche Feste fanden auch 1934, 1937 und 1938 statt. Von den tschechischen Chören ist der Arbeitergesangverein (Arbeiter-Musikbewegung) Český dělnický spolek „Slavík-lidumil“ (gegr. 1882) zu nennen. T. war auch eines der Zentren der deutschen Arbeiterbewegung Böhmens. Zu den aktivsten Personen im Bereich des deutschen Chorwesens zählte der Komponist und Dirigent Emil Tausche. In der Zwischenkriegszeit hatte der deutsche Verband der Chorregenten und Organisten seinen Sitz in der Stadt.

Auch der Opern und kammermusikalische Werke komponierende Bürgermeister Joseph Maria Wolfram (1824–39 im Amt) ist zu erwähnen. Ihm ist die Professionalisierung des Kurochesters (Bademusikgesellschaft, Městský orchestr lázeňského města Teplice-Šanov), Direktor und Dirigent Joseph Rohn) zu verdanken. Das Ensemble ist erst seit 1831 offiziell bekannt (amtliche Bestätigung der Statuten), es spielte aber bereits seit 1828 in den Kolonnaden und auf den Promenaden. T. wie Schönau hatten bis 1838 ihre eigenen Orchester, was zu verschiedenen finanziellen Problemen führte. Deshalb entschied 1838 die Leitmeritzer Hauptmannschaft, ein Orchester (20 Spieler des Orchesters aus T., K. Schmit ernannt. Im Revolutionsjahr 1848 leitete der neue Dirigent Franz Lagler das Orchester (bis 1864), das nun kurz als Nationalgardemusik bezeichnet wurde. Karl Peters leitete das Orchester in den Jahren 1870–86. Nach der Eröffnung des Stadttheaters im Mai 1874 wurde es auch zum Theaterorchester und die Hälfte der Musiker wurde ganzjährig angestellt. Zu den Verdiensten von Peters zählt auch die Gründung der Abonnementkonzerte und der historischen Konzerte. Der Musikdirektor Carl Wosahlo führte 1886 regelmäßige Sinfoniekonzerte ein. Unter dem Musikdirektor Franz Zeischka änderte das Orchester 1889 seinen Namen und nannte sich von nun an T.er Stadt-Orchester. Eine wichtige Periode war die Zeit 1922–38, als das Orchester von Oscar Konrad Wille geleitet wurde; er machte sich um die sog. Volks-Sinfoniekonzerte verdient. Auch der Bruckner-Schüler M. v. Oberleithner war als Theaterkapellmeister und Opernkomponist in T. tätig. Für das Konzertleben nach 1900 war Johannes Reichert, ehemals Professor am Dresdner Konservatorium, von großer Bedeutung – und das sowohl als Dirigent wie auch als Pädagoge. Seit dem Ende des 19. Jh.s arbeiteten viele bekannte Künstler mit dem Orchester zusammen, u. a. die Dirigenten E. d’Albert, F. v. Weingartner, R. Strauss, die Pianisten F. Busoni (1899, 1903, 1908), Conrad Ansorge, E. Sauer, E. v. Dohnányi, Frederic Lamond, die Geiger Pablo de Sarasate, Eugéne Ysaye, B. Huberman, F. Kreisler, Alexander Pečnikov, Henri Marteau, die Violoncellisten D. Popper, Julius Klengel, Hugo Becker, Anton Hekking, die Sängerinnen L. Lehmann und Ernestina Schumann-Heinke. Der Musikbetrieb (unter der Leitung von Bruno Schestak und unter dem NamenDas Städtische Orchester der Badestadt T.-Schönau hielt bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs an, danach wurde das deutsche Theater geschlossen. Zu den führenden Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Musik zählten in den Jahren 1938–45 B. Schestak (u. a. Begründer der Beethoven-MSch.), Eduard Spieler und Bernhard Geisel (vorwiegend Kammermusik: Spieler-Quartett bzw. Geisel-Trio).

Nach dem Zweiten Weltkrieg spielten in T. fremde Ensembles, Gesangspiel-Produktionen wurden vom Krušnohorské divadlo [Erzgebirge-Theater] besorgt. Alois Sarauer, Pianist, Komponist und Direktor der örtlichen MSch. initiierte zusammen mit dem Dirigenten und Lehrer Miloš Sedmidubský die Erneuerung des städtischen symphonischen Orchesters. So entstand Anfang 1948 das Městský lázeňský orchestr [Städtisches Kurorchester] (in der Folge mehrmals umbenannt: Městský symfonický orchestr Teplice [Städtisches symphonisches Orchester T.] 1948/49, Krajský oblastní symfonický orchestr / Krušnohorská filharmonie [Regionales symphonisches Kreisorchester / Erzgebirge-Philharmonie] 1949–51, Krušnohorský symfonický orchestr [Symphonisches Orchester des Erzgebirges] 1951–60, Severočeský symfonický orchestr [Nordböhmisches symphonisches Orchester] 1960–1979, Severočeská státní filharmonie Teplice [Nordböhmische staatliche Philharmonie T.] 1979, Severočeská filharmonie Teplice [Nordböhmische Philharmonie T.] 1992). Im ersten Jahr wechselten sich mehrere Dirigenten an der Spitze ab. Im Jänner 1949 wurde schließlich Miloslav Bervíd als neuer Direktor berufen und er begann, das Kurorchester zu einem symphonischen Orchester weiterzuentwickeln. 1956–72 war Bohumil Berka künstlerischer Leiter. 1960 initiierte das Orchester einen Besuch von Dimitrij Schostakowitsch. Als zweite Dirigenten wirkten in T. Martin Turnovský, Libor Pešek und Vladimír Válek. Von 1972 an wirkte Jaroslav Soukup als Direktor und Chefdirigent in der Kurstadt. Er machte sich um die Erweiterung des Orchesters und um den Bau des Konzertsaales (Dům kultury [Haus der Kultur], eröffnet 1986) verdient. Nach der sog. Samtenen Revolution im November 1989 wurde das Orchester ein Jahr lang von Jan Štván geleitet. 1991–97 war Tomáš Koutník Direktor und Chefdirigent des Ensembles. Seit der Saison 1997/98 bekleidet der Kanadier Charles Olivieri-Munroe den Posten des Chefdirigenten (2012). Seit 1964 wird alljährlich das Beethoven-Musikfest veranstaltet. 1975 musste Beethovens Name aus politischen Gründen aus dem Festivaltitel entfernt werden (Herbstmusikfestival 1975, Musikfestival 1976, später Schostakowitschs T.). 1971 wurde das Konservatorium gegründet. In der Stadtbibliothek wurde eine Musikabteilung geschaffen. Zu den bedeutendsten Chören der letzten Jahre gehören Poupata [Die Knospen], Fontána [Die Fontäne (Der Springbrunnen)], Canzonetta, Perditi, Komorní sbor Teplice [Kammerchor T.], Serafin, Krušnohorský pěvecký sbor [Erzgebirge-Gesangschor] und Brixiho komorní soubor Teplice [Brixis-Kammerensemble T.].


Literatur
R. Quoika, Die Musik der Deutschen in Böhmen u. Mähren 1956; P. Zapletal, 30 let Severočeského symfonického orchestru [30 Jahre Nordböhmisches symphonisches Orchester] 1977; Sudetenland-Lex. 21985; Slovník české hudební kultury 1997; LdM 2000; M. Kubík/J. Žižková, 35 let konzervatoře v Teplicích – jubilejní brožura [35 Jahre Konservatorium in T. – Ein Jahrbuch] 2006; R. Dietz/L. Přibylová, Severočeská filharmonie Teplice. Historie a současnost [Die Nordböhmische Philharmonie in T. Geschichte und Gegenwart] 2008; K. Reinischová, Hudební život v Teplicích po roce 1945, [Das Musikleben in T. nach 1945] Bak.arb. Brno 2010; H. Hallwich, T. Eine deutschböhmische Stadtgeschichte 1886; K. Konrád, Dějiny posvátného zpěvu staročeského od XV. věku do zrušení literátských bratrstev [Geschichte des alttschechischen geistlichen Gesanges seit dem XV. Jahrhundert bis zur Auflösung der Literarischen Bruderschaften] 1893; G. Müller in Die sudetendt.en Verwaltungskörper 4 (1930); Erste dt.e Tagung für katholische Kirchenmusik im tschechoslowakischen Staate am 6. und 7. September 1931 in Brüx 1932; H. Krisch, Die unvergessene dt.-böhmische Kur- u. Badestadt T.-Schönau o. J.; M. Štěpánek, Richard Wagner a jeho dílo u nás [Richard Wagner und sein Werk bei uns] 1935; J. Schwabstedt, Sudetendt.e Heimat Mittelgebirge 1955; P. Pražák, Světoví mistři hudby v naší vlasti [Die internationalen Meister der Musik in unserem Land] 1958; J. Racek, Beethoven a české země [Beethoven und die böhmischen Länder] 1964; B. Plevka, Beethoven v Teplicích 1811–1812 [Beethoven in T. 1811–1812] 1964; B. Plevka, Beethovenův dopis nesmrtelné milence [Beethovens Brief an die Unsterbliche Geliebte] 1965; B. Plevka, Liszt v lázních Teplicích [Liszt im Bad T.] 1966; B. Plevka, Beethoven a Goethe 1966; B. Plevka in Revue Teplice 1969, Nr. 5 u. 9, 1989, Nr. 5, 9, 1010, 12; B. Plevka, Teplické skladby Ludwiga van Beethovena [Die T.er Werke von Ludwig van Beethoven] 1970; J. Racek, Wann und wo entstand Beethovens Brief an die sogenannte „Unsterbliche Geliebte“ 1972; B. Plevka, Severočeský symfonický orchestr [Das Nordböhmische symphonische Orchester] 1973; B. Plevka, Beethoven v českých lázních [Beethoven in den böhmischen Bädern] 1975; B. Čížek, 10 let konzervatoře v Teplicích – jubilejní brožura [10 Jahre Konservatorium in T. – Ein Jahrbuch] 1981; B. Plevka, Severočeské hudební kapitoly [Nordböhmische musikalische Kapitel] 1983; B. Plevka, Almanach Hudebního festivalu Ludwiga van Beethovena [Almanach des Ludwig van Beethoven-Musikfestivals] 1984; B. Plevka,Cesty 1945–1985 [Die Wege 1945–1985] 1985; B. Plevka, 40 SČSF [40 Jahre Nordböhmische staatliche Philharmonie] 1988; L. Vrkočová, Domovem hudby [Durch die Heimat der Musik] 1988; B. Plevka, Hudba u teplických pramenů [Die Musik bei den T.er Quellen] 1989; V. Honys in Zprávy památkové péče [Berichte des Denkmalschutzes] 54/1 (1994); V. Kindlová, Urbanistický vývoj Teplic v devatenáctém století [Die urbanistische Entwicklung der Stadt T. im 19. Jahrhundert] Dipl.arb. Brno 2001.

Autor*innen
Viktor Velek
Letzte inhaltliche Änderung
3.10.2012
Empfohlene Zitierweise
Viktor Velek, Art. „Teplitz (deutsch für tschechisch Teplice)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 3.10.2012, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x002d35da
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Hochfürstliches Palais auf dem Schlossplatz, gezeichnet und gestochen von Eduard Gurk© Bildarchiv Austria, ÖNB

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