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St. Georgenberg-Fiecht
Benediktinerkloster in Tirol. Um 950 Gründung von St. G. (nordwestlich von Stans im Stallental, Seehöhe 895 m) durch Rathold Graf von Aibling, 1138 Bestätigung des Klosters durch Papst Innozenz II., bis heute Wallfahrtsort zur Schmerzensmutter (Pietà von 1415); viermal durch Brand völlig zerstört: 1284, 1448, 1637, 1705. Danach Errichtung des Klosters in F. im Inntal, hier Bau der Abteikirche 1740/50. Aufhebung 1807–16 (Säkularisation, bayerische Administration) und 1941–45 (Zweiter Weltkrieg). 1868 Großbrand in F. mit weitgehender Vernichtung von Musikalien und Musikinstrumenten einschließlich der 1762 durch Andreas Jäger aus Füssen/D errichteten Orgel (22 Register). Verkauf der Klostergebäude 2018 an Privat.

Erste urkundliche Erwähnung von Choralgesang um 1230: Als Gegenleistung für die Widmung von Weingärten und deren Erträgen durch den Priester Kuno von Marling (Südtirol) mussten in St. G. Mönche samstags nach der Vesper das Responsorium singend zur Volkskirche Maria unter der Linde am Gegenhang ziehen und dort Versus, Magnificat, Antiphon sowie das Tagesgebet singen. 1471 korrespondierten die Äbte von St. G. und Tegernsee/D über die seit Jahrzehnten anstehende Einführung der Melker Reform. Um die Mitte des 17. Jh.s war ausdrücklich die Ausbildung der Novizen im Choralgesang Pflicht. Erhalten haben sich ein Antiphonarium, 1648 in und für St. G. von P. Bartholomäus Löffler OSB aus dem Kloster Michaelsberg bei Bamberg/D geschrieben (vormals Klosterbibliothek in F., Verbleib unklar), ferner ein Vesperale (um 1750) mit Illustrationen vom Schwazer Maler Christoph Anton Mayr.

Der 1271 genannte Pertoldus scolasticus aus dem Konvent indiziert eine Klosterschule, in der Knaben auch in Musik unterrichtet worden sein und zum Gottesdienst gesungen haben dürften. Die seit Mitte des 14. Jh.s nachgewiesene Lateinschule fand mit dem Brand von 1637 ein Ende. Eine neue Schule, in der Singknaben (Sängerknaben) für Musikaufführungen vokal wie instrumental ausgebildet wurden, bestand in F. 1756–1807. Seit der Restauration 1816 wurde eine nach Zeitumständen unterschiedlich strukturierte Konviktschule mit Musikunterricht geführt. Das 1962–86 geführte Internat St. Georg hatte eine private MSch. angegliedert.

Um 1580 war in St. G. der zugleich an der Schwazer Pfarrkirche tätige Wilhelm Väleisen als Organist bedienstet. Im 17. Jh. wirkten etliche auswärtige Organisten in St. G., ferner fallweise Musiker aus Schwaz, Hall i. T. oder Innsbruck; zum Stern- und Neujahransingen (Ansingen) fanden sich Sänger aus den umliegenden Orten im Tal ein, darunter die Knappensinger aus Schwaz. Aus dem Konvent von St. G. begab sich Fr. R. Molitor zur Ausbildung im Orgelspiel 1652 in das Benediktinerkloster Tegernsee. Ein „vortrefflicher“ Musikus sowie Prior von St. G. war P. Georg Kolb († 1692). Wie in anderen Klöstern gehörten im 18. Jh. der Ordensgemeinschaft von St. G.-F. mehrere hervorragende Musiker und Komponisten aus Tirol an. Der bedeutendste war P. E. Angerer (Komponist der sog. Kindersinfonie). P. Gotthard Dagn (1716–54) verfasste eine Generalbasslehre (St. Gallen 1753). Die mit ihm nicht verwandten Gebrüder Dagn trugen dem Stift einen ausgezeichneten Ruf als Musikausbildungsstätte ein: P. Magnus (1747–92) und P. Placidus (1745–1817) für Orgelspiel, P. Cassian (1755–1798) für Gesang. P. M. Goller war ein außergewöhnlicher Organist, Chorregent, Komponist und Pädagoge, der nach der Säkularisierung nicht mehr ins Kloster zurückkehrte, sondern führende Musikerpositionen in Innsbruck bekleidete. P. Rupert Stainer (1781–1840) oder P. B. Auer gehören ebenfalls zu den Komponisten aus dem F.er Konvent. 1977–85 wirkte P. Urban Stillhard OSB (* 1954) von Muri-Gries/Südtirol als Organist in F.; er initiierte 1984 die Konzerte des F.er Europasommers und führte 1978–85 das F.er Adventsingen durch.

In St. G. wurde 1408 die erste Orgel errichtet, 1617 ein Positiv von den Mitbrüdern aus Tegernsee übernommen. 1648 lieferte der Orgelmacher N. Harter (Hall i. T.) ein Regal. Nach dem Neubau eines Instruments mit 6 Registern 1658/59 durch einen nicht genannten Orgelbauer stellte J. C. Humpel (Innsbruck) 1702 ein weiteres auf. Die zweite Orgel für die Abteikirche in F. vollendete 1871 J. Aigner (Schwaz). Umbauten, Reparaturen: u. a. 1880 (Aigner), 1910 (Gebrüder Mayer, Feldkirch/V), 1970 (Fa. Reinisch-Pirchner); Restaurierung (nach Zustand von 1880): 1998–2000 (Fa. Mathis, Näfels/CH). Im 17. Jh. hatte das Kloster wertvolle Streichinstrumente erworben, u. a. von J. Stainer. Eine 1453 von Frank gegossene Glocke hängt heute (2014) noch im Turm der Lindenkirche. Vom 17. bis in die 2. Hälfte des 20. Jh.s lieferten wiederholt Tiroler Gießer Glocken für St. G. und F., so aus den Familien Köttelath, Schellener, Graßmayr.

J. B. Gänsbacher hat 1819 seine (Plenariums-)Messe Nr. 7 in C-Dur für St. G. komponiert, M. Spörr das Leben des F.er Abtes Cölestin Böhm (reg. 1704–09) in seiner Oper Der Abt von F. thematisiert (UA 1914 Nürnberg/D).


Literatur
R. Federhofer-Königs in L. Finscher/Ch.-H. Mahling (Hg.), [Fs.] W. Wiora 1967; M. Kramer in SK 14 (1967); M. Schneider, Studien zu den Messenkompositionen J. B. Gänsbachers, Diss. Innsbruck 1976; Beiträge v. E. Dietel, M. Kramer, T. Naupp u. M. Nöhrer in 850 Jahre Benediktinerabtei St. G.-F. 1988; T. Naupp in Der Schlern 65 (1991); H. Herrmann-Schneider in MozartJb 1996; A. Reichling in 250 Jahre Stiftskirche Benediktinerabtei St. G.-F./Tirol 2000; T. Naupp in K. Drexel/M. Fink (Hg.), Musikgesch. Tirols 2 (2004); H. Herrmann-Schneider in [Kgr.-Ber.] Säkularisation 1803 in Tirol.Brixen 2003, 2005; http://orgeln.musikland-tirol.at/t/sz/fiecht2.html (12/2004).

Autor*innen
Hildegard Herrmann-Schneider
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Hildegard Herrmann-Schneider, Art. „St. Georgenberg-Fiecht‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e3e9
Dieser Text wird unter der Lizenz CC BY-NC-SA 3.0 AT zur Verfügung gestellt. Das Bild-, Film- und Tonmaterial unterliegt abweichenden Bestimmungen; Angaben zu den Urheberrechten finden sich direkt bei den jeweiligen Medien.

MEDIEN
Benediktinerabtei St. Georgenberg, Ansicht von Südwesten© Richard Bartz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
© Richard Bartz, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

DOI
10.1553/0x0001e3e9
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