Das konsensuale Klima von Sozialpartnerschaft und großen Koalitionen prägte die österreichische Nachkriegszeit. Partei- und Kirchenorganisationen verfügten über ein dichtes Netz von Vorfeldorganisationen, das eine Rezeption der internationalen soziokulturellen Entwicklungen einbremste. Wie die studentische 1968er Bewegung blieben auch musikalisch motivierte S.en marginal. Erste Signale kamen von Bands wie Novak’s Kapelle (1967) und Drahdiwaberl (1969). In Graz entwickelte sich um 1970 eine eher intellektuelle S., deren Medien in erster Linie Zeitschriften, Bücher und Theater waren (Wolfgang Bauer u. a.). Der in Wien geborene und an der Kasseler Univ. lehrende Rolf Schwendter setzte 1973 mit seinem Buch Theorie der S. einen wichtigen Akzent für s.es Selbstverständnis. Mit der Besetzung der Wiener Arena , des Auslandsschlachthofes St. Marx (Wien III) im Sommer 1976, manifestierten sich erstmals in Österreich S.en in der Wahrnehmung der veröffentlichten Meinung. Während in den USA und Großbritannien, etwas später auch in der BRD Punk und New Wave aufkamen, arbeiteten die österreichischen S.en noch die 1968er und die Hippie-Bewegung auf (wie auch die Mods erst in den 1980ern in Österreich ihren späten Niederschlag fanden). Die Neue Deutsche Welle stieß auf schnellen, aber kurzen Widerhall in Österreich, wenige Proponenten dieser S. konnten sich etablieren (Falco), der Rest löste sich im Austropop auf oder verschwand. War die erste Welle der Punk-Bewegung in der 2. Hälfte der 1970er Jahre mit wenigen Ausnahmen, wie der Wiener Hausbesetzungsszene (Gassergasse [Wien V], Aegidi/Spalo [Wien VI]), an Österreich vorbeigegangen, formierte sich Ende der 1980er Jahre v. a. von Linz aus (KAPU, Stattwerkstatt) eine S., die sich im Zug der zweiten Punkwelle besonders über Musik (Hardcore) definierte. Einige ihrer VertreterInnen waren um 1990 auch maßgeblich an den Piratenradios beteiligt, die auf den Randbändern der ORF-Frequenzen eigene Programme ausstrahlten. Dass diese S. gesellschaftlichen Einfluss erlangt hat, belegt u. a. die Gründung des ORF-Senders FM4.
HipHop als Kultur der afro-amerikanischen Ghettos wurde bereits in den 1980er Jahren, also bald nach seinem Aufkommen, in Österreich rezipiert. Zur Ausbildung von HipHop-S.en kam es aber erst Anfang der 1990er Jahre. Neben Graffiti und B-Boying/Breakdance spielt mit Rap , dem rhythmischen Sprechgesang, Sprache eine zentrale Rolle. So führen z. B., für Außenstehende oft nicht erkennbar, Gruppen über das Medium Musik Streitgespräche zu verschiedenen Themen. Für Österreich lassen sich drei sprachliche Richtungen unterscheiden: die sich am US-amerikanischen Vorbild orientierende, die zur deutschen Szene tendierende und die dialektale. An der HipHop-S. zeigen sich auch einige Spezifika aktueller S.en: Personelle Verbindungen zu anderen S.en (z. B. Schönheitsfe(h)ler zu arbeitsmigrantischen Szenen, Texta zum Linzer Hardcore), internationaler Austausch (besonders mit dem deutschen HipHop), (gesellschafts-)politisches Engagement.
Schwule S.en zeichnen sich durch ein subtiles Spiel mit kulturellen Phänomenen des Mainstream aus, besonders mit Geschlechterrollenstereotypen, die persifliert bzw. umgedeutet werden. So kann einerseits ein subkulturelles Sichabgrenzen und einander Erkennen stattfinden und gleichzeitig besteht die Möglichkeit, im gegebenen Moment im Mainstream „unterzutauchen“. So wurde die Musicalsängerin und Tänzerin D. Koller nicht nur von älteren TV-KonsumentInnen rezipiert, sondern zumindest zeitweise auch von einem relativ breiten schwulen Publikum. Das Element der nicht ganz unernsten Persiflage findet sich auch in selbstbewusst auftretenden Formen schwuler S., die wiederum Fremdattribute und Stereotype über Schwule auf die Spitze treiben und lustvoll zelebrieren, wie v. a. die jährliche Regenbogenparade am Christopher Street Day (28.6.) mit Vorreiterfunktion für und in Überschneidung mit der Technoszene der frühen 1990er Jahre, wobei wiederum Koller mehrere denkwürdige Auftritte hatte. Die Heterogenität und Fluktuation der Abgrenzungen wird auch daran deutlich, dass lesbische und transgender S.en an vielen Orten getrennt und in Opposition zu schwulen funktionieren, an anderen aber gemeinsam mit ihnen. Letzteres ist der Fall in einem neueren Phänomen, nämlich in den Überlappungen mit und Übernahmen von S.en der ArbeitsmigrantInnen aus Ex-Jugoslawien und der Türkei im Homoriental Clubbing, obwohl (oder gerade weil) deren S.en dominant homophob sind.
Die Popularmusik der jugoslawischen ArbeitsmigrantInnen ist eine ethnische und zugleich soziale S. – wenn sie auch ethnisch gemischt ist, so ist sie dennoch von der österreichischen Mehrheitskultur deutlich abgegrenzt und manifestiert sich als Live-Musik v. a. in Wien in hunderten kleinen Lokalen und Diskotheken mit ex-jugoslawischem Publikum (auch Roma und Sinti). Musikalisch ähnelt der Stil im Prinzip der volkstümlichen Musik mit seiner Adaption und Verallgemeinerung regionaler, v. a. serbischer Folklore-Muster, weshalb sie auch den Namen novokomponovana narodna muzika (neu komponierte Volksmusik) trägt. Unter der leicht spöttischen Bezeichnung turbo-folk versteht man den mit elektronischen dance-beats unterlegten Stil, dem seit den späten 1980er Jahren die Interpretinnen Lepa Brena, Ceca und Dragana Mirković zum Durchbruch v. a. in Serbien verholfen haben. Produktion und Konsumtion haben dank der Arbeitsmigration ein wichtiges kommerzielles Standbein in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Auch wichtige InterpretInnen wie Mirković selbst leben dort. Stärker noch als die volkstümliche Musik hat diese Szene eigene Vertriebs- und Produktionsstrukturen, was bis zu eigenen Geschäftslokalen und Videotheken geht. Themen und Bilderwelt des turbo folk sind von starken Weiblichkeitsstereotypen geprägt, was den Stil für die österreichische Mainstreamkultur wenig erstrebenswert erscheinen lässt, aber den ironischen Dekodierungsstrategien schwuler S.en entgegenkommt.
Die volkstümliche Musik ist insofern eine S., als die meisten ihrer VertreterInnen über Vertriebsstrukturen verfügen, die am allgemeinen Musikmarkt vorbeigehen und der Verkauf der Tonträger dieser musikalischen Richtung nur etwa 10 % Marktanteil hat, wobei niedrige Produktionskosten diesen Makel wettmachen. Einen wichtigen Teil ihrer Einnahmen bestreiten ihre VertreterInnen aus Konzerttourneen, es handelt sich um eine ausgesprochene Livekultur. Die volkstümliche Musik entstand in den 1970er Jahren aus Elementen der nicht (mehr) kommerziell erfolgreichen Schlager- und Volksmusik, angereichert mit elektrischen Instrumenten, heute in der Regel auch einem Drumcomputer. Fernsehsendungen wie der Musikantenstadl verschafften dem Genre ein Massenpublikum, weshalb viele Beobachter das Etikett S. für diese musikalische Formation nicht verwenden, zumal Themen und Ideologie (Heimatromantik, katholisch-alpines Deutschtum) als Elemente der Hegemonialkultur empfunden werden.
Die Konjunktion zwischen Jugend und S.en, die die 2. Hälfte des 20. Jh.s prägte, begann sich spätestens aufzulösen, als die sog. 1968er Generation die von ihr postulierte Altersgrenze („Traue keinem über 30“) selbst überschritt. Neue Medien, Globalisierung und die neue Qualität der Migrationen schaffen neue Kategorien für die Genese von S.en. „Kultur“ wird zunehmend als Arena verschiedener S.en gesehen. Dieses sich wandelnde Verhältnis zwischen S.en und hegemonialer Kultur, die zunehmend auf die Funktion des Mainstream reduziert wird bzw. sich selbst darauf reduziert, bewirkt gesellschaftliche und kulturelle Veränderungen. Somit wurde auch die Entstehung eines dominanten new mainstream beobachtet, worin die Szenen, Rock, HipHop und Dance in einem Netzwerkzusammenhang stehen, der über ethnische und Klassengrenzen hinweg Identifikationen bietet. Für die S.en und ihre Musik können diese Entwicklungen mit Spannung erwartet werden.
M. Ableitinger, Hardcore Punk und die Chancen der Gegenkultur 2004; Z. Blažeković in Muzika. Časopis za muzičku kulturu V/1:17 (2001); W. Fischer in S. Ingram et al. (Hg.), Ports of Call. Central European and North American Culture/s in Motion 2003; M. Gächter, Rap und Hip-Hop 2000; L. Grossberg, What's Going On? Cultural Studies und Popularkultur , 2000; D. Hebdige, Subculture. The Meaning of Style 1979; R. Horak Die Praxis der Cultural Studies 2002, 99–116; R. Schwendter, Theorie der S. 1973.
Leonhard Weidinger