Joseph Joannes Michael: get. 5.1.1728 Wien, † 22.4.1787 Wien. Violinist und Komponist. Über seine Kindheits- und Jugendjahre ist wenig bekannt, die musikalische Ausbildung erhielt er wahrscheinlich wie seine Schwester von Hofkomponist J. Bonno, vielleicht auch vom Geiger G. Trani. Spätestens 1754 wurde er als Violinist und Komponist im französischen Theater (Burgtheater) mit Jahresgehalt von 720 fl angestellt, 1755/56 in beiden Theatern (1000 fl). Mit der Saison 1758/59 wurde er als Ballettkomponist nach Russland berufen, wo er bis 1767 wirkte. Hier arbeitete er mit Choreographen wie F. Hilverding zusammen, mit dem er einige Wiener Ballette aufführte.
Nach seiner Rückkehr nach Wien entstanden in Zusammenarbeit mit dem Choreographen J.-G. Noverre und nach 1774 mit dessen Nachfolger G. Angiolini die wichtigsten Ballette. 1771 beteiligte er sich an der Gründung der Wiener Tonkünstler-Societät , wobei er nach dem Tod L. Gassmanns ihre Leitung übernahm und auch öfters als Dirigent wirkte. 1778 wurden im Rahmen der Tonkünstler-Societät sein Oratorium La passione di Gesù Cristo, 1779 seine Bearbeitung von G. F. Händels Judas Maccabäus aufgeführt. 1779 wurde er als Violinist pensioniert, blieb aber in leitender bzw. administrativer Funktion bis 1785 tätig. Zu Beginn der 1780er Jahre beteiligte er sich als Leiter an den musikalischen Akademien G. v. Swietens.
Neben Ch. W. Gluck und F. Aspelmayr zählt St. zu den führenden Ballettkomponisten seiner Zeit; von seinen Zeitgenossen (u. a. L. und W. A. Mozart) wurde er als hervorragender Instrumentalkomponist geschätzt. Insbesondere seine späten, bühnenwirksamen Ballette der Gattung „danse en action“, in denen er historische, heldenhafte Sujets mit zahlreichen, aus der Oper stammenden Formen verband (Marsch, Triumphzug, Tanznummern, Accompagnato-Szenen, Anrufung von Göttern, Lamenti, opernhafte Finali etc.), beeindrucken durch berührende melodische Schönheit, kühne Harmonien und überaus farbige Instrumentation mit intensiver Anwendung von Blasinstrumenten. Als vortrefflicher Geiger verstand es St., in seine Werke einen innovativen und mutigen Instrumentalstil einfließen zu lassen. Die für St. charakteristische opernhafte, gestische Musiksprache seiner Ballette mit dem typischen abrupten dynamischen Wechsel verrät dabei eine deutliche Orientierung an der Wiener Oper der vorangegangenen Generation (A. Caldara) sowie am Opernstil neapolitanischer Richtung, wie er sich in der Wiener Oper schon um und nach 1730 bemerkbar machte.
Der Fuchs in der Falle, oder Die zwey Freunde (P. Weidmann), Singspiel, Wien, Burgtheater 1776 (verschollen); zahlreiche Ballette wie Don Quixotte (Noverre), Wien, Burgtheater 1768, Roger et Bradamante (Noverre), Wien, Burgtheater 1771, Adèle de Ponthieu (Noverre), Wien, Burgtheater 1773, Les Horaces et les Curiaces (Noverre), Wien, Kärntnertortheater 1774, Teseo in Creta, Wien, Burgtheater 1775; Instrumentalmusik: 12 Symphonien (CZ-Pnm), Divertimenti, Streichquartette, Quartett-Divertimenti, Violinkonzert F-Dur (NA 1964, hg. v. P. Angerer).
Catharina Maria Anna: get. 17.10.1729 Wien, † 17.3.1784 Wien. Sängerin (Alt). Erhielt Gesangunterricht von J. Bonno und trat in den 1750er Jahren erfolgreich in Konzerten im Wiener Palais Rofrano (heute Auersperg) und bei J. F. Prinz v. Sachsen-Hildburghausen in Schloßhof/NÖ auf. Nach ihrer Verehelichung mit Franz Joseph Humel 1755 beendete sie ihre Karriere.
Carl Adam: get. 1.6.1733 Wien, † 30.12.1789 Wien. Hornist und Blechblasinstrumentenmacher. Er war ab 1757 Hornist im Orchester des „Französischen Theaters nächst der Burg“ und trat 1760 ins Orchester des Wiener Kärntnertortheaters ein. 1764 wandte er sich dem Instrumentenbau zu, erhielt 1767 das Wiener Bürger- und Meisterrecht und übernahm das Geschäft F. Leichamschneiders, mit dem er vermutlich bereits vorher zusammengearbeitet hatte, er dürfte auch bei ihm gelernt haben. 1771–89 ist St. unter der Adresse Naglergasse 187 (Wien I) nachweisbar. C. St. bemühte sich um die Verbesserung des Waldhorns mit auswechselbaren Aufsteckbögen, 1771 erfand er ein Horn mit einer neuen Stimmvorrichtung. Er baute auch Posaunen und Trompeten und war für die Wiener Hoftheater ebenso tätig wie z. B. für das Stift Göttweig. Sein Geschäft übernahm nach seinem Tod sein Geselle J. Huschauer jun.
K. k. Hof- u. Kammer-Waldhorn- u. Trompetenmacher ca. 1771.
MGG 12 (1965) u. 16 (1979); NGroveD 24 (2001); L. Braun, Die Ballettkomposition J. St.’s, Diss. Wien 1923; L. Braun in StMw 13 (1926/27); G. H. Neurath, Das Violinkonzert in der Wr. klassischen Schule, Diss. Wien 1926; A. Holschneider in MozartJb 1960/61 (1961); A. Moser, Gesch. des Violinspiels 1923, 2. verb. Aufl. v. H.-J. Nösselt 1966; S. F. Nadel/O. Wessely in StMw 32 (1981); B. A. Brown, Gluck and the French Theatre in Vienna 1991; H. Starzer in StMw 46 (1998); B. A. Brown in Gluck-Studien 2 (2000); Hopfner 1999 [Carl St.]; R. Maunder in The Galpin Society Journal 51 (1998) [Carl St.]; MGÖ 2 (1995).
Christian Fastl