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Spiel
Selbstzweckhafte Tätigkeit. Aus den zahlreichen Bedeutungen der Wortfamilie interessieren hier nur auf Kulturerscheinungen bezogene, wie: Darstellung (z. B. geistliches Spiel, Schauspiel, Singspiel) und Organisationsform dafür (z. B. Festspiele), Handhabung eines Musikinstruments (z. B. Orgelspiel, Spielmann), Systeme gleichartiger Instrumente oder zusammengehöriger Gegenstände (z. B. Glockenspiel, Kammspielwerk, Spielautomaten) etc. Eine besondere Beziehung scheint das deutsche Wort (ursprünglich oder lange Zeit?) mit „tanzen“ (Tanz) gehabt zu haben. Sowohl die Gemeinsamkeiten all dieser mit dem Ausdruck Sp. verknüpften Tätigkeiten als auch deren Bedeutung für die Entwicklung des Menschen und seiner Kultur sind – mit Ausnahme von Albertus magnus (c.1193–1280), der den ludus liberalis als zweckfrei erkannte, und Thomas v. Aquin (c.1225–74), der Sp. und Muße als berechtigte menschliche Bedürfnisse ansah – lange Zeit unterschätzt worden, bis sie z. B. von Friedrich v. Schiller (Ästhetische Erziehung) endgültig als eine „freie Handlung“ anerkannt wurden, die allgemein „als ‚nicht so gemeint‘ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Sp.er völlig in Beschlag nehmen kann; an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird; die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht; die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft; die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders als die gewöhnliche Welt herausheben“ (Huizinga). Daraus ergibt sich das Sp. als selbständige anthropologische Kategorie mit bestimmten formalen Kennzeichen (z. B. Regeln, Ernst), die Verknüpfung mit Kult, Fest und Mysterium. All diese finden sich auch wieder, wenn von Sp. in speziell musikalischem Zusammenhang die Rede ist: wenn man von Musik oder ein Instrument (dieses als Mittel und nicht als Objekt verstanden) spielen spricht, von Regeln, Tonsystem oder Rhythmus, von Spielmusik oder Zauberspiel. Damit blieb auch der wesentliche Zusammenhang mit dem (ebenfalls selbstzweckhaften) Kunst-Begriff (absolute Musik) erkennbar. Eine ganz besondere Form von Sp. war die im 18. Jh. beliebte Würfelmusik.
Literatur
J. Huizinga, Homo ludens. Vom Ursprung der Kultur im Sp. 1938 u. ö.; F. Kluge, Etymologisches Wörterbuch der dt. Sprache 231999; W. Hartung, Die Spielleute im Mittelalter. Gaukler, Dichter, Musikanten. 2003.

Autor*innen
Rudolf Flotzinger
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2006
Empfohlene Zitierweise
Rudolf Flotzinger, Art. „Spiel‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2006, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e2eb
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