Kunst-S.e rufen im Publikum archaische Verhaltensmuster hervor. Sie gehen mit einer Verrohung der Sitten einher und zielen auf Bestrafung der „Missetäter“ vor aller Augen. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Spannungen zwischen Aristokratie und Bürgertum wurden die beiden großen Pariser Musik-S., die Aufführung von Rich. Wagners Tannhäuser 1861 und die Premiere von Igor Strawinskys Sacre du Printemps 1913, von bis zu Handgreiflichkeiten reichenden Tumulten im Publikum begleitet. Ähnliches gilt für die UA von A. Schönbergs 1. Kammersymphonie in Wien (8.2.1907). Die Wiener UA seines 2. Streichquartetts (21.12.1908), bei der führende Kritiker in höchster Erregung den Abbruch der Aufführung forderten, hielt Schönberg für den größten S. seiner Karriere. Die Ereignisse, über die weltweit berichtet wurde, zogen zahlreiche Auseinandersetzungen in Tages- und Fachpresse nach sich. Ein Abend mit Musik der Zweiten Wiener Schule im Wiener Konzerthaus musste am 31.3.1913 nach Störaktionen und der Verabreichung einer Ohrfeige abgebrochen werden. Nach 1945 schlugen die österreichische EA von John Cages Klavierkonzert durch das Ensemble die reihe (Wien 19.11.1959), die Ausstrahlung der Staatsoperette im österreichischen Fernsehen (30.11.1977) mit Musik von O. M. Zykan und die UA von G. v. Einems Mysterienoper Jesu Hochzeit (Wien 18.5.1980) vergleichbar hohe Wellen.
M. Eybl, Die Befreiung des Augenblicks: Schönbergs S.-Konzerte von 1907 und 1908, 2004; M. Eybl in ÖMZ 53/11–12 (2002); Ch. Kaden in J. Brügge et al. (Hg.), [Fs.] G. Gruber 2004; W. Szmolyan in ÖMZ 31 (1976); J. Marian, Klaviermusik in den Konzerten der „reihe“. Ein Beitrag zur Wirkungsgesch. Neuer Musik im Wr. Konzertleben, Dipl.arb. 1991; W. Gratzer in P. Csobádi et al. (Hg.), Politische Mythen und nationale Identitäten im (Musik-)Theater 2003.