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Salzburg (Stadt)
Hauptstadt des gleichnamigen österreichischen Bundeslandes, hervorgegangen aus der wichtigsten Siedlung der römischen Provinz Noricum (lat. Juvavum keltischen Ursprungs; Austria Romana). Die Geschichte der heutigen Stadt S. beginnt mit der Kolonisation des Gebietes durch den hl. Rupert um 700. Bereits unter dessen Nachfolger Virgil stieg S. zum geistigen und kulturellen Zentrum des Ostalpenraumes auf. Maßgeblich dafür war die Gründung der Abteien St. Peter und Nonnberg (Benediktiner) durch Rupert und der Dombau durch Virgil (Weihe 774). Durch mehr als 1000 Jahre sollte die geistliche Hoheit die Kultur der Stadt prägen (Salzburg/Erzbistum, Salzburg/Land).

798 wurde S. zum Erzbistum erhoben und übernahm die Missionierung der Ostmark (Österreich). Bis 987 waren die S.er Erzbischöfe zugleich Äbte von St. Peter. An den unmittelbar nebeneinander liegenden Klöstern von Dom und St. Peter mit ihren Schulen erfolgte die Pflege geistlicher Musik durch Kleriker. Im Zuge der großen Ordensreformbewegung des 12. Jh.s, die vom Kloster Hirsau/D ausging, wurde 1122 das S.er Domkapitel zu einem Augustiner-Chorherrenstift. Damals entstand mit den Petersfrauen auch ein St. Peter angeschlossener Frauenkonvent, der bis 1582 bestand. In den vier genannten Klöstern befanden sich im 12. Jh. Skriptorien. Neumierte Fragmente aus dieser Zeit finden sich in den Codices St. Peter a VII 3 und a VIII 27. Das um 1160 entstandene Antiphonar von St. Peter (ÖNB Ser.nov. 2700; es enthält mit den Mess- und Offiziumsgesängen, einem Sequentiar und einem Responsoriale das vollständige Repertoire der liturgischen Gesänge) zählt zu den bedeutendsten und schönsten Handschriften, die die Buchkunst des Mittelalters in S. hervorgebracht hat. Der Liber ordinarius (A-Su M II 6) enthält die liturgischen Vorschriften, die bis zur Reform unter Erzb. Wolf Dietrich 1588 verbindlich blieben. Die Hs. a V 2 der Stiftsbibliothek St. Peter überliefert mit der Musica Aribonis aus dem 11. Jh. einen wertvollen musiktheoretischen Traktat.

Bereits 799 wurde in den Statuta Salisburgensia gefordert, das Volk solle lernen, das Kyrie eleison [= die Litanei] zu singen. Über die geistlichen Spiele waren schon früh auch deutsche Lieder in die Liturgie aufgenommen worden: als ältestes nachweisbares deutschsprachiges Lied „Christ ist erstanden“ (Osterlied), später auch das Weihnachtslied „Joseph lieber newe myn“, das im Kloster Nonnberg im Anschluss an die Christmette bis ins 18. Jh. zum „Kindlwiegen“ gesungen wurde. V. a. vor und nach der Predigt und bei Prozessionen wurden deutschsprachige Kirchenlieder gesungen. Seit dem 14. Jh. ist auch die Beteiligung von Instrumenten an der Kirchenmusik quellenmäßig belegt: Dom, St. Peter, Nonnberg und die zu Beginn des 15. Jh.s erbaute Pfarrkirche erhielten neben der großen Orgel jeweils auch eine Chororgel. Die Kirchenmusik wurde an der Pfarrkirche von einem Kantor, den „Stadtpfarrsingern“ und Domschülern besorgt. Für die 1393 errichtete Pilgrimskapelle am Münster stiftete Erzb. Pilgrim II. eine Kantorei von zwölf Sängern, vermutlich zur Pflege der mehrstimmigen Musik.

Im 13. Jh. war der Hof Erzb. Eberhards II. (1200–46) Ziel bedeutender Minnesänger (u. a. Hartwic von Rute und Neidhart von Reuental) gewesen. Am Hof Pilgrims II. (1365–96) begegnet mit dem legendären Mönch von Salzburg der erste S.er Dichter-Komponist. 49 geistliche und 57 weltliche Lieder sind von ihm in zahlreichen Handschriften – als bedeutendste die Mondsee-Wiener Liederhandschrift (A-Wn 2856) vom Ende des 15. Jh.s – überliefert. Unter den weltlichen Liedern finden sich einfache Formen polyphonen Musizierens, für seine geistlichen Lieder griff der Mönch auf das Repertoire der Hymnen und Sequenzen zurück, übertrug die lateinischen Texte kunstreich ins Deutsche und unterlegte sie der Choralmelodie.

Nach Jahrzehnten politischer und wirtschaftlicher Krisen eröffnete Erzb. Leonhard von Keutschach (1495–1519) eine wenn auch nicht ununterbrochene Reihe bedeutender Fürsten als S.er Landesherrn, die in ihrer Hofhaltung den Künsten einen zentralen Platz einräumten. Erzb. Leonhard ließ die Fürstenzimmer der Veste Hohensalzburg prächtig ausstatten und das Hornwerk (gen. „ S.er Stier“) errichten. Seinem Nachfolger, Kardinal Matthäus Lang (1519–40), dem sein diplomatisches Geschick einen glanzvollen Aufstieg zu politischer Macht eröffnet hatte, gelang es, nach Auflösung der kaiserlichen Hofkapelle so bedeutende Künstler wie P. Hofhaimer und H. Finck an seinen Hof zu verpflichten. Kapellmeister war W. Waldner, Finck Hofkomponist, Organisten bei Hof und am Dom Hofhaimer und N. Lescalier. Weiters gehörten der Kantorei sechs Sänger, acht Kapellknaben als Diskantisten und sechs Trompeter sowie drei Gehilfen an, die auch andere Instrumente beherrschen mussten. Hofhaimer war einer der großen Lied- und Orgelmeister seiner Zeit und hat eine ganze Generation von Schülern ausgebildet, zuletzt C. Glanner der 1556 Hoforganist in S. wurde und 49 mehrstimmige Liedsätze hinterließ, die in München 1578 bzw. 1580 erschienen. Hofhaimer starb über der Vertonung der Oden nach Horaz. Erst posthum wurde diese Sammlung von L. Senfl ergänzt, von J. Stomius 1539 in Nürnberg unter dem Titel Harmoniae poeticae herausgegeben. Stomius vulgo Mulinus hatte 1528 in S., in Konkurrenz zur Domschule eine „Poetenschule“ eröffnet, die großen Zulauf hatte. Für den Unterricht verfasste er eine Musiklehre, die 1537 in Augsburg/D erschien (Prima ad Musicen instructio). Über das Repertoire der Kantorei geben Stimmbuchhandschriften Aufschluss, die sich in der Bischöflichen Zentralbibliothek Regensburg/D (B 211–215) befinden.

Bereits für Erzb. Lang, v. a. aber für seine Nachfolger als Landesfürsten war es wegen ihrer Verstrickung in Religionskämpfe schwer, das geistige und künstlerische Profil ihrer Residenz auf der erreichten Höhe zu halten. Als einzige Notenpublikation S.er Provenienz erschien in diesem Zeitraum der Motettenzyklus Sacrae cantiones (München 1588) von S. Hasenknopf. Erst unter der Regierung von Erzb. Wolf Dietrich v. Raitenau (1587–1612) gelang wieder der Anschluss an das Niveau der Ära Lang. Den Zerstörungswillen dieses Fürsten fanden die Zeitgenossen ebenso gewalttätig wie seinen Bauwillen imponierend. In den 25 Jahren seiner Regierung hat Wolf Dietrich das Stadtbild S.s bis in die Gegenwart entscheidend geprägt. Er hatte am Germanicum in Rom seine Ausbildung erhalten, ließ das 1598 durch einen Brand beschädigte romanische Münster abbrechen und plante einen neuen Dom von ungeheuren Ausmaßen. Für den Neubau seiner Residenz, der umliegenden Paläste und die Anlage weiter Plätze ließ er ganze Stadtviertel schleifen. Zur Umsetzung seiner Pläne und Reformvorhaben berief er Architekten, Künstler und Musiker, ja selbst Theologen aus Italien. Zunächst sorgte er für die strikte Einhaltung der römischen Liturgie und begann mit der Reorganisation der Hof- und Dommusik. 1591 begründete er die S.er Hofkapelle und berief T. Massaino aus Cremona/I als ersten Hofkapellmeister nach S. 1596 folgte die „Fundation der fürstlichen Chormusik“ mit 20 Chorvikaren, acht Choralisten und acht Kapellknaben (Sängerknaben). Nach der Neuorganisation der Hof- und Dommusik umfasste deren Personalstand einschließlich der zehn Hoftrompeter ständig zwischen 70 und 80 Musiker. 1598 führte der Fürst die Stelle eines Hoforgelmachers, 1612 auch die eines Lauten- und Geigenmachers ein. Mit der Reform der Hof- und Dommusik war die Grundlage für S.s Musikkultur bis zur Säkularisation geschaffen. Die Hofmusik, geleitet vom Kapellmeister oder einem der Hofkomponisten, war verantwortlich für die Musik zur Hoftafel, für die Hofkonzerte in den Räumen der Residenz und für die Aufführungen des Hoftheaters.

Noch stärker als Wolf Dietrich war Erzb. Markus Sittikus v. Hohenems (1612–19) der italienischen Kultur verbunden. In seine kurze Regierungszeit fällt 1614 die Grundsteinlegung zum heutigen S.er Dom nach Plänen von Santino Solari und 1617 zur Gründung eines Gymnasiums als Vorstufe zur Universität. Das Interesse des Fürsten für Musik und Theater machte seine Residenz zu einer der frühesten Pflegestätten der italienischen Oper. 1614 kam es in seinem Hoftheater – wahrscheinlich mit Claudio Monteverdis L’Orfeo – zur ersten Aufführung einer Oper nördlich der Alpen. In Hellbrunn entstand mit dem Steintheater das älteste Naturtheater auf deutschsprachigem Boden. Der Chronist Johann Stainhauser berichtet von geistlichen Dramen, Rappresentazione sacre, Komödien und Pastoralen, die – je nach Jahreszeit – über diese Bühnen gingen. Eine Orpheus-Gruppe in der Villa suburbana Hellbrunn erinnert an diese frühen S.er musikdramatischen Produktionen, deren Mentor der berühmte Sänger F. Rasi 1612 am Hof Marx Sittichs war. Die Musik- und Theaterkultur des frühen 17. Jh.s bildete die tragfähige Grundlage für die weitere Entwicklung. Dank der klugen Politik von Erzb. Paris Lodron (1619–53) konnte trotz des 30-jährigen Krieges der Bau von Dom und Universität abgeschlossen werden. Zur Domweihe 1628 feierte das Erzstift das größte Fest, das S. jemals erlebt hat. Die Musik lieferte Hofkapellmeister St. Bernardi. Die vielchörige Wirkung des auf den zwölf Marmorbalkonen des Domes musizierten Te Deum von Bernardi ließ nach Berichten von Zeitgenossen das himmlische Jerusalem erahnen.

Eine neue Pflegestätte der Theaterkultur entstand an der seit 1622 von einer Benediktinerföderation geführten Univ. Theaterspiel bildete eine fixe Komponente der Ausbildung (Benediktinertheater). Etwa 600 Produktionen lassen sich auf den akademischen Bühnen S.s im 17. und 18. Jh. nachweisen. An Textbüchern blieb kaum ein Drittel erhalten, auch der Großteil der Musik zu diesen Stücken ist verloren gegangen. Für die Aufführungen standen im Univ.sgebäude mit der Großen und der Kleinen Aula zwei Säle zur Verfügung. Die Musik lieferten die Hofkapellmeister und Konzertmeister, an den Aufführungen wirkten neben den Studenten auch Hofsänger, Kapellknaben und Instrumentalisten der Hofmusik mit.

Die Kirchenmusik am Dom wurde im 17. und 18. Jh. nahezu ausschließlich auf den Vierungsemporen im Kuppelraum ausgeführt. Zu den beiden 1628 an den östlichen Pilastern angebrachten und mit Orgeln versehenen Tribünen kamen unter Hofkapellmeister A. Megerle (1640–50) zwei weitere an den westlichen Pfeilern. Das Tutti-Ensemble im Presbyterium wurde von einem Chorpositiv gestützt, für den feierlichen Ein- und Auszug des Erzb.s erbaute Hoforgelmacher C. Egedacher 1703 eine große Orgel auf der Westempore über dem Hauptportal.

Unter Erzb. Ernst Graf Thun (1687–1709) wurde das Stadtbild S.s erneut gravierend verändert. Mit Priesterseminar und Virgilianum, Univ.skirche, Ursulinenkirche und Schloss Kleßheim schuf der kaiserliche Hofarchitekt Johann Bernhard Fischer v. Erlach exzeptionelle Sakral- und Profanbauten. Als Aufführungsstätte für Komödien und für die Veranstaltung von Turnieren und Pferderennen entstand 1694 die Felsenreitschule. Im Neugebäude der Residenz ließ der Fürst 1695 den Turm erhöhen und ein niederländisches Glockenspiel mit Klaviatur einbauen. Auch die Musik trug zu diesem Kulminationspunkt an der Wende zum 18. Jh. bei. Das zeitgleiche Wirken von Hofkapellmeister H. I. F. Biber und Hoforganist Ge. Muffat zeitigte ein kompositorisches und künstlerisches Niveau am S.er Fürstenhof, das dem am Kaiserhof nicht nachstand. Ist für Muffats Instrumentalmusik die Synthese von Stilelementen der französischen und der italienischen Musik charakteristisch, so ist es für das Werk von Biber die programmatische Ensemblemusik. Vermutlich 1682, zur 1100 Jahr-Feier des Erzstiftes S., schrieb Biber die kolossale 53stimmige Missa Salisburgensis, deren Partitur im S.er Museum Carolino Augusteum erhalten blieb und bis 1974 für ein Werk von O. Benevoli gehalten wurde. Die Ausbildung der Sänger, v. a. der Knabenstimmen, und der Instrumentalisten erfolgte durch Hofmusiker im 1677 erneuerten Kapellhaus in der Pfarrgasse (heute Sigmund-Haffner-Gasse, s. Abb.), der im 17. und 18. Jh. führenden musikalischen Lehranstalt S.s. Auch der Buch- und Notendruck war im 17. Jh. so hoch entwickelt, dass er sich mit europäischen Offizinen messen konnte: Gregor Kyrner und C. Katzenberger, v. a. aber J. B. Mayr legten bedeutsame Sammlungen mit Werken von Bernardi, Megerle, A. Hofer, Biber und Muffat vor. Die Musikpraxis des 17. Jh.s am Dom ist in einem Stich aus der Zeit um 1675 dargestellt (s. Abb.).

In den Stiften und Klöstern trugen ordenseigene Musiker wesentlich zur Musikkultur bei. In St. Peter wirkten neben den Stiftsmusikern Studenten in der Kirchenmusik mit, in der Franziskanerkirche bei größer besetzter Musik die Stadtpfarrmusikanten, die einstimmige „Franziskanermusik“ besorgten die Konventualen selbst. Frauen blieben bis zur Mitte des 19. Jh.s von der musikalischen Gestaltung der Liturgie ausgeschlossen. Bibers Sohn Carl Heinrich wurde 1743 zum Hofkapellmeister ernannt, im gleichen Jahr, in dem der junge Augsburger Student L. Mozart als vierter Violinist am S.er Hof angestellt wurde. Zuvor hatte Erzb. F. A. v. Harrach (1709–27) die S.er Opernszene der Vor-Mozartzeit neu belebt. 1716–26 vergab er eine Reihe von musikdramatischen Auftragskompositionen für den S.er Hof an den kaiserlichen Vizekapellmeister A. Caldara, u. a. die Pastorale Dafne 1717 zur Eröffnung des Heckentheaters im Mirabellgarten.

Nach den „geruhsamen Harrach-Zeiten“ begann mit der großen Emigration 1731/32 eine Jahrzehnte währende Rezession für S.: Erzb. Leopold Anton Freiherr v. Firmian (1727–44) zwang mehr als 20.000 Protestanten, das Land zu verlassen. Die Auswirkungen waren verheerend – Wirtschaft, Kunst und Kultur stagnierten, es gab kein Engagement bedeutender Künstler an den S.er Fürstenhof mehr. Doch wenigstens die Universität zog immer wieder Studenten, die auch tüchtige Musiker waren, wie die beiden gebürtigen Schwaben J. E. Eberlin und L. Mozart und den aus Bayern stammenden A. C. Adlgasser an, die das S.er Musikleben zur Mitte des 18. Jh.s prägten. Eberlin und Adlgasser hinterließen ein umfangreiches Œuvre an Kirchenmusik, an Oratorien und Bühnenwerken für das Univ.stheater, L. Mozart entfaltete neben seiner kompositorischen Arbeit eine rege pädagogische Tätigkeit am Kapellhaus, im privaten und familiären Rahmen. Sein Versuch einer gründlichen Violinschule (Augsburg 1756) zählt zu den fundamentalen musikalischen Lehrwerken des 18. Jh.s und repräsentiert eine wichtige Quelle zur Aufführungspraxis. Beide Kinder, Nannerl (Maria Anna) und Wolfgang Amadé, gingen durch die väterliche Schule. Wolfgangs Werdegang zeigt in seiner frühen Kirchenmusik und den Klavierwerken, Divertimenti und Cassationen noch deutlich den Bezug zur S.er Tradition. Doch beizeiten hatte er auf Reisen – in Wien, in Deutschland, Frankreich, England und Italien – die Gelegenheit genutzt, sich an den europäischen Entwicklungen zu orientieren, um in steter Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen europäischen Musik seinen eigenständigen Stil zu finden. Letztlich kehrte W. A. Mozart 1779 nur widerwillig als Hoforganist an den Salzburger Hof zurück. Als es 1781 zum endgültigen Bruch mit Erzb. Colloredo kam, fand Mozart nur Worte der Geringschätzung für S. Die Sprache der Einheimischen war ihm ebenso verhasst wie die „liederliche Hofmusik“ und die für sein Talent zu inferiore Kultur des Musiktheaters. J. M. Haydn, neben Mozart der führende Musiker am S.er Fürstenhof, fühlte sich hier dagegen wohl. Seine Bindung an S. kommt in zahlreichen Liedern und Vokalquartetten (Männerchor) für seinen Freundeskreis, die zu den frühesten der Gattung zählen, zum Ausdruck und fand entsprechende Resonanz bei seinen Schülern. 1782 hatte Erzb. Hieronymus Graf Colloredo, ein überzeugter Vertreter der Aufklärung, sein Reformwerk begonnen, unnötigen religiösen Aufwand abgestellt und den deutschen Kirchengesang für alle Kirchen der Erzdiözese vorgeschrieben, an denen kein Stundengebet gehalten wurde. M. Haydn kam bei diesem Vorhaben eine zentrale Funktion zu. Mit seinen Gradualkompositionen – bis 1789 entstanden mehr als 100 – ersetzte er die in der Liturgie des 18. Jh.s gebräuchlichen Epistelsonaten und Instrumentalstücke, überarbeitete das Salzburger Kirchengesangbuch und schrieb deutsche Messen, Vespern, Litaneien und Kirchenlieder. Noch heute (2005) weit verbreitet ist seine Messreihe „Hier liegt vor deiner Majestät“.

Die Ära der österreichischen Großmachtbildung hatte bereits gegen Ende des 17. Jh.s die Grenzen der S.er Politik aufgezeigt. Die Abhängigkeit wurde immer größer, die kulturelle Bedeutung S.s dagegen geringer. Rationalismus und Staatskirchentum lösten einen Prozess aus, der 1805 mit dem Verlust der territorialen Selbständigkeit enden sollte. Bereits 1800 war Erzb. Hieronymus vor den plündernden Franzosen geflohen und leitete bis zu seinem Tod (1812) das Erzbistum von Wien aus, nachdem ihm durch den Reichsdeputationshauptschluss 1803 die weltliche Regierung des säkularisierten Fürstentums entzogen worden war. S. erlebte nun bewegte Zeiten, fünfmal wechselten in rascher Folge Landeshoheit und Regierungsform. 1816 erfolgte die endgültige Eingliederung in das österreichische Reich. Die bisherige Residenzstadt hatte ihr Hinterland und die Hofhaltung verloren, die Univ. wurde aufgehoben, der Sitz der Regierung nach Linz verlegt. Die Einwohnerzahl sank auf 12.000, zahlreiche Gebäude standen leer, Gras wuchs auf den Plätzen der Stadt, wie Fr. Schubert 1825 seinem Bruder Ferdinand berichtete. Die HMK wurde aufgelöst, das Musikleben stagnierte. Selbst die Kirchenmusik im Dom war in ihrem Fortbestand gefährdet, das Niveau am Tiefpunkt. Einziger kultureller Treffpunkt der Stadt war in diesen Jahren der literarisch-gesellschaftliche Verein Museum . Es bedurfte mehrerer Initiativen von auswärts, ehe sich S. seiner bedeutenden musikalischen Tradition besann, ein Mozartdenkmal plante, zu dessen Enthüllung 1842 ein erstes Mozartfest (Musikfeste) veranstaltet wurde, mit der Gründung der Institution Dom-Musik-Verein und Mozarteum (1841) für die Kirchenmusik wieder eine künstlerische Basis schuf und an der MSch. Mozarteum den musischen Nachwuchs ausbildete. Damit hatte das Bürgertum (bürgerliche Musikkultur) definitiv die kulturelle Initiative übernommen, Liebhabervereinigungen (Dilettant) entstanden und organisierten sich in Liedertafeln und Singvereinen (Männergesang, Gesangverein, Musikverein). Unter ihren Leitern A. Taux, H. Schläger, O. Bach, J. F. Hummel und E. Sompek war die 1847 gegründete Salzburger Liedertafel bis in die 1. Hälfte des 20. Jh.s das führende Vokalensemble, demS. bemerkenswerte zeitgenössische EA.en verdankt.

Nach S.s Anschluss an das europäische Bahnnetz 1860 setzte verstärkt der Fremdenverkehr ein. Mit der steigenden Einwohnerzahl wuchs die Wirtschaft, Instrumentenbau und Konzertleben florierten, namhafte Virtuosen wie Th. Leschetizky, C. Schumann und J. Joachim gastierten in S. Die Musikfeste, die von der Mozartstiftung in loser Folge 1877–1910 veranstaltet wurden, machten S. für ein internationales Publikum attraktiv. Zum künstlerischen Ereignis wurde das S.er Musikfest im August 1906 mit dem erstmaligen Gastspiel der Wiener Hofoper unter G. Mahler, mit Mozarts Figaro im Stadttheater. Mahlers Überzeugung, die Oper als Bühnenkunst und nicht als Konzert im Kostüm zu sehen, wurde als revolutionär gegenüber der S.er Mozart-Tradition gesehen. Mozart-Gesellschaften (Mozartgemeinden) wurden gegründet, die Mozart-Forschung sollte mit der Errichtung eines Zentralinstitutes für Mozartforschung neue Impulse erhalten. Provinzielles Denken, verbunden mit ständigen Kompetenzstreitigkeiten führten 1880 zur Trennung von Dommusikverein und Mozarteum. Bereits 1869 hatte sich die Internationale Mozartstiftung mit dem Ziel konstituiert, eine Musikhochschule und ein Mozarthaus für Konzertaufführungen zu errichten ( Internationale Stiftung Mozarteum ). J. F. Hummel wurde der erste Direktor der Musikschule Mozarteum und führte das Institut von bescheidenen Anfängen zur Konservatoriumsreife. Noch vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges konnte 1914 das neue Mozarthaus in der Schwarzstraße bezogen werden. Es bot neben Konzertsaal und Konzertbüro Raum für die MSch. Mozarteum, für Bibliothek und Mozartarchiv. Das Projekt der Errichtung eines Festspielhauses konnte dagegen erst nach Kriegsende in die Tat umgesetzt werden ( Salzburger Festspiele ). Nach Gründung der Salzburger Festspielhausgemeinde durch F. Gehmacher und H. Damisch konnten H. v. Hofmannsthal, M. Reinhardt, Rich. Strauss, F. Schalk und A. Roller für den Kunstrat gewonnen werden, der den S.er Festspielen ab 1920 mit Schauspiel, Oper, Kirchenmusik und Konzert Konzept und Nimbus verlieh und S. internationalen Rang im Kunstleben sicherte. Hofmannsthal veröffentlichte 1919 seinen „Aufruf zum S.er Festspielplan“ und sah Oper und Schauspiel als Mitte der Festspielidee. Seit 1920 steht sein Jedermann vor dem Dom auf dem Spielplan und ist den Verantwortlichen zum Sinnbild für die Kontinuität der Festspiele geworden. 1926 wurde das nach Plänen von Clemens Holzmeister erbaute Festspielhaus eröffnet und mit Carlo Gozzis Turandot und Orchesterkonzerten der Wiener Philharmoniker unter C. Krauss, F. Schalk und B. Walter erstmals bespielt. Außerhalb der Festspielmonate Juli bis August beschränkte sich der Kulturbetrieb fast ausschließlich auf heimische Künstler: Mozarteumsdirektor B. Paumgartner leitete die Orchesterkonzerte des Mozarteum-Orchesters , Domkapellmeister J. Messner die Dommusik – beide wirkten auch als Komponisten neben Jan Brandts-Buys (1868–1933), A. Brunetti-Pisano und F. Frischenschlager. Das Mozarteum-Orchester war zunächst eine freie Orchestergemeinschaft und konstituierte sich erst 1938 aus hauptberuflichen Musikern. Am Stadttheater beherrschte die Operette weitgehend den Spielplan. Nach dem Umbau erhielt das Stadttheater 1940 den Status eines Landestheaters und widmet sich seither allen Bühnengattungen.

Als am Abend des 11.3.1938 die Nationalsozialisten die Macht übernahmen, mussten die bislang führenden Festspielkünstler Reinhardt, A. Toscanini, Walter, Paumgartner und Lo. Lehmann abtreten und wurden durch die dem neuen Regime genehmen Dirigenten W. Furtwängler, H. Knappertsbusch, C. Krauss und K. Böhm ersetzt. Das Programm sah nun Mozart-Spiele mit Weihecharakter gemäß dem Leitbild Bayreuth/D vor. 1939 nahmen die Festspiele wegen des Kriegsausbruches ein vorzeitiges Ende. In diesem Jahr wurde das Mozarteum zur staatlichen Hochschule, 1941 zur Reichshochschule erhoben, Krauss mit der Leitung beauftragt und ein Seminar für Musikerziehung (Musikausbildung) mit dem Vorstand E. Preussner eingerichtet. Nach Kriegsende wurden die Festspiele wieder aufgenommen und haben seit der Eröffnung des Großen Festspielhauses 1960 die Diskussion über Programm und zeitgemäße Entwicklung dieses Sommerfestivals in Gang gehalten. H. v. Karajan machte als Dirigent und Regisseur das Große Festspielhaus zu einem der wichtigsten Opernhäuser der Welt, das sich nicht zuletzt durch den beharrlichen Einsatz der Direktoriumsmitglieder G. Wimberger und G. v. Einem dem zeitgenössischen Musiktheater und Musikschaffen öffnete. Paumgartner kultivierte mit der von ihm 1952 gegründeten Camerata Academica am Mozarteum erarbeiteten „Salzburger Mozart-Stil“, die Internationale Stiftung Mozarteum setzt seit 1956 mit der jährlich veranstalteten Mozartwoche die Idee der S.er Musikfeste fort, fördert jedoch auch den aktuellen Diskurs mit Aufträgen an Komponisten der Gegenwart.

Der zeitgenössischen Musik fehlte es in S. bis 1950 an einem Forum. S. war zwar 1922 der Ort der Gründung der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) gewesen, die mit ihren Kammermusikaufführungen 1923/24 hier auch über die interdisziplinäre Situation unterrichtete, in S. jedoch auf Unverständnis stieß. Erst im Musikkreis des Mozarteums und in den Musica nova-Konzerten der 1960er Jahre wurden die Voraussetzungen für ein besseres Verständnis der Moderne geschaffen. Seit 1977 informiert das Festival Aspekte Salzburg jährlich über die internationale Entwicklung in der Gegenwartsmusik. Ursprünglich in Opposition zu den etablierten Sommer- und den 1967 von Karajan gegründeten Osterfestspielen entstand 1970 die Jugendkulturinitiative Szene der Jugend als Forum experimenteller Formen der Kultur. 1973 gründete Karajan die Pfingstfestspiele. 1993 entstand – nun in Verbindung mit den Festspielen der Ära G. Mortier – das Avantgarde-Festival Zeitfluss, das von dem Festspielintendanten P. Ruzicka unter der Devise Salzburg Passagen fortgeführt wird. Als Initiative zur Förderung der zeitgenössischen Musik in S. konstituierte sich 1992 die Interessengemeinschaft der Komponisten Salzburg, seit 1994 werden die Osterfestspiele von der kammermusikalischen Alternative Kontrapunkte ergänzt. 1998 entstand durch Kooperation von ORF Salzburg, Stiftung Mozarteum, Mozarteum-Orchester, Elisabethbühne und dem Österreichischen Ensemble für Neue Musik mit St-Art ein weiteres Festival aktueller Kultur-Demonstration. Kulturgelände Nonntalund Rockhouse Salzburg bieten Musikern der verschiedensten Richtungen eine Plattform.

Das Musikleben S.s ist mit der raschen Entwicklung der Stadt, zu der auch die Wiederbegründung der Universität 1962 wesentlich beigetragen hat, lebhaft und anspruchsvoll geworden. Neben der Stiftung Mozarteum bieten Mozarteum-Orchester und Camerata heute eigene Konzertzyklen an, die Salzburger Kulturvereinigung organisiert Konzertreihen im Großen Festspielhaus, Theateraufführungen im Landestheater, Vorträge, Ausstellungen und Dichterlesungen und seit 1972 die Salzburger Kulturtage. Die Salzburger Schlosskonzerte und die Festungskonzerte veranstalten Kammermusik in historischen Räumen der Stadt. Sie haben den Impuls zur Gründung zahlreicher vokaler und instrumentaler Ensembles gegeben, die sich wie die S.er Bachgesellschaft, die Internationale Paul Hofhaimer-Gesellschaft und der Paul Hofhaimer-Consort neben dem Schaffen ihres Namensgebers auch der S.er Tradition und zeitgenössischen Projekten widmen. Zahlreiche dieser Partituren wurden am 1966 errichteten Institut für Musikwissenschaft (seit 2004 Fachbereich Kunst-, Musik- und Tanzwissenschaft) der Universität S. erarbeitet und in der Reihe der Denkmäler der Musik in Salzburg publiziert. Volksmusikalische Veranstaltungen, Jazz-, Pop-, Rock- und Folkmusik ergänzen die ganzjährige Palette von Veranstaltungen, die für die Festspiel-, Univ.s-, Kongress- und Fremdenverkehrsstadt S. unverzichtbar sind.


Literatur
(Chronologisch:) B. Pillwein, Biographische Schilderungen oder Lexicon S.ischer […] Künstler 1821; G. A. Pichler, Biographien s.ischer Tonkünstler 1845; A. J. Hammerle, Chronik des Gesanges und der Musik in S. 1874–76; H. Spies in Mitt. d. Ges. f. Sbg. Lk. 81 (1941), 90 (1950) u. 91 (1951); Schneider 1935; J. Gassner in Jahresschrift des S.er Museum Carolino Augusteum 7 (1961/62); M. H. Schmid, [Kat.] Die Musikalienslg. der Erzabtei St. Peter in S. 1. Teil: Leopold und W. A. Mozart, Joseph und Michael Haydn 1970; Hintermaier 1972; S. Dahms, Das Musiktheater des S.er Hochbarocks (1668–1709), Diss. Salzburg 1974; M. H. Schmid, Mozart und die S.er Tradition 1976; H. Boberski, Das Theater der Benediktiner an der alten Univ. S. (1617–1778), 1978; R. Angermüller/G. Rech, Hundert Jahre Internationale Stiftung Mozarteum S. 1880–1980, 1980; R. Angermüller (Hg.), Bürgerliche Musikkultur im 19. Jh. in S. 1981; E. Fuhrich/G. Prossnitz, Die S.er Festspiele. Ihre Gesch. in Daten, Zeitzeugnissen und Bildern. Bd. 1: 1920–1945, 1990; H. Jaklitsch, Die S.er Festspiele, Bd. 3: Verzeichnis der Werke und Künstler 1991; E. Hintermaier (Hg.), [Kat.] S. zur Zeit des Paracelsus. Musiker – Gelehrte – Kirchenfürsten 1993; K. Wagner, Das Mozarteum. Gesch. und Entwicklung einer kulturellen Institution 1993; G. Walterskirchen (Hg.), [Kgr.-Ber.] Heinrich Franz Biber. Kirchen- und Instrumentalmusik. S. 1994, 1997; St. Engels/G. Walterskirchen, Musica sacra mediaevalis. Geistliche Musik S.s im Mittelalter 1998; Salzburger Kulturlex. 2001; J. Stenzl in MusAu 22 (2003); G. Allmer in Das Orgelforum Nr. 13 (2010).

Autor*innen
Gerhard Walterskirchen
Letzte inhaltliche Änderung
15.10.2010
Empfohlene Zitierweise
Gerhard Walterskirchen, Art. „Salzburg (Stadt)‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.10.2010, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e03d
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Salzburger Dom, Innenansicht, nach einem Stich um 1675.© ÖNB
© ÖNB
Kapellhaus, Sigmund-Haffner-Gasse 20© Christian Fastl
© Christian Fastl

DOI
10.1553/0x0001e03d
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