Swarowsky,
Hans (Johann) Josef Leopold
* 16.9.1899 Budapest,
† 10.9.1975 Salzburg.
Dirigent, Pädagoge.
Unehelicher Sohn des jüdischen Großindustriellen Josef Kranz (1862–1934) und der Schauspielerin Leopoldine S. (1881–1970). Erhielt privaten Klavierunterricht bei E. Steuermann, F. Busoni, M. Rosenthal und E. v. Sauer und wirkte 1910 als Chorknabe bei der UA von G. Mahlers Achter Symphonie (unter Mahlers Leitung) in München mit. Nach seinem Militärdienst (und italienischer Kriegsgefangenschaft) studierte S. 1917–19 Kunstgeschichte an der Univ. Wien (1920 auch Hörer von E. Wellesz). 1920 nahm er Unterricht bei A. Schönberg und bis 1927 bei A. Webern; daneben lernte er (größtenteils vermutlich autodidaktisch durch Beobachtung) Dirigieren bei R. Strauss, F. Weingartner, F. Schalk, F. Löwe und Cl. Krauss. Anfang der 1920er Jahre war S. Korrepetitor und Klavierbegleiter (u. a. des Mödlinger Männergesangvereins) und Ersatzpianist im Verein für musikalische Privataufführungen. Mit Sergei Djagilews (1872–1929) Tanzensemble Ballets Russes dürfte er außerdem auf Tournee gegangen sein. Ab ca. 1922 war S. Korrepetitor, dann Chordirektor und 1925–27 Kapellmeister an der Wiener Volksoper (währenddessen auch Korrepetitor an der Königlichen Oper Bukarest). 1927–31 war er 3. Kpm. in Stuttgart/D, 1932–34 Musikalischer Oberleiter in Gera/D, 1933–35 1. Kpm. in Hamburg/D und 1935/36 (unter Cl. Krauss) 1. Kpm. an der Berliner Staatsoper „Unter den Linden“, ab 1936 Dirigierverbot. 1938–40 erhielt er ein Engagement als 1. Kpm. in Zürich/CH. Durch die Unterstützung von R. Strauss (mit dem er seit 1935 in engem Kontakt stand) konnte S. ab 1940 als Operntextbearbeiter der Reichsstelle für Musikbearbeitungen in Berlin, als (inoffizieller) Dramaturg an der Münchner Oper und bei den Salzburger Festspielen sowie als Übersetzer von Opernlibretti (G. Verdi, G. Puccini, Ch. W. Gluck etc.) weiterhin arbeiten. 1944/45 war S. Chefdirigent der Philharmonie des Generalgouvernements
Krakau (Kraków/PL), 1945/46 Generalmusikdirektor in Stuttgart/D und 1946/47 Chefdirigent der Wiener Symphoniker. Im Sommer 1946 dirigierte er die Wiener Philharmoniker bei den ersten Nachkriegs-Festspielen in Salzburg. 1946–75 unterrichtete S. Dirigieren an der Wiener MAkad., wo er 1947 Leiter der Kapellmeisterschule wurde (o. Prof. 1961; Emeritierung 1970). 1947–54 leitete er die Ausseer Festwochen der Musikakademien. Er war 1957–59 musikalischer Leiter der Grazer Oper, 1957–59 des Scottish National Orchestras
Edinburgh (als Nachfolger K. Rankls) sowie ab 1959 ständiger Dirigent der Wiener Staatsoper. Ab 1954 unternahm er ausgedehnte Gastspielreisen durch Europa, Nord- und Südamerika, Japan und Israel, und wirkte ab 1950 an Schallplatten- und ab 1960 an TV-Aufnahmen mit. S. war auch Leiter mehrerer Dirigentenkurse (1958 Brüssel, 1960–65 Nizza/F, 1967 USA, 1971–74 Ossiach, 1974 Wiener Meisterkurse). S. galt als Spezialist für Aufführungspraxis, Kunst- und Kulturgeschichte und verfasste dazu zahlreiche Texte. Als Dirigent widmete er sich v. a. den Werken G. Mahlers und der Wiener Klassik. Er revolutionierte den Dirigierunterricht: Erfassen des Formaufbaus mit Hilfe der Schönbergschen Taktgruppenanalyse; Befreiung von falschen Traditionen; historisch fundierte Kenntnisse zur Aufführungspraxis; Fähigkeit, ohne pathetische Selbstdarstellung zu wirken. Zu seinen Schülern zählten u. a. C. Abbado, P. Angerer, P. Burwik, M. Caridis, Gabriel Chmura, Jacques Delacote, J. Demus, Adam Fischer, C. Floros, H. Froschauer, W. Gabriel, Miguel Gomes-Martinez, Th. Guschlbauer, Alexis Hauser, M. Jansons, Dimitri Kitaenko, G. Lagrange, A. Logothetis, Jesús López Cobos, Zubin Metha, E. Ortner, M. Radulescu, G. Sinopoli, St. Soltesz, G. Theuring, E. Urbanner, André Vandernoot, Bruno Weil. 1999 veranstaltete die Österreichische Gesellschaft für Musik, 2001 auch die MUniv. Wien, ein S.-Symposion, woran ein Forschungsprojekt zu S.s Leben und Wirken geknüpft war (Laufzeit bis 2005).
Ehrungen
Große Ehrenplakette des Österr. Rundfunks 1965; Großes Ehrenzeichen f. Verdienste um die Republik Österreich 1968; Mozart-Medaille der Mozartgemeinde Wien 1968; Ehrenmedaille der Stadt Wien 1970; Österr. Ehrenzeichen f. Wissenschaft u. Kunst 1974; Ehrenring der Stadt Wien 1974; Goldmedaille der Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft 1974.
Große Ehrenplakette des Österr. Rundfunks 1965; Großes Ehrenzeichen f. Verdienste um die Republik Österreich 1968; Mozart-Medaille der Mozartgemeinde Wien 1968; Ehrenmedaille der Stadt Wien 1970; Österr. Ehrenzeichen f. Wissenschaft u. Kunst 1974; Ehrenring der Stadt Wien 1974; Goldmedaille der Internationalen Gustav-Mahler-Gesellschaft 1974.
Schriften
Wahrung der Gestalt, hg. v. M. Huss 1979; Aufsätze in der ÖMZ; Gedichte; Texte f. Jahrbücher und Programmhefte; Übersetzer v. Opernlibretti.
Wahrung der Gestalt, hg. v. M. Huss 1979; Aufsätze in der ÖMZ; Gedichte; Texte f. Jahrbücher und Programmhefte; Übersetzer v. Opernlibretti.
Literatur
M. Grassl/R. Kapp, Der Dirigent H. Swarowsky (1899–1975) , 2022; ÖMZ 55/3 (2000); G. v. Noé in Das Orchester 42/6 (1994); M. Grassl/R. Kapp (Hg.), Aufführungslehre der Wr. Schule 2002; K. Wilhelm, Fürs Wort brauche ich Hilfe. Die Geburt der Oper Capriccio v. Richard Strauss u. Clemens Krauss 1988; C. Höslinger/A. Singer in ABLO (8/2023); www.mgg-online.com (8/2023); www.demos.ac.at (8/2023); www.deutsche-biographie.de (8/2023); www.mdw.ac.at (8/2023).
M. Grassl/R. Kapp, Der Dirigent H. Swarowsky (1899–1975) , 2022; ÖMZ 55/3 (2000); G. v. Noé in Das Orchester 42/6 (1994); M. Grassl/R. Kapp (Hg.), Aufführungslehre der Wr. Schule 2002; K. Wilhelm, Fürs Wort brauche ich Hilfe. Die Geburt der Oper Capriccio v. Richard Strauss u. Clemens Krauss 1988; C. Höslinger/A. Singer in ABLO (8/2023); www.mgg-online.com (8/2023); www.demos.ac.at (8/2023); www.deutsche-biographie.de (8/2023); www.mdw.ac.at (8/2023).
Autor*innen
Erika Hitzler
Karoline Hochstöger
Karoline Hochstöger
Letzte inhaltliche Änderung
18.12.2023
Empfohlene Zitierweise
Erika Hitzler/Karoline Hochstöger,
Art. „Swarowsky, Hans (Johann) Josef Leopold“,
in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung:
18.12.2023, abgerufen am ),
https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e40b
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