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Schwank
Pointierte scherzhafte Geschichte, im Volk „Streich“, „Geschichte“, „Stückel“ u. ä. genannt, die zur Unterhaltung erzählt wird. Der Begriff Sch. hat sich erst im 20. Jh. in der Hans-Sachs-Renaissance der Jugendbewegung allgemein verbreitet. Zu den typischenSch.en gehören einerseits Schildbürgergeschichten und andererseits Erzählungen, in denen Personen, die sich überlegen fühlen, von jemandem, der eigentlich der Schwächere ist, mit List und Mutterwitz hintergangen, betrogen, bloßgestellt werden, wobei die Sympathie des Hörers auf Seite des letztlich Erfolgreichen ist. Sch.e entstehen bis zur Gegenwart, es ist jedoch überraschend, wie viele mitteleuropäische Sch.-Motive sich bereits historisch nachweisen lassen und weit verbreitet sind, bis in osmanische Gebiete. Ähnliche Sch.e kristallisieren sich mitunter um Persönlichkeiten, z. B. um Friedrich den Großen in Preußen und K. Joseph II. in Österreich. Zu den berühmtesten Sch.en des Mittelalters gehören jene um den Minnesänger Neidhart von Reuental, der bis nach 1240 am österreichischen Herzogshof gewirkt haben dürfte und zu einer Legendenfigur wurde. Im „Veilchen-Sch.“ bedeckt er das erste Frühlingsveilchen mit seinem Hut, um es später der Herzogin zu zeigen. Als er mit ihr an die Fundstelle zurückkehrt, hat jedoch peinlicherweise ein boshafter Dörfler einen Haufen Kot unter dem Hut versteckt. Überlieferer waren fahrende Spielleute (Spielmann, Vagant), Soldaten, Prediger u. a. Vielfach wurde dabei aus literarischen Vorlagen (mittelalterliche Sch.-Erzählungen, französische Fabliaux, neulateinische Fazetie, Sch.-Märchen, Sch.-Sammlungen und Sch.-Romane) geschöpft. So ist die Geschichte vom „Schuasta Franz va Meinatschlag“, im 20. Jh. im Mühlviertel/OÖ aufgezeichnet, eine Variante der Geschichte von der falschen Messiashoffnung, die man schon bei Giovanni Boccaccio findet (Decamerone, IV. Tag, 2. Novelle): Einem Burschen gelingt es, sich unter Vorspiegelung der wunderbaren Prophezeiung einer Messias-Zeugung bei seiner Angebeteten einzuschleichen, die dann allerdings leider ein Mädchen zur Welt bringt. Der Sch., bei dem jemand zu nächtlicher Stunde mit brennenden Wachslichtern beklebte Krebse am Friedhof aussetzte, um die Dorfhonoratioren zu erschrecken (ein Streich, der zu Unrecht sogar A. Bruckner in die Schuhe geschoben wurde), ist schon um 1380 literarisch belegt. Und das Motiv des bis heute in Wien und weit darüber hinaus gesungenen „Galiziberg-Liedes“ (eig. vom Gallizinberg in Wien-Ottakring) kann bis zu einer Novelle des Franzosen Antoine de la Salle im 15. Jh. zurückverfolgt werden. Im diesbezüglichen Liedtext wird erzählt, wie ein auf einem Baum Sitzender Zeuge des Gespräches eines sich unter dem Baum niederlassenden Liebespaares wird, das er mit groben Worten verjagt, als sich der Bursch, auf die ängstliche Frage des Mädchens, wer denn ihre Kinder ernähren solle, auf den „Herrn da oben“ beruft. Großteils werden in solch gesungenen Sch.-Balladen Beziehungs-Abenteuer erzählt, wobei Ehebruchaffären überwiegen.
Literatur
H. Bausinger in Fabula 9 (1967); H. Bausinger, Formen der Volkspoesie 1968, 2. verbesserte u. vermehrte Aufl. 1980; G. Blaschitz (Hg.), Neidhartrezeption in Wort und Bild 2000; R. W. Brednich in R. W. Brednich et al. (Hg.), Hb. des Volksliedes 2 (1973) [Sch.-Ballade]; Beiträge v. K. Haiding u. L. Kretzenbacher in L. Schmidt (Hg.), Wunder über Wunder. Gesammelte Studien zur Volkserzählung 1974; O. Moser, Die Sagen und Schwänke der Apollonia Kreuter 1974; E. Moser-Rath, Predigtmärlein der Barockzeit. Exempel, Sage, Sch. u. Fabel in geistlichen Quellen des oberdt. Raumes 1964; E. Moser-Rath, Sch. – Witz – Andekdote. Entwurf zu einer Katalogisierung nach Typen und Motiven 1969; E. Moser-Rath, Kleine Schriften zur populären Literatur des Barock, hg. v. U. Marzolph/I. Tomkowiak 1994; W.-E. Peuckert, Dt. Volkstum in Märchen u. Sage, Sch. u. Rätsel 1938; K. Roth, Ehebruchschwänke in Liedform. Eine Untersuchung zur dt.- u. englischsprachigen Sch.-Ballade 1977; L. Schmidt, Wr. Schwänke u. Witze der Biedermeierzeit 1946; L. Schmidt, Die Volkserzählung. Märchen, Sage, Legende, Sch. 1963.

Autor*innen
Gerlinde Haid
Letzte inhaltliche Änderung
15.5.2005
Empfohlene Zitierweise
Gerlinde Haid, Art. „Schwank‟, in: Oesterreichisches Musiklexikon online, begr. von Rudolf Flotzinger, hg. von Barbara Boisits (letzte inhaltliche Änderung: 15.5.2005, abgerufen am ), https://dx.doi.org/10.1553/0x0001e1f3
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