St.s rund 150 oft vielteilige (aber häufig inkomplette) Werke in mehr als 90 Drucken und Handschriften repräsentieren sicher nur einen Teil seines umfangreichen Œeuvres. Bekannt wurden sie vornehmlich erst um 1540 von Wittenberg/D aus, wohin sie – vermutlich durch Diebstahl – nach dem Tode St.s vor dem Einfall der Türken 1526 gekommen waren. V. a. erregten die vier großen Psalmen nach Luthers Übersetzung Bewunderung, die der deutschsprachigen Figuralkomposition in den evangelischen Ländern den Weg bereitete. Der Schaffensschwerpunkt des Priestermusikers lag verständlicherweise auf geistlichem Gebiet, und zwar in motettischer Form. Auch seine vier Alternatim-Messen ohne Credo erfüllen eine rein dienende Funktion im Kultus. Die 25 vielgliedrigen Motetten zum Proprium Missae (Messe) verraten seine Absicht, einen vollständigen Jahreszyklus analog zu H. Isaacs Chroralis constantinus zu komponieren, denn vom 4. Adventsonntag bis Ostern liegt er vollständig vor, die zweite Hälfte jedoch nur fragmentarisch. Kühner und weiträumiger sind die 25 vier- und fünfstimmigen motettischen Antiphonen und Responsorien, von denen die Neujahrsantiphon O admirabile commercium dank ihrer Klangschönheit, ihrer ungezwungenen Cantus firmus-Verarbeitung und Wortausdeutung noch im späten 16. Jh. häufig gesungen wurde. Den Erhalt des größten Teils der 39 mehrstimmigen liedartigen und oft motettischen Hymnen verdanken wir der Sammeltätigkeit und dem Druck (1540) des protestantischen Verlegers Georg Rhau in Wittenberg. Der originelle Zyklus Octo tonorum melodiae von acht nach den Kirchentönen geordneten fünfstimmigen Sätzen in motettischer Manier zeigt „per omnes tones“ didaktische Zielsetzung als Kompositionsbeispiele. Zu den bedeutendsten Kompositionen St.s gehören die drei- bis siebenstimmigen 14 lateinischen und vier deutschen Psalmmotetten, Beispiele der renaissancehaften Individualisierung der Musik um 1500; sie waren Erbauungsmusik, denn einen festen Platz im Gottesdienst hatten sie nicht. St. schrieb in einem Brief von 1526, er habe kürzlich den (verloren gegangenen) Psalm Exaltabo te aus „sunderem Lust zu den überschönen Worten“ gesetzt, ein seltenes Bekenntnis eines Komponisten um 1525. Seine Psalmen komponierte er früher z. T. über akzentuierende psalmodische Formeln, später auch häufig vom Wort her oder über fremde Choralmelodien. So entstanden Musterbeispiele im Sinne der Reservatakunst (Musica reservata) der Renaissance. V. a. der 12., 13., 86. und 37. Psalm auf Luthers deutsche Übersetzung gleichen in der Auslegung des Bibelwortes einer Predigt. Mit Hilfe der rhetorisch-musikalischen Figurenlehre (Rhetorik und Musik) und der theologischen Bedeutung der Zahlen trieb er Exegese. Die deutschen Psalmmotetten sind die ersten großen Kompositionen geistlichen Charakters in einer Nationalsprache.
Messen, Magnificat, Sequenzen, Responsorien, Antiphonen, Hymnen, Psalmvertonungen, Lieder (NA in DTÖ 72 [1930]). – Zahlreiche wissenschaftliche u. praktische NA.n v. H. Albrecht, O. Gombosi, L. Hoffmann-Erbrecht u. a. (z. T. in EdM).
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